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  „Aveenas Lied” von AlienVibe   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Oktober 2002
Alle hier vorkommenden Personen gehören den jeweiligen Eigentümern. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Trevaks Vermächtnis: Entscheidung / Botschaft einer Welt
Zeitpunkt:  weit vor Beginn der ersten Staffel
Charaktere:  Trevak, seine Gefährtin, der Anführer, der Heiler, der Sprecher, der Verwalter, der auf dem Weg, die Gesangshüterin des Erdvolkes, der Hüter der Tiefen-Gesänge, Aveena
 

 

AVEENAS LIED

Kapitel 34

 

Der Gesangshüter des Volkes, das in strömenden Tiefen zuhause ist, hatte die Zwischenlider geöffnet und schaute den auf dem Weg an, dessen Blick plötzlich durch Trevak hindurch ging. Der aus den Feuern hob die rechte Hand, vollführte eine vertraute komplizierte Bewegung damit und sang ein inzwischen ebenso vertrautes Wort ...
Silbriger Nebel umgab uns, und keiner von uns hätte sich dem machtvollen Vorwärtsschub entziehen können, der uns mit sich nahm ...
Der Flug durch glitzerndes Nichts schien endlos zu dauern, aber irgendwann hielten wir abrupt an. Der Nebel war verschwunden.
Wir schwebten in der Schwärze des Alls, und die Welt unter uns, in Blau- und Grüntönen, durchsetzt von Wolkenweiß, war die der Verletzlichen ... Und in einiger Entfernung von uns trieb - ein Mutterschiff der Taelons, still und fast ganz dunkel, mit einer klaffenden Wunde in der linken Seite ... Bevor wir uns ihm nähern konnten, um es genauer zu untersuchen, gerieten wir in eine Art heftigen Sogs, als ob wir auf den Planeten unter uns zustürzen würden - um kurze Zeit später hart auf offenbar steinigem Untergrund zu landen.
Was wir wahrnahmen, ließ uns sofort aufspringen. Alle Jaridians aktivierten ihr Shaqarava und gruppierten sich um uns vier Nichtbewaffnete.
Direkt vor uns lag der tote, ausgezehrte Körper eines Verletzlichen. Um uns herum waren ausnahmslos zerstörte Behausungen; es hatte überall gebrannt. Auf dem breiten Pfad unter unseren Füßen, der zwischen den Trümmern hindurch führte, lagen noch mehr tote Geschöpfe, Verletzliche, größere und kleinere Bepelzte, davon sehr viele kleine mit langen, nackten, dünnen Körperenden ... dazwischen wahllos undefinierbare Gegenstände, Reste vertrockneter Pflanzen, winzige tote gefiederte Wesen - und vereinzelt solche, die aussahen wie Angehörige des Volkes, das den Dritten Weg gegangen war - genau so ausgezehrt wie die Menschen ... In einiger Entfernung war etwas sehr Großes in die Gebäude der Verletzlichen gestürzt, etwas, das seltsam vertraut wirkte ... und das die Menschenbauten überragende, zur Hälfte zerfetzte Gebilde schien gleichfalls schmerzhaft bekannt ...
Das Beängstigendste an der Situation hier war die absolute Stille - niemand sang, niemand schrie oder jammerte, es gab nicht einmal Wind, der mit irgend etwas hätte rascheln oder klappern können ... Die Luft schmeckte nach Staub, wie über der Zentralwüste auf unserer Welt, und nach Zersetzung.
Der Anführer schaute ebenfalls auf das, was in die Gebäude der Verletzlichen gedrungen war, und in dem Moment, in dem ich den Schmerz in seinem Gesicht sah, erkannte ich es endlich - es war ein Sokhara-Kreuzer ... und das riesige, wasserpflanzenähnliche zerstörte Etwas daneben war eine tote Taelon-Behausung ...
Ich hatte die Flügel um mich geschlungen und hatte Mühe, auf den Füßen zu bleiben - ich wußte, was das hier war, und es tat so weh, daß ich hätte schreien mögen ... Das hier war das Ende des Weges, auf dem sich Taelons, Jaridians und offenbar auch die des Dritten Weges gerade befanden - das Ende des Weges des Schreckens, die völlige Vernichtung ihrer drei Spezies, und offenbar auch die der Verletzlichen und ihrer Welt ... „Bitte nicht ... bitte, bitte nicht ...” flehte ich den Ersten Jaridias an, der, genau wie die Seinen, wie erstarrt da stand.
Alles hier sang davon in der Totenstille - all die längst verabschiedeten Wesen, die zerstörten Behausungen, das vernichtete Jaridianschiff, der verbrannte Rest von etwas, das ein Baum gewesen sein mochte - alles sang davon, daß dies hier nicht das Ende einer verlorenen Schlacht war, nach der der Kampf anderswo weiter geführt wurde - das hier war das Ende eines verlorenen Krieges, und verloren hatten ihn alle - selbst die, die darin nicht einmal mitgekämpft hatten ...

Trevak war der erste, der sich wieder regte. Er wandte sich halb zu der Zweiten um, die ihn gar nicht sah, weil ihr Blick auf den toten Atavus gerichtet war, der ein Stück entfernt da lag.
„Unser Nachwuchs bleibt von Ramaz' Krankheit verschont ... damit das hier aus ihnen wird ...” sagte er sehr leise, mehr zu sich selbst als zu ihr oder zu uns. Dann fiel sein Blick auf mich. „Warum? Warum hast Du mich geheilt? Wozu, wenn es das ist, wohin es führt?”
Ich fühlte durch den Boden, wie sehr er mit sich rang.
Seine Gefährtin hatte sich umgedreht und schaute ihn an.
Mein Bedürfnis, alle Jaridians zwischen die Flügel zu nehmen, samt der aus dem Dunklen, dem aus den Tiefen und dem Feuervolk-Angehörigen, und uns alle hier weg zu bringen, wurde übermächtig ... Ich breitete die Flügel aus und wollte den Schnabel öffnen, um das zu singen, wurde aber daran gehindert - der auf dem Weg hatte mir eine Hand auf die rechte Schulter gelegt. „Nein ... Du kannst und darfst jetzt nichts tun ... es ist ihr Weg, der Weg der Jaridians ...”
Der Heiler, der Sprecher und der Erste hatten sich so positioniert, daß sie sowohl ihre Stammesangehörigen und uns als auch die Umgebung im Auge hatten. Alle drei hatten ihre Energie nicht deaktiviert, obwohl klar war, daß nichts und niemand uns hier noch bedrohen konnte ...
Trevak und die Zweite standen einander gegenüber, sie von weißem Leuchten umgeben, er gleichfalls mit aktiviertem Shaqarava und absolut angespannt. „Die Taelons haben das hier angerichtet„, brachte er mühsam heraus. „Sie haben es zu verantworten ... Welche Garantie gibt es, daß das hier nicht geschieht, wenn ich den Tachyonkonverter entwickele und ihnen damit eine Überlebens-Energiequelle verschaffe?”
„Überhaupt keine„, antwortete seine Gefährtin. „Überhaupt keine ... Es gibt nur eine einzige Garantie - wenn Du es nicht tust, geschieht das hier auf jeden Fall.”
Trevak sank ganz langsam in sich zusammen, und sie machte keine Anstalten, ihn zu stützen. Ich tat einen Schritt in seine Richtung, die aus dem Dunklen ebenfalls, und der aus den Feuern hielt uns beide zurück.
Der Gesangshüter der Wasser schaute auf alles mit ungeschütztem Blick ...
Der Gefährte der Zweiten hockte am Boden, das Gesicht in den Händen verborgen, zitternd.
In dem auf dem Weg war ein Bild: einer seines Volkes, ein Taelon und ein Jaridian, einander gegenüber stehend, und ein Vereinter, der einen Arm um einen des Dritten Weges gelegt hatte, und das war mit Sehnsucht verbunden, die in meinem Brustkasten schmerzte ... Ich spürte, wie meine Energie, ebenso wie die der Erdvolk - Gesangshüterin, ihm und Trevak zuströmte und verstärkte den Fluß in beide Richtungen.
Totenstille.
Die Zeit selbst schien still zu stehen.
Trevak lag auf dem Pfad, zusammengekrümmt.
Totenstille ...
Der Hüter der Gesänge derer in den Tiefen hielt den Blick auf den Jaridian am Boden gerichtet.
Und irgendwann regte sich dieser und gab einen erstickten Laut von sich.
Der auf dem Weg atmete tief auf und ließ uns beide los. Die Zweite hatte Trevak vor uns erreicht und half ihm auf, dann waren wir im Kontakt mit beiden und umringt und berührt von den übrigen Jaridians und schließlich auch vom Wasser-Gesangshüter und dem auf dem Weg. Der Gefährte der Zweiten strahlte jetzt Entschlossenheit aus und Wärme. „Ich tue es für die, denen meine Gefährtin und ich noch Leben geben werden - und für alle anderen, für die Ihr noch singen werdet ... Es mag Verrat sein, etwas für die Taelons zu tun, aber wenn das die einzige Chance ist, den Meinen Zukunft zu verschaffen, werde ich zum Verräter ...” In seinem Geist war ein Eindruck seiner selbst, mit einer Art experimentellem Entwurf eines kleinen Tachyon-Konverters in den Händen, einem Taelon gegenüber stehend, der seinerseits die Hände ausstreckte. Die Zweite schloß ihn fest in die Arme, und mit einem Mal spürte ich nicht nur ihre Erleichterung, Freude und Wärme, sondern noch etwas - nein, jemanden - anderes, neues ... Trevaks Augen wurden weit, und alle Jaridians im Kreis strahlten plötzlich, besonders die Zweite selbst. „Warum hast Du mir nichts davon gesagt?” fragte ihr Gefährte, und sie antwortete, sehr überrascht und begeistert: „Ich erfahre es doch selbst gerade erst - ich hatte noch keinerlei Veränderung gespürt in mir ...” Offenbar bemerkte eine Jaridian die neue Stimme, die in ihr wach wurde nach dem Weben, erst dann, wenn deren winziges Sein schon eine Weile gewachsen war ...
Die Umrisse unserer Umgebung begannen in Silberschimmer zu verschwimmen, und das einsetzende Gefühl des Fallens machte schwindelig. Als es aufhörte und der Nebel sich lichtete, hockten wir wieder im Kontaktkreis auf dem Mitte-Lager in der Höhle, dicht zusammengerückt, die Zweite ihren erschöpften Gefährten haltend.
Der aus den Tiefen schloß die Zwischenlider nicht.
Der aus den Feuern schaute durch Trevak und die Zweite hindurch - auf das Silberband der Zeit in der Schwärze des Alls ... das aus unendlich vielen miteinander verflochtenen Silberbändern zu bestehen schien ... eines davon war aus dem Geflecht heraus geglitten, schwang seitlich daneben und begann, sich zu dehnen ... es wurde dünner und dünner, bis es schließlich zerriß - und die beiden Enden in der Dunkelheit des Raumes verschwanden ...
Ehe auch nur der Ansatz einer Klärung dazu im Kreis auftauchen konnte, schien sich das schimmernde Gebilde langsam aufzulösen, und nur Schwärze blieb zurück, die schließlich ebenfalls verblaßte.
Der auf dem Weg nahm das Datenverarbeitungsgerät, in das er zu Anfang den Kristall geschoben hatte, und aktivierte es. Er drückte einige der Tasten daran, und über den grün leuchtenden Bildschirm begannen in Rot, Orange und Schwarz regelmäßig gezackte Linien zu wandern, während das Gerät zu singen begann ... ein zugleich sehr fremdartiges und doch vage vertrautes Lied, das die aus dem Dunklen veranlaßte, sich sehr aufrecht hinzusetzen und alle Sinne darauf zu konzentrieren. „Das ist Jaridia„, sagte sie, sehr überrascht. „Das ist der Gesang dieser Welt ... aber so habe ich ihn noch nie gehört ...” Ich spürte, wie sie ihre Aufmerksamkeit zugleich auf das Gerät und das Gestein, das uns umgab, richtete, ihr tiefrotes Energiefeld ausdehnend, so weit sie es vermochte, und versuchte, was sie sah, hörte und fühlte, überein zu bringen, was ihr nicht gelang. Die Jaridians verfolgten das Geschehen über den Kontakt, irritiert. „Woher stammt das, was das Gerät aufgezeichnet hat?” fragte die Erdvolk-Gesangshüterin den auf dem Weg. „Aus der Schicht um Jaridias Feuer des Inneren„, antwortete dieser, „aber nicht von hier, sondern von einem sehr entfernt gelegenen Ort ... die Oberfläche über der Stelle, an der sich die Sonde befindet, die diese Aufzeichnung gesendet hat und immer noch sendet, ist mit gefrorenem Wasser bedeckt ...” In den Zügen der Gesangshüterin derer im Dunklen stand etwas wie Ehrfurcht. „Auf der, die uns trägt, habe ich Stein noch nie so singen gehört ... nichts auf unserer Welt existiert lange genug, um ein solches Lied gewoben haben zu können ...” Ich lauschte ebenso gebannt auf die Steinklänge, die aus dem Gerät drangen, wie sie sämtliche Tiefensinne weit offen, am Rande registrierend, daß sich Fäden weiß-violetten Nichtverstehens und beginnender Ungeduld in den Kontakt woben.

Ein unglaublich langsamer Rhythmus, der einen so tiefen Grundton trug, daß ihn nicht einmal die aus dem Dunklen mit ihrem untersten Stimmbandpaar produzieren konnte - er lag zwanzig Achtton-Schritte unter dem derer, die die Unseren trug ... auf dieser Schwingung baute sich der vielschichtige Akkord in Grün-, Braun-, Gelb- und Goldtönen auf, der die Stimme dieser Welt trug, und die aus dem Dunklen hatte den Mund geöffnet und den Bauch gewölbt und sang in ihrer Stimmlage mit allen Stimmbandpaaren und Resonanzsehnen mit, als habe sie der Gesang der Konzentration in den Kontakt mit unserer Welt getragen, und ich konnte nicht anders, als einzustimmen ... Das, was das Gerät und wir sangen, ließ das Gestein um uns vibrieren. Der aus den Tiefen schloß sich uns an, und die Farben dieser Welt umflossen uns alle ...
Die Ungeduld, die hauptsächlich von dem Ersten ausgegangen war, war bei diesem profundem Unbehagen gewichen. Die Zweite und Trevak verfolgten, was geschah, funkelnd vor Neugier, der Verwalter fühlte sich ebenfalls eher unbehaglich, der Sprecher wirkte gelassen und der Heiler schwankte zwischen Neugier und Besorgnis ... Und dann wurde es plötzlich weit und tief um uns, und eine weitere Präsenz war mit im Kontakt.
Eine riesige, machtvolle Präsenz.
Jaridia.
Und ihr wortloser, mächtiger Gesang, der den unseren, der dagegen dünn und winzig klang, in sich einschloß, war das Lied des Kristalls in dem Gerät und viel, viel mehr ... das Lied des Kristalls, den der Feuervolk-Angehörige gefunden hatte, hier im Gebäude, an dem Ort, an dem die Jaridians hier ihre Aufzeichnungen aufbewahrten ...
Die Jaridians waren wie gebannt. Sämtliche Gefühle und Gedanken, die zuvor von ihnen im Kontakt waren, waren dem Staunen gewichen ... „Ihr habt die, die Euch trägt, so lange nicht mehr gespürt ...” ließ der auf dem Weg in die Berührung fließen. „Euer Krieg gegen die Taelons hat Euch genau so heimatlos gemacht wie sie es sind ...Wann war Eure letzte Versammlung hier unten, in der Höhle, die Eure Urvorfahren vor unvorstellbarer Zeit geschaffen haben, um alle notwendigen Entscheidungen geborgen im Inneren derer, die ihnen Zuhause geworden war, treffen zu können? Ihr ehrt Eure Welt und kämpft für sie, aber Ihr fühlt sie nicht mehr ...”
Ich spürte zu den Jaridians hin, zu der Präsenz ihrer Welt und zu dem aus den Feuern, und ich wußte, daß er Recht hatte. Die Jaridians gingen sehr achtsam mit ihrem Planeten um, der Schutz derer, die ihnen Heimat geworden war, war ihnen oberstes Gebot, und das nicht nur, solange die Kampfhandlungen noch in Jaridias Nähe stattgefunden hatten ... in ihnen war Stolz auf ihre Welt, einige von ihnen, wie etwa der Sprecher oder die Zweite, waren sich ihrer Schönheit noch bewußt und in der Lage, sich darüber zu freuen - aber die Fähigkeit zum Kontakt mit ihr, über die ihre Urvorfahren in einer ähnlichen, wenn auch längst nicht so intensiven Form wie etwa wir es bezogen auf die unsere hatten, verfügten, war ihnen in den Äonen des Kampfes gegen die Taelons verloren gegangen - wie so vieles andere auch, das sie einstmals waren ...
Und nach Ablauf einer Zeit, die zwar die Lebenszeit mehrerer Generationen von Jaridians umfaßte, die von Ramaz' Krankheit verschont waren, aber absehbar war, würden sie ihre Heimatwelt selbst verlieren.
Uns blieben Atem und Stimme weg.
Alle Jaridians hatten ihr Shaqarava aktiviert.
„Das ist nicht wahr„, sagte der Anführer. „Das glaube ich nicht - ich weiß zwar nicht, wozu das hier alles gut sein soll, aber ...”
„Es ist wahr„, antwortete der aus den Feuern, flach und sehr fern klingend, aber merkwürdig echohaft verstärkt, als sprächen er und Jaridia selbst mit einer Stimme. „Diese Welt war bereits uralt, als die, von der Ihr ursprünglich stammt, aus Glut und Gas und kosmischen Trümmern ins Leben gewoben wurde ... Alles, alles ist eingebunden in den Zyklus von Abschied, Wiederkehr und Neubeginn, egal, wie klein oder wie mächtig sein Bewußtsein ist, selbst das, was ohne Bewußtsein zu sein scheint ... Eure Welt wird Abschied nehmen, um neu zu werden, und wenn dieser Abschnitt ihres Zyklus beginnt, wird sie außerstande sein, weiter Leben zu tragen ... das, was ihr Innerstes umschließt, wird die Kraft verlieren, ihre Feuer zu halten ... die, die ihre Meere bewohnen, wissen längst darum, und auch das hat sie immer und immer wieder Kontakt suchen lassen mit Euch ... Die Aufzeichnung, die ich Euch hier abspiele, stammt von einer der Sonden, die seit der Besiedlung Jaridias automatisch immer wieder zur Erkundung und Überwachung des Planeten ausgeschickt werden - das Programm dazu stammt noch aus der Zeit, als Jaridia als mögliche Heimat für die Euren überprüft wurde, Eure Geräte haben es nie abgebrochen ... diese spezielle Sonde ist ins Innerste des Planeten vorgedrungen und sendet von dort, die übertragenen Daten sind vierzehn Eurer Hell- und Dunkelphasen alt - Ihr könnt all das in Eurem Archiv hier, wo Eure Aufzeichnungen aufbewahrt sind, überprüfen.”
In dem schockierten Schweigen, in dem nur leise der tragende, Halt gebende Gesang Jaridias schwang, war der Anführer der Erste, der sich faßte. „Ich weiß, daß Ihr uns nicht belügen könnt, wenn wir so kommunizieren, wie wir es jetzt tun. Und ich weiß, daß Ihr uns wohlwollt ... Ihr würdet keinerlei Vorteil daraus ziehen, uns mit einer Nachricht wie dieser einfach nur zu ängstigen - mir ist bewußt, daß Ihr uns gewarnt wissen wollt. Was gerade geschehen ist, hat uns alle sehr beeindruckt ...” Er schaute in die Gesichter seiner Stammesangehörigen, in denen das sehr deutlich zu sehen war. „Wahrzunehmen, daß der Planet, auf dem man lebt, für den man kämpft, ein eigenes Dasein - Bewußtsein - hat ... und zu erfahren, dessen Existenz ist endlich, wie die eigene ...” Er atmete tief aus. „Bei allem Respekt, den mir das hier abnötigt - ich muß es dennoch geprüft wissen ... geprüft mit unseren Methoden der Erkundung und Objektivierung ... Ich bitte Euch„, - gemeint waren wir Gesangshütenden und der auf dem Weg - „jetzt um sämtliche Informationen über die Dindaei, die Ihr zur Verfügung habt, und im Anschluß daran ist diese Beratung unterbrochen, bis wir das, was wir hier von Euch erfahren haben, entweder bestätigen oder widerlegen können. Eure Art, die Dinge wahrzunehmen und zu interpretieren, weicht in so starkem Maße von der unseren ab, daß ich mich nicht allein darauf verlassen kann, wenn es um die Zukunft der Meinen geht, zumal Ihr von dem, was unser Leben bestimmt, so gut wie nichts versteht ...” Er wandte sich an den Gesangshüter des Wasservolkes. „Du hattest, wie mir erklärt wurde, bisher als Einziger Kontakt mit diesen Geschöpfen, die in den Meeren unserer Welt leben sollen - ich erwarte jetzt Deinen Bericht.”
Hinter seinen Worten und dem Bemühen, aus der Informationsflut, die über ihn hereingebrochen war, überschaubare Fakten als Grundlage für den Umgang damit heraus zu filtern, spürte ich in der Tiefe aufkommende Angst - blanke Angst um die Seinen, die er unbewußt mit aller Kraft abblockte. Ich ließ ihm sonnenhelle Energie zufließen und fühlte dankbar, daß ihm das angenehm war, auch wenn er es gar nicht wirklich registrierte ... Dann war blaugrünes Funkeln im Kreis, und der aus den Tiefen, strahlend in der Erinnerung an intensivst Erlebtes, begann zu singen, zu singen von dem Volk im Meer ...
Die Begeisterung, die von ihm ausging, spülte für kurze Zeit alle Angst, alles Unbehagen aus der Berührung. Die Zweite und ihr Gefährte waren nur noch Neugier und Freude, ebenso wie der Heiler, während die übrigen Jaridians das, was ihnen zufloß über das Urvolk in den Wassern ihrer Welt, sofort mit dem Verstand zu sortieren begannen ... die Kontaktaufnahme-Versuche über die extrem tiefen Unterwasser-Lieder, die die Dindaei ihnen sangen und über Veränderung der Wasser-Qualität an bestimmten, von denen, die dieses Element bewohnten, festgelegten Stellen im Meer würden sie zu objektivieren versuchen, indem sie ihre Fluten von Aufzeichnungen nach Hinweisen darauf durchgingen; die Warnungen, daß Jaridia ihrem Volk nicht für alle Zeiten Zuhause bleiben konnte, müßten darin enthalten und herausfilterbar sein - fände man sie, wäre damit auch das Wohlwollen dieser Wesen bewiesen ... „Sie haben mich von ersten Kontakt an davon wissen lassen ...” meinte der aus den Tiefen dazu, etwas verwirrt. „Aber ich habe die Eindrücke, die dazu in ihnen waren, nicht verstanden - und dann war nur noch Weben ...”
Daß die Dindaei die Jaridians baten, Mittel und Wege zu finden, wenn es möglich sei, nicht nur das eigene Volk, sondern auch einige der Ihren von ihrer sich verabschiedenden Welt zu retten, damit auch ihre Rasse weiterbestünde, war verständlich - und ehrenvoll klang immerhin, daß die Dindaei so sehr wünschten, den Jaridians „zeigen zu können, wie man wirklich gedieh” - und zwar unabhängig davon, ob das Meeresvolk den Untergang seiner Welt überdauern würde oder nicht - einfach, damit es den Landbewohnenden endlich wirklich gut ging ... die Bilder, die der Wasser-Gesangshüter dazu in den Kreis strömen ließ, erschienen ihnen allerdings sehr abenteuerlich - Gruppen von Jaridians, die langsam und ohne irgendwelche Waffen oder Geräte bei sich einen Strand entlang wanderten, die einfach dort saßen und überhaupt nichts Erkennbares taten, zwei Jaridians, die offenbar ein Geflecht aus den Pflanzen herstellten, die man am Strand fand, in das ein Muster aus Muscheln hineingefertigt wurde, eine Jaridian, die mit weit ausgebreiteten Armen unter freiem Himmel stand und sang ... „Es wird etwa zwanzig Eurer Umlaufzyklen dauern, bis die, die wir gemeinsam gewoben haben, in der Lage sein werden, Kontakt mit Euch aufzunehmen„, gab der Gesangshüter der Wasser in den Kreis. „Die Dindaei wünschen Euch wirklich nur Gutes ... sie haben sich gefreut, als sie Gesellschaft bekamen auf ihrer Welt; sie wußten von Jaridia selbst, daß Ihr kommen würdet, noch bevor sie Euch in den Wassern spüren konnten ... Sie wissen, daß Ihr bedroht seid, ohne es verstehen zu können, und sie wären Euch so gerne Hilfe ...”
Neuer Gesang war im Kreis, tieffrequent, ineinanderfließende komplexe Rhythmen und Melodien zu einem Ganzen verwoben, und man mußte eine Zeit lang zuhören, bevor man merkte, daß sich hier ein bestimmtes Lied immer wiederholte, wieder und wieder. „Sie singen für Euch seit Anbeginn Eurer Zeit hier ...” Der aus den Feuern hatte den Kristall in dem Datengerät ausgewechselt, und ein dichtes Linienmuster wanderte über den Bildschirm, das irgendwie wohltuend wirkte. „Ihr habt ihre Gesänge aufgezeichnet, die ganze Zeit ...” meinte er, vor allem an Trevak gerichtet. „Die, die im gleichen Bereich arbeiten wie Du, haben die Lieder der Dindaei für eine Art regelmäßig auftretendes Beben des Meeresgrundes gehalten und dieses irgendwann ignoriert, da es keinen Schaden anrichtete ...” „Wenn Ihr es wünscht, lehre ich Euch ihre Gesangssprache„, bot der aus den Tiefen an. „Vielleicht findet Ihr eine Möglichkeit, Euch schon mit ihnen zu verständigen, bevor diejenigen der Ihren, die zu Wasser und zu Land sein können, aus den Tiefen aufsteigen, um mit Euch zu singen ...”
Der Erste hörte eine Weile dem Gesang der Dindaei zu und folgte in Gedanken der Übersetzung und den zugehörigen Bildern, die der Gesangshüter des Wasservolkes dazu in den Kreis gab.

„... und finden sich auch keine Wege, von Unsrigen
mitzunehmen, wenn Ihr die Mächtige verlaßt,
so nehmt von denen mit, die eines Volkes mit uns waren
und sich entschieden haben
für das Land,
auf daß sie anderweits
finden
was ihre Geister wachsen läßt ...”

Der Anführer atmete tief aus. „Danke ... das genügt zunächst einmal ...” Ich spürte wieder Unbehagen in ihm, Unbehagen und Ärger. „Sie meinen es gut, diese vier ... aber sie haben nichts verstanden, gar nichts ... Wir haben Krieg, immer noch, wir erwarten jeden Moment irgend eine Offensive seitens der Taelons, und angeblich implodiert demnächst dieser Planet - und sie spielen uns Lieder vor, in denen wir gebeten werden, diese nichtsnutzigen sechsgliedrigen Dinger zu retten, die nichts können außer sich alles einzuverleiben, was man vergißt, wegzuschließen, und einem hinterher zu starren mit ihren Riesenaugen ...”
Ich verstärkte behutsam den Energiestrom, den ich ihm die ganze Zeit über hatte zufließen lassen, aber dieses Mal bewirkte das nichts. Er begann, sich aus dem Kontakt zu lösen, und bedeutete den Seinen, es ihm gleich zu tun. „Trevak, wie lange wirst Du brauchen, um das, was wir hier erfahren haben, zu überprüfen?” Der Gefährte der Zweiten zog sein aufklappbares Gerät hervor und konsultierte es. „Wenn ich es fundiert prüfen soll, ungefähr acht Zeiteinheiten - ich würde gerne mehrere Durchgänge ablaufen lassen, um Fehler auszuschließen ...” „Das macht Sinn - schließlich resultieren hieraus gegebenenfalls gravierende zu treffende Entscheidungen ...” Der Erste griff zu seiner Version des allgegenwärtigen Gerätes. „In zehn Zeiteinheiten sind wir wieder hier unten - und daß keiner von Euch es wagt, abwesend zu sein ...” Er warf dem aus den Tiefen einen langen Blick zu, den dieser mit immer noch offenen Zwischenlidern erwiderte, löste den Kontakt endgültig und stieg vom Mitte-Lager herunter. Die anderen Jaridians folgten ihm, und dann hatten uns alle verlassen.
Der aus den Feuern hatte den Gesang der Dindaei abgestellt. Er bedeutete uns, den Kreis wieder zu schließen. „Sie haben es erstaunlich gelassen aufgenommen„, gab er in die Berührung. „Aber ob sie bereit sind, wirklich zu akzeptieren, was sie von uns erfahren haben?” „Es hat ihnen Angst gemacht„, ließ ich die anderen wissen, „große Angst ... die sie nicht fühlen wollen ...” „Erinnert Ihr Euch daran, was die Elarian gesagt haben, über uns und die Jaridians?” fragte der auf dem Weg. „Etwas über Lichter ... und über Zusammenschluß ...” Das war die Hüterin der Gesänge des Volkes im Dunklen. „Genau - 'Wenn Ihr Eure Lichter mit denen der Starken zu einer großen Flamme vereint, könnt Ihr in deren Schein weit sehen ...' - und das ist es, was wir tun müssen, wenn in zehn Zeiteinheiten die Beratung fortgesetzt wird, wir müssen uns in dem kommenden Kontakt wirklich zelltief miteinander verbinden ... wir müssen weit voraus in die Ordnung schauen, viel, viel weiter, als ich es allein oder zusammen mit dem aus den Tiefen könnte ... jeder von uns ist in der Lage, die Ordnung wahrzunehmen, auch die Jaridians, von denen nur Trevak ahnt, daß er das kann ... jedes Wesen sieht sie auf seine Weise, und jede Form der Wahrnehmung wird gebraucht, damit die Jaridians imstande sein können, vielleicht sogar beide neuen Wege, die ihnen jetzt dank Trevaks Entscheidung offenstehen, zu gehen ...” In der Berührung war ein Eindruck der Jaridians und von uns Vieren in tiefem Kontakt, um- und durchwoben von einem pulsierenden Band aus Energie in allen unseren Farben. „So muß dieser Kontakt gelingen ... mindestens ...” In dem auf dem Weg war wieder Sorge spürbar, neben der weißen Flamme der Hoffnung, die seiner Sehnsucht nach Wiedervereinigung der vier getrennten Anteile des einstigen Atavus-Volkes entsprang.
Ich merkte, wieviel Mühe ich plötzlich hatte, mich auf dieses Bild zu konzentrieren, und das Unangenehme, das mich ablenkte, ließ sich nicht mehr ignorieren, weil es zu schmerzen begann, in meinem Magen und in meinen - Flossen?
Der aus den Tiefen und ich konnten einander nur kläglich angrinsen. „Du mußt essen„, sagte er, „Du mußt ins Wasser„, meinte ich, gleichzeitig.
Wir lösten den Kreis. Der aus den Feuern ließ sich einfach in die weichen Flocken fallen, die aus dem Dunklen verließ das Mitte-Lager, um sich einmal mehr auf dem blanken Fels auszustrecken. „Ich hätte es wissen müssen ... aber sie hat es mich nicht fühlen lassen ... sie wollte, daß ich meine Kraft zurückgewinne, und hat nur gegeben ... Danke ...” sang sie leise, Klauenhände und Gesicht an den Stein drückend.
Der Gesangshüter des Wasservolkes glitt in die Quelle, und ich hockte mich zu den Vorräten, angelehnt an einen der Stapel, und öffnete einmal mehr das Behältnis mit der Medizin darin.

 

Ende von Kapitel 34

 

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