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  „Aveenas Lied” von AlienVibe   (Emailadresse siehe Autorenseite),   August 2002
Alle hier vorkommenden Personen gehören den jeweiligen Eigentümern. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Trevaks Vermächtnis: Tachyonkonverter / Vom Wissen um Wind und Stein
Zeitpunkt:  weit vor Beginn der ersten Staffel
Charaktere:  Die Gersangshüterin derer im Dunklen, Trevak, der auf dem Weg, Aveena
 

 

AVEENAS LIED

Kapitel 31

 

Die Erdvolk-Gesangshüterin betrachtete fasziniert das Scherbenmuster am Boden. „Das ist hier entstanden, nachdem ich aus dem Testraum heraus war? Was habt Ihr gemacht?”
Ich ließ ihr zufließen, was ich über die Symbole der Gleichung und ihre Zusammenhänge gelernt hatte, klopfte den unterbrochenen Rhythmus mit den Fußkrallen, und wieder vibrierten die Splitter mit. Als der Mißklang auftauchte, verzog die aus dem Dunklen das Gesicht. „Das klingt wie eine sehr leise Version dieses - dieses Geräuschs ...” „Ich glaube, dieses Muster hier ist durch Resonanz entstanden - diese Form hier ist eine zweidimensionale Abbildung der vieldimensionalen Form, zu der Deine Kopie wurde, als das ganze Licht im Raum war ...” „Vieldimensionale Form?” Ich zeigte der Gesangshüterin des Erdvolks, zu was das geworden war, was sie geschaffen hatte, jetzt erschrocken über dessen unvorstellbare Komplexität, die sogar Zwischen-Zeit beinhaltete ... Die aus dem Dunklen wurde plötzlich aschgrau im Gesicht, und ihre Beine gaben nach. Ich stützte sie und half ihr, sich auf einem der Sitze vor der Arbeitsfläche niederzulassen. Sie begann zu summen, ganz leise und nur den Ausschnitt, den sie mit ihren sieben Stimmbandpaaren wiedergeben konnte, und ich fühlte, wie sich ihr Inneres verkrampfte, um ja nicht aus Versehen die Resonanzsehnen mitschwingen zu lassen ... Der Gesang war absolut fremdartig, und dennoch erinnerte er mich an etwas ... Ich griff nach der ganz gebliebenen Gußkristall-Kopie, die der aus den Feuern gehalten und beim Verlassen des Raumes auf der Arbeitsfläche abgelegt hatte.
Der Gesang des Ganzen ... und des Raumes, aus dem dieses sich immer wieder neu schuf ...
Die funkelnden Splitter hatten leise zu vibrieren begonnen, und Lichtfunken tanzten plötzlich im Raum. Die Form am Boden, von faszinierender Schönheit, leuchtete in Regenbogenfarben ...
Reflexartig legte ich der aus dem Dunklen eine Flügelhand auf den Mund, während sie einen Fuß auf den meinen stellte, mit dem ich den Rhythmus ihres Liedes aufgenommen hatte, und wir starrten einander entsetzt an, im gleichen Moment begreifend.
Wir waren gerade dabei, zu wiederholen, was immer in dem Testraum geschehen war ... und da die Form schon geschaffen war, zumindest angedeutet, reichte der unvollständige Gesang aus, um - ein Tor in den Raum zu öffnen, aus dem das Ganze sich immer wieder neu schuf ... durch das zu uns kam, was die weißen Lichtspuren an den Wänden und im Raum tanzen ließ ... und der Rhythmus des Liedes, das das ausgelöst hatte, war so merkwürdig vertraut ... so ähnlich wie ...
So ähnlich wie der Beginn von Trevaks verschlungener Formel.
„Diese Kopie hat - Tachyonen gerufen ...” Die Erdvolk-Gesangshüterin war voller Ehrfurcht. Ich hatte mich dem gesprungenen Bildschirm zugewandt und konnte die Symbole darauf - und den farbigen Rhythmus darunter - nur anstarren.
Ersetzte man das runde Zeichen, das für Bündelung und In-Rotation-Versetzen stand und das Orange brachte, durch das grüne Symbol, das am Anfang der Gleichung stand, und strich die beiden folgenden, ließ sich der Vierer-Rhythmus, der den ersten Teil derselben darstellte, einfach endlos fortsetzen ... der Rhythmus, der zu dem Gesang gehörte, der das Tor in den Raum um das Ganze öffnete ... War diese Gleichung dazu bestimmt, Tachyonen zu rufen? Wozu? Wenn sich daraus keine Waffe fertigen ließ, warum hatten wir bisher mehr zerstört als geschaffen damit?
Ich drückte auf die Tasten, mit denen Trevak die Symbole auf den Schirm gegeben hatte, und gab unsere neu gefundene Version der Formel ein. Ein Hauch von Vibration durchlief die Splitter auf der Arbeitsfläche, und ich nahm die Krallen von dem Gerät.
Trotz der Kräfte, die dahinter wirkten, sah das Gebilde auf dem Schirm merkwürdig unvollständig aus ... In mir und der aus dem Dunklen waren Farben und Klänge, mit denen man es versuchsweise würde ergänzen können, aber wir wagten nicht, sie klar und deutlich werden zu lassen, nicht ohne den Gefährten der Zweiten vorher fragen zu können ... wußte ich denn, wofür das stand, was jetzt in uns sang?
Wir blieben ratlos untätig, jetzt auf die Rückkehr Trevaks und dessen aus den Feuern wartend. Und gerade, als wir beschlossen hatten, uns unsererseits auf den Weg zu ihnen zu machen, tauchten sie wieder auf - in intensives Gespräch vertieft, uns kaum wahrnehmend und der Jaridian ohne jede Spur von Resignation. Und sie waren offenbar zu ähnlichen Schlüssen gelangt wie wir ... „Dieser Vermächtnisstein wurde, wie ich es sehe, durch das Tachyon-Symbol tatsächlich aktiviert - und wurde zu einem Torus-Attraktor ... aber diese Form läßt, sobald genügend Tachyonen im Zentrum fokussiert sind, über eine sich intern bildende Rückkopplungsschleife eine infinite virtuelle Masse entstehen ...” Trevak strahlte Begeisterung aus. „Das Ding hat den Raum einfach geschluckt, mit allem darin ... Ich denke, Du hattest Unrecht.” Er vollführte eine Geste, die wohl das Kollabieren der Explosivtest-Kammer symbolisieren sollte. „So, wie ich es sehe, hatte Trevak damals sehr wohl den tauglichen Entwurf einer ultimativen Waffe in den Händen ... nur hatte damals noch niemand an experimentelle Verwendung dieser Art Kristalls in der Waffentechnologie gedacht ...”
„Nein.” Der auf dem Weg nahm den Jaridian beim Arm und brachte ihn dazu, ihm in die Augen zu sehen. „Du hast Recht - die aus dem Dunklen hat aus dem klingenden Fels etwas geschaffen, das Tachyonen und wer weiß was sonst noch alles angezogen und ein virtuelles schwarzes Loch entstehen lassen hat, in dem es selbst und bis auf die Trägerstreben in den Wänden der gesamte Raum verschwunden ist. Aber Du hast Unrecht, wenn Du glaubst, das ließe sich als Waffe verwenden - denk mal nach! Wieviel Zeit blieb ihr, nachdem sie die Kopie weggelegt hatte, um den Raum zu verlassen, bevor der Attraktor wirksam wurde?”
Trevak ließ sich nicht beirren. „Ich rufe die Aufzeichnung des Vorgangs noch einmal ab, dann sehen wir weiter ...” Er trat an die Arbeitsfläche, mich und die aus dem Dunklen mit einem Blick streifend, überprüfte den Bildschirm darüber, betätigte ein paar Tasten daran und es erschien die Erdvolk-Gesangshüterin, die gerade die letzte Kerbe auf dem flachen, glatten, etwas ovalen Stück klingenden Felses mit der mittigen Öffnung darin formsang. Glatt und sehr dunkel durch die durchscheinende schwarze Arbeitsfläche wirkte die Vertiefung ... Hunger ... Nehmen und nehmen und nie genug ... Die aus dem Dunklen drehte die Kopie des Vermächtnissteins, an der sie arbeitete, so. daß sie jetzt die Kerbe vor sich hatte, die die blaue repräsentierte. Ganz oben, dicht neben der Öffnung, legte sie die Spitze einer Grabklaue auf den Kristall und begann erneut zu singen, eine der höchsten Frequenzen, zu denen ihr oberstes Stimmbandpaar fähig war ... Sie zog die Umrisse des Symbols für „Tachyonkonverter” nach, unendlich fein und präzise, und plötzlich brach ihr Gesang ab und sie schaute das geformte Stück Stein fassungslos an.
Und dann nahm sie es in beide Hände.
Weiße Funken tanzten an den Wänden ...
Ich war bei ihr, die immer noch auf dem Sitz neben mir hockte, und nahm sie an den Schultern, um mich zu vergewissern, daß sie wirklich unverletzt bei uns war.
Sie auf dem Bildschirm stand da, Sehnsucht in den Augen, den klingenden Fels in den Händen, den Mund halb geöffnet und den Bauch gewölbt ...
... und atmete tief aus, legte die Kopie auf die Arbeitsfläche, nahm das Stück Gußkristall an sich und verließ den Raum. Breite Lichtbänder flackerten an den Wänden, die Testkammer bebte und dann griff etwas Unvorstellbares zu und packte die Nachbildung ...
Ich legte die Flügel um die aus dem Dunklen und drückte sie fest an mich.
Der Zeitfaden, an dem ihr Leben gehangen hatte, war hauchdünn gewesen ...
„Das ist nicht der einzige Fehler, den Dein Waffen-Konzept hat”, sagte der auf dem Weg sehr ernst zu Trevak, der halb widerwillig, halb erschrocken auf die Ziffernfolge auf dem unteren Bildschirmrand starrte, die die gemessene Zeit anzeigte. „Was, denkst Du, wäre passiert, wenn nicht der potenzierte Tachyonennachschub im letzten Moment aus dem Torus-Attraktor einen Attraktor höherer Ordnung und damit ein potentielles System mit unendlich viel mehr Wandlungsfähigkeit geschaffen hätte? Was wäre gewesen, wäre aus der virtuellen Masse im Torus-Zentrum durch die hereingerissene Materie reale Masse geworden?”
Der Gefährte der Zweiten sackte in sich zusammen und schlug die Hände vor das Gesicht. Der aus den Feuern fing ihn auf, zog den Sitz heran, den ich verlassen hatte, und schob ihn dem Jaridian unter. Er bedeutete mir und der aus dem Dunklen, mit ihm und Trevak in Kontakt zu gehen, und wir waren da, die beiden und einander haltend ... Die Erdvolk-Gesangshüterin weitete ihr Energiefeld so, daß sie uns alle mit ihrer Wärme umschloß. „Bitte”, sang sie uns, „bitte hört auf, Euch zu sorgen ... keiner von uns hat gewußt, was geschehen wird ... Du”, - sie wies über die Berührung auf den auf dem Weg - „hast in den Feuern gesehen, daß das hier getan werden mußte, und Du siehst so viel weiter als wir ... für mich war das eine der schönsten Erfahrungen, die ich je mit dem Formsingen gemacht habe - und Ihr habt mich sehr geehrt damit, daß ich das tun durfte ...”
„Vergib mir, daß ich Dich - daß ich Euch alle so in Gefahr gebracht habe ... Euch und die Meinen ...” Das war Trevak, beinahe so verzweifelt, wie es der Verwalter gewesen war. „Es war für Jaridia, und es war falsch ... Ich werde dem Ersten sagen müssen, daß das, was mir Vermächtnis wurde, nichts weiter als eine freundliche Erinnerung an wahrscheinlich bessere Zeiten des Imperiums darstellt ...”
„Nein.” Die Hüterin der Gesänge derer im Dunklen ließ dem Gefährten der Zweiten verstärkt Energie zufließen, und ich tat es ihr gleich. „Es war nicht nur für Jaridia, es war für das Ganze ... das Ganze, von dem Dein Erbe singt ... Gefahr gehört zu jedem neuen Weg, und es war unsere Entscheidung, unseren Weg für das Ganze anzutreten ... und ich glaube, Trevaks Vermächtnis ist viel mehr als nur Erinnerung - wir haben hier nämlich auch etwas gefunden ...” Sie ließ ihn über die Berührung sehen, was wir aus seiner Gleichung zu machen begonnen hatten. „Es ist noch nicht fertig, und wir brauchen Deine Hilfe ...”
Der Gefährte der Zweiten reagierte mehr auf die Intensität dessen, was sie mit ihm teilte, als auf dessen Inhalt, und tauchte ein Stück weit aus dem Dunklen, in dem er zu versinken drohte, wieder auf. „Ihr seid nicht zornig auf mich? Auch Du nicht?” Er schaute den auf dem Weg an, der ihm so deutlich seine Fehlschlüsse vor Augen geführt hatte. „Wie sollte ich denn? Ich war derjenige, der Euch gesagt hat, diese Kopie müsse gefertigt werden ... Es hat in den Feuern gestanden, als einer der Wege zu den Antworten, die wir brauchen ... wir dürfen nur nicht voreilig deuten, was wir gefunden haben ...” Die aus dem Dunklen zupfte eindringlich an Trevaks Aufmerksamkeit. „Bitte ... wir brauchen Deine Hilfe ...” Sie führte ihm das neue farbige Muster vor Augen, das die veränderte Formel darstellte.
Der Gefährte der Zweiten stutzte, schaute genau hin, prüfte die Farben und Symbole und blickte uns beide an. „Das Zeichen für Energie anstelle von Bündelung und Rotation und den Rest gestrichen oder ersetzt durch ... Ihr macht Euch über mich lustig, oder?” „Nein”, ließ ich ihn wissen. „Es ist uns klar, daß es das noch nicht ist ...” In mir sang es Ergänzung, Vertiefung für die rhythmische Farbabfolge. „Dies hier könnte sein, was fehlt ...” Ich gab dem Zeichen für Energie dort, wo es zum zweiten Mal auftauchte, eine höhere Frequenz Grün, mehr zum Meerfarbenen, Blaugrünen hin. „Es ist mehr ... so müßte es klingen ... und so ist der Rhythmus praktisch endlos fortsetzbar ... hör mal ...” Im dritten Durchgang wurde aus dem Meerfarbenen hellblau, und ein sanfter, aber voller Klang schwebte im Raum. Aus den Augenwinkeln sah ich einen dünnen weißen Lichtstreifen in der Luft tanzen.
„Hör auf ...”
Eine kräftige warme Klauenhand hielt mir den Schnabel zu. „Nein, auch nicht summen ... schau Dich mal um ...”
Die Wände hatten zu flimmern begonnen, und das verschlungene Splittermuster am Boden leuchtete weiß. Die Luft um uns herum schien zu kribbeln und zu vibrieren ... Ich verstummte, halb erschrocken, halb begeistert. An unserer Idee für die Formel mußte etwas sein, wenn jetzt schon zum zweiten Mal ...
Der Gefährte der Zweiten starrte mich an, mit offenem Mund und mit dem Blick dessen aus den Feuern, der das sieht, was hinter den Dingen ist - die Muster der Ordnung. Ich sah das spezielle Muster, auf das er schaute, über die Berührung in seinem Geist - komplexer und verschlungener noch als auf dem Boden, und, dieses überlagernd, dessen Übersetzung: Trevaks unmögliche Formel ... die, verändert, plötzlich aufging ... ein wunderschönes Gefüge, getragen von seinem Grundrhythmus, in sich ganz und in ständiger Expansion durch die gesamte Folge von Farben, die man sich überhaupt nur denken konnte ... „Das ist wirklich keine Waffe ...” sagte Trevak ehrfürchtig. „Das ist ...”
Wir schauten ihn an, schon halb begreifend. Die Erdvolk-Gesangshüterin löste ihren Griff um meinen Schnabel.
„Das ist eine Energiequelle.”

In seinen Gedanken tauchte das Gerät oder Bauwerk auf, das ich im Geist seines Vorfahren in der Vergangenheit gesehen hatte. Ein scheinbar halb kristallines, halb metallenes Geflecht, von dem aus Streben aus dem gleichen Material in eine Art Behältnis führten ... „Der Tachyonkonverter ist eine Energiequelle, und eine extrem ergiebige obendrein ...”
Trevak richtete sich auf, schien einen Moment lang unsere Berührung abschütteln zu wollen, tat dies dann aber nicht, sondern begann Tasten auf der Arbeitsfläche zu betätigen.
Symbol für Symbol erschien die abgewandelte Gleichung seines Urvorfahren auf dem Schirm.
Sanfte, volle Vibration war im Raum. „Jemand muß diese Splitter entfernen ... ich habe keine Ahnung, mit welchen Energiemengen wir hier umgehen, ich kann keinen unkontrollierten Attraktor gebrauchen ...” Der auf dem Weg löste sich aus dem Kontakt, ging hinüber zu dem Muster am Boden und setzte es außer Kraft, indem er mehrmals darüber lief, die Scherben fort- und durcheinander schiebend, bis nichts Erkennbares mehr übrig war; dann machte er auch das Muster auf der Arbeitsfläche unkenntlich und begab sich schließlich auf die Suche nach einem Behältnis.
Der Gefährte der Zweiten berührte inzwischen den Bildschirm mit einem sehr dünnen länglichen Gegenstand, der in der Lage war, eine Spur darauf zu hinterlassen, so, wie die auf dem Weg mit Ph'taalästchen und farbiger Flüssigkeit Spuren auf ihrer Haut, auf dem Boden oder auf Aststücken aufbrachten, wie zum Beispiel das Zeichen, das sie für sich gefunden hatten. Und so, wie sie ihre Haut mit Zeichen versahen, tat es Trevak jetzt mit dem Bildschirm. Er stellte den Tachyonkonverter als grobe Form dar, daneben den Vermächtnisstein und die verschlungene Form. „Das ist es ... Tachyonen werden vor allem angezogen von unorganisierten, scheinbar unorganisierten oder sich organisierenden Systemen ... oder von deren virtuellen Gegenstücken, den Attraktoren ... der klingende Fels in Form des Vermächtnis-Steins bildete einen materiebezogenen Torus-Attraktor mit einem definierten Zentrum, und das war der Fehler - wir hätten beinahe eine tatsächliche Singularität erzeugt ...” Er zeichnete weiter, kleine, verschlungene Formen dicht an dicht. „Ein Attraktor-Feld ohne definiertes Zentrum birgt dieses Risiko nicht ...komplexere Attraktoren ziehen Tachyonen mit stärkerer Beschleunigung an als materiebezogene Formen ... und die Energie darf man keinesfalls bündeln - man muß sie ableiten ... ableiten und speichern ...” Er brachte an dem Feld von Doppelformen zwei kräftige Striche abwärts an und ließ daran unten eine Art Behältnis entstehen - fertig war eine zweidimensionale Version des Gerätes seines Vorfahrens. „Wenn sich das hier umsetzen läßt, bedeutet das Energie im Überfluß ... für Schiffsantriebe, Shuttles, Waffen ...” ‚Vielleicht ist das der Schlüssel zu unserer Version eines ID-Antriebes ... nach all den Äonen Kampf gegen diesen übermächtigen Vorteil der Taelons ... was hat es uns bisher gekostet, dem standzuhalten ...' schwang darunter und schmerzte in der aus dem Dunklen und mir ...
Trevak tauchte aus seinen vielschichtigen Gedankenmustern auf und blickte uns beide an. „Wir haben immer noch Krieg mit den Taelons, egal, welche Wünsche und Vorstellungen wir ansonsten verwirklicht wissen wollen”, meinte er, halb traurig, halb ungeduldig. „Ich danke Euch für Eure Hilfe - ich brauche Euch hier vorerst nicht mehr ...” Es war ihm wichtig, daß der Erste von dem erfuhr, was wir gefunden hatten. Das war noch lange keine Lösung, was einen eventuell bevorstehenden Durchbruch der Taelons an einer sehr merkwürdigen Stelle der Front betraf, aber auf lange Sicht gesehen ...
Hatten wir dazu beigetragen, den Jaridians ein Werkzeug in die Hand zu geben, das auf lange Sicht nicht ihr Überleben, sondern ihre Vernichtung unterstützen würde?
Trevak streifte sanft, aber bestimmt die Grabklaue der Erdvolk-Gesangshüterin und meine Flügelhand von seinen Schultern. „Sorgt Euch nicht ... Ihr habt Gutes für Jaridia getan, und ich werde es zum Guten für die Meinen umsetzen ...” Es war ihm Ernst damit, es stand in seinen freundlichen Augen, aber ich war zutiefst verunsichert, und auch die aus dem Dunklen blickte ihn voller Skepsis an. Der aus den Feuern war da, das Behältnis mit den vielfarbig funkelnden Splittern in einer Hand. Er nahm die einzige ganz gebliebene Gußkristallkopie von der Arbeitsfläche und schaute den Gefährten der Zweiten fragend an. „Nimm sie nur”, meinte dieser. „Ich werde weitere Nachbildungen in Auftrag geben, sie sind schnell gefertigt ...” Der auf dem Weg gab die Kopie mit zu den Splittern und wandte sich an die Erdvolk-Gesangshüterin und mich. „Ihr müßt beide essen und ausruhen ... Ihr wäret in der Höhle jetzt besser aufgehoben als hier ...” Trevak hatte sich wieder dem Bildschirm zugewandt und schien uns nicht mehr wahrzunehmen. „Sorgt Euch nicht”, meinte jetzt auch der aus den Feuern. „Über all das hier ist das letzte Wort noch nicht gesungen ...” Die aus dem Dunklen schaute noch einmal auf den Gefährten der Zweiten, dann nahm sie mich beim linken Flügel. „Gehen wir”, sagte sie.
Wir verließen Trevaks Arbeitsbereich, und der auf dem Weg ging uns voraus.
Eine Zeit später ließen wir uns zu dritt auf dem Mitte-Lager in der Höhle tief unter dem Gebäude nieder. Der aus den Feuern hatte das Behältnis mit den Scherben und der Kopie immer noch bei sich. Er wirkte jetzt seltsam unentschlossen, und über den Kontakt, den wir inzwischen wieder eingegangen waren, spürte ich, daß er sich sehr wohl Sorgen machte - Sorgen wegen dem, was sich Trevak von dem Tachyonkonverter erhoffte ... „So, wie er sich das vorstellt, wird es nicht funktionieren”, meinte er. „Es wird schon daran scheitern, daß er zur Zeit über keinerlei Werkstoff verfügt, der in der Lage ist, derartige Energien auszuhalten ... auch wenn er ein nichtzentrisches Attraktorenfeld schaffen will, hält klingender Fels auf Dauer nicht stand; es würde zwar keine Implosion geben wie mit dem Torus, aber die Attraktorfläche würde irgendwann zerspringen ... Metall kommt nicht in Frage, damit läßt sich kein Attraktorfeld schaffen. Gußkristall ist indiskutabel ...” Er schaute mir eindringlich in die Augen. „Bitte laß mich noch einmal sehen, was Du in Trevaks Geist gefunden hast ...” Ich ließ die Erinnerung daran aufsteigen, und der aus den Feuern untersuchte sie gründlich. „Das verstehe ich nicht ... der Trevak, den Du in der Vergangenheit getroffen hast, hatte doch gesagt, wenn es soweit wäre, würden wir wissen ... aber diese Legierung hier, oder was das sein soll, hat mit nichts Ähnlichkeit, was hier auf Jaridia an natürlichem oder gefertigtem Werkstoff vorhanden ist ...” Ich berührte in Gedanken das seltsame Gerät jetzt gleichfalls mit den Krallenspitzen der rechten Flügelhand, und die Hüterin der Erdvolk-Gesänge hatte eine Klaue auf das gelegt, was der Feuervolk-Angehörige als „Attraktorfläche” bezeichnet hatte - das halb metallene, halb kristalline Geflecht, von winzigsten doppelten Öffnungen durchzogen, als läge darin eine verschlungene Form dicht an der anderen. „So ist es”, sagte der auf dem Weg. „Das hier stellt das nichtzentrische - oder eigentlich eher multizentrische - Attraktorfeld dar, eine Art Kollektorfläche, die Tachyonen anzieht und in sich beschleunigt ... die Streben, an denen es hängt, sind hochgradig leitfähig, das gleiche Material wie die Kollektorfläche, nur anders konfiguriert; sie leiten die Energie ab, die die Partikel im Attraktorfeld abgeben - und die dann, unter Kompression, in dem Behältnis hier”, - er deutete auf das, worin die Streben verschwanden - „gespeichert wird ...”
Mir wurde vage bewußt, wie nah verwandten Geistes der auf dem Weg und der Gefährte der Zweiten sein mußten. Der aus den Feuern bewegte sich in diesen vollkommen ungewohnten Zusammenhängen so sicher, als habe er sich ein halbes Leben lang bereits mit nichts anderem beschäftigt ... Ich berührte das Behältnis, das sehr hochfrequent vibrierte. „Diese Energie kann man in ihrer speziellen Qualität noch immer nicht verwenden - sie ist zu stark und zu gestaltlos ... aber sie ist beliebig konfigurierbar durch entsprechende Vorrichtungen ...” Er gab einen Eindruck in den Kontakt, der mich zusammenzucken ließ - die Komplexschwingungs-Matrix, mit der damals Ramaz Taelon-Energie aus atavistischer Energie hatte entstehen lassen. „Die Energie, die die Tachyonen in den Konverter geben, müßte zunächst ‚abgebremst' oder ‚verdichtet' werden”, erklärte der auf dem Weg. „Danach kann man sie mittels entsprechender Matrix konvertieren - in beinahe jede Form, die benötigt wird ... theoretisch. Rein praktisch sieht es so aus, daß Trevak nichts damit wird tun können ...” Jetzt stand Zorn in den dunklen Augen des Feuervolk-Angehörigen, der sich heiß anfühlte im Kontakt. „Sollte sein Vorfahre sich mit all dem hier lediglich einen Scherz erlaubt haben, dann ist es ein wirklich übler ...”
„Warte ...” Mir war etwas eingefallen. Ich hatte in der Vergangenheit Kontakt mit Trevak gehabt und dieses Gerät in seinen Gedanken gesehen ... Ich sah vor mir wieder seinen nur halb überraschten Gesichtsausdruck. „Du gehörst dazu, aber Du bist es nicht ...”
Der auf dem Weg war diesen Eindrücken gefolgt und hatte sofort verstanden. „Daran hätte ich denken müssen ... ‚Wenn es an der Zeit ist, und er ist da, werden sie wissen' ...”
Jetzt war er wieder ganz warme, helle, klare Präsenz. „Ich bin derjenige, mit dem er gerechnet hat, als Du ihm vor die Füße fielst ...” Er löste sich aus unserem Kontakt. „Und ich werde ihn nicht länger warten lassen ...” Er erhob sich, verließ das Mitte-Lager und ging auf die vierte Statue zu, und wir beeilten uns, ihm zu folgen, um für ihn da zu sein, falls er Hilfe brauchte. Er stand bereits vor der Figur und berührte behutsam einige der Schriftzeichen darauf, und das flackernde Licht hier ließ das steinerne Bildnis einmal mehr aussehen wie jemanden seines Volkes. Er wandte sich zu uns um, und sein Blick ging durch uns hindurch. „Dies hier muß ich allein tun”, sagte er, mit der Stimme der Wahrheit in den Feuern. „Keine von Euch darf mir folgen, und keine von Euch darf die Statue oder mich berühren, egal, was geschieht ...”
Ehe wir uns dagegen hätten äußern können, hatte er sich bereits wieder zu dem Bildnis umgedreht, umfaßte es mit ausgebreiteten Armen, die Hände auf jeweils ein Schriftzeichen gelegt, und berührte es mit dem ganzen Körper, ähnlich, wie ich es getan hatte.
Die Figur glühte weiß auf, wo der auf dem Weg in Kontakt mit ihr war. Diesen durchlief ein Schauder, dann sank er ganz langsam in sich zusammen, bis er merkwürdig verdreht da lag, die halboffenen Augen blicklos.
Ich war bei ihm, die Flügelhände fest ineinander verschlingend, um ihn ja nicht zu berühren, und versuchte, so viel wie möglich von dem aufzufangen, was von ihm im Boden schwang. Die aus dem Dunklen streckte sich dazu neben ihm aus, um mit dem ganzen Körper fühlen zu können. „Er ist fort”, ließ sie mich wissen. „Sein Körperselbst ist hier, und es geht ihm gut ... Ich hoffe, er findet bei Trevak, was gebraucht wird ...”
Er atmete tief und ruhig, und an diesen seltsamen, vollkommen leeren Gesichtsausdruck müßte ich mich bei ihm eigentlich auch längst gewöhnt haben, aber im Zusammenhang mit seiner verrenkt wirkenden Position am Boden fand ich es trotzdem erschreckend ... „Es geht ihm gut”, wiederholte die Erdvolk-Gesangshüterin. Sie streckte eine Klaue nach mir aus und berührte meinen linken Fuß. „Fühl selbst ...” In der Wahrnehmung durch Stein hindurch war sie um so vieles geübter als ich ... Stein trug langsamer als Ph'taalholz und -laub ... Durch sie spürte ich den ruhigen, kraftvollen Herzschlag und den gleichmäßigen, warmen Strom von Flüssigkeit und Energie im Inneren dessen auf dem Weg, gesteuert von seinem Körperselbst, dem keinerlei Anstrengung anzumerken war. Ein leuchtend weißer, kräftiger Faden führte davon weg, und es fiel schwer, dem nicht nach zu gehen ... „Wir können hier nichts tun”, meinte die aus dem Dunklen sanft. „Das hier gehört zu seinem Weg, und er muß ihn gehen ...” Sie ließ mich los und erhob sich, und ich tauchte blinzelnd wieder auf aus dem, was sie mir gezeigt hatte.
Die Erdvolk-Gesangshüterin legte mir einen Arm um die Schultern und schob mich behutsam, aber bestimmt in Richtung der gestapelten Vorräte neben der Figur. „Du weißt, wie stark er ist ... er sieht die Muster der Ordnung ... und er ist der, den Trevak erwartet hat ...”
Sie hatte recht. Der aus den Feuern ging seinen Weg für das Ganze, so, wie wir es taten ...
Sie und ich teilten Wasser, Nahrungsriegel und getrocknete Ph'taalfrucht, dann ging sie hinüber zum Mitte-Lager und kehrte mit dem Behältnis voll Splitter und der Gußkristall-Kopie des Vermächtnis-Steins zurück. Die Kopie legte sie zu den Vorräten, die Splitter schüttete sie auf dem Höhlenboden aus - jetzt funkelten dort Orange und Gelb- und Grüntöne ... „Was tust Du?” Ich hatte ihr verwundert zugeschaut. Sie begann, mit den Füßen den Scherben Ordnung zu geben - die verschlungene Form. „Willst Du Tachyonen hierher rufen?” fragte ich, etwas erschrocken. „Nein ... ich werde nicht den Gesang des Raumes um das Ganze singen ... ich habe eine andere Idee ,,, vielleicht kann ich etwas zur Lösung von Trevaks Werkstoff-Problem beitragen. Er sagte, Gußkristall entbehre einer inneren Struktur ... dieses Material erscheint sehr leicht formbar - vielleicht ist es möglich, ihm innere Struktur zu singen, wodurch es stabiler wird? Trevak braucht eine dauerbelastbare, multizentrische Attraktorfläche ...” Sie berührte meine linke Flügelhand und zeigte mir, was sie meinte: sie würde die verschlungene Form so exakt wie möglich nachlegen - und dann singen, als wären das nicht Splitter aus Gußkristall, sondern die Bestandteile eines zerschmetterten Knochen in einem der Ihren ...vielleicht ließen die einander berührenden Scherben sich zu einem Ganzen zusammensingen, das ...
Ich fand die Vorstellung sofort einleuchtend. „Wie kann ich Dich unterstützen?” „Im Moment noch gar nicht ... ich weiß nämlich überhaupt noch nicht, welche Eröffnungssequenz auf dieses Material paßt ... Gußkristall habe ich noch nie gesungen, und es ist das erste Mal, daß ich überhaupt versuche, etwas, in dem kein Leben zu sein scheint, zusammenzusingen ... ich muß jetzt erst diese Form legen, und dann werde ich in mir danach suchen ...” Ich verstand - dabei war ich wirklich keine Hilfe ... Wäre es nötig, könnte ich mit Leichtigkeit aus dem sanften wärmebedingten Luftaufstieg über der Quelle einen Sturm singen, der die Steinfiguren umstürzen lassen würde, wären diese nicht rückwärtig eins mit der Höhlenwand, denn das dafür notwendige Verständnis für Wind trug ich zelltief in meinem Innersten - wo es zu wenig Platz ließ für das, was ich an ähnlichem Verständnis für Stein zusätzlich zu meinen Resonanzsehnen und einer nicht sehr ausgeprägten Fähigkeit zum Formsingen von denen, die das Dunkle birgt, geerbt hatte. Das Stein-Wissen und -Fühlen, über das ich verfügte, war winzig gegen das der Erdvolk-Gesangshüterin - sie war schließlich eine der besten Formsängerinnen, die unsere Welt je getragen hatte ...
Sie war bereits in die Arbeit, die Splitter exakt auszurichten, vertieft, und ich nahm die Gußkristall-Kopie des Vermächtnissteins vom Boden auf. Es hatte noch keine Gelegenheit gegeben, sich wirklich damit zu beschäftigen - mit dem Stein, den Kerben, der Spirale aus größeren Schriftzeichen, in die sich die aus den kleineren hineinschwang ... so viel Schönheit ...
In den bewegten Farben der Höhlenbeleuchtung drehte ich das Stück Gußkristall in den Flügelhänden, um es genau anzuschauen, und es glitzerte reflektierend in Hellgrün, Hellgelb und Orange ... hellgrün, hellgelb, orange ... und der Gesang des Ganzen schwang darin, leise, gedämpft, wie etwas Riesiges, Komplexes in weiter Ferne ... noch unvollständiger als in dem Original, das lag an dem Werkstoff ... hellgrün, hellgelb, orange ... etwas Riesiges, Komplexes in der Ferne ... die Höhle schien sich subtil zu weiten, keine Decke, keine Quelle mehr sichtbar ... und warm war es auch nicht mehr ... irgendwo in mir stieg Angst auf.
Leer, es war leer um mich herum, eine kalte, bläuliche Leere ... in der unendlicher Gesang war ... vieltausendstimmig ... unvollständig ... Ich hätte schreien mögen, aber ich war schon gefroren ...
Die Komplexschwingung. Ich war in unmittelbarer Nähe - nein, im Inneren der Komplexschwingung ... starr vor Entsetzen, die Gußkristall-Kopie vom Lied des Ganzen an die Brust gedrückt, lauschte ich auf all die Stimmen um mich und wagte nicht einmal, zu atmen ... und plötzlich waren die beiden violetten Stränge in Sichtweite, der helle und der dunkle, die sich in ständiger Bewegung umeinander flochten - und dabei immer wieder gemeinsam eine Gestalt annahmen, die der, die aus der Vermächtnisstein-Nachbildung in der Explosivtest-Kammer geworden war, sehr, sehr ähnlich sah ...

„Die, die schöpfen
die geschaffen wurden
wie ich

Die mich schufen
denen ich begegnete
die sich meiner bedienten
derer ich mich bediente ...”

Kimera. Die violetten Stränge, das Innerste der Komplexschwingung, war Kimera ... Ich klammerte mich mit aller Kraft an die Nachbildung des Liedes vom Ganzen, das einzige Warme, das in all dieser Kälte spürbar war ..
Kimera ... vieltausendstimmiger, nicht vollständiger Gesang ... Abbild ... Nachbildung ...
In dem Moment, in dem ich im Innersten verstand, barst die Kälte in mir und um mich herum. Für einen winzigen Moment war das vielfarbige, schwingende, lebendige Gewebe aus dem Bild, das wir damals beim Rathalten mit den Jaridians gefunden hatten, um mich, dann fand ich mich abrupt auf hartem Boden wieder.
Ich lag in einer merkwürdig verrenkten Position auf der rechten Seite, den Kopf weit nach hinten überstreckt und sämtliche Muskeln verkrampft. In meine Brust drückte sich etwas Hartes, Glattes, und aus den Augenwinkeln sah ich die aus dem Dunklen vor einem glitzernden Gebilde am Boden hocken, die Augen geschlossen.
Ich suchte mich benommen zusammen, richtete mich auf und setzte mich so, daß ich den Vorratsstapel als Stütze im Rücken hatte. Das Harte, Glatte, das ich spürte, war das Stück Gußkristall, das ich immer noch an mich gedrückt hielt. Ich nahm es wieder in beide Flügelhände und schaute es an, es sorgsam so haltend, daß es möglichst keine sich bewegenden Farben reflektierte.
Was ich gerade erfahren hatte, zog mein Innerstes zusammen und ließ mich gleichzeitig vibrieren vor Aufregung.

 

Ende von Kapitel 31

 

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