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  „Aveenas Lied” von AlienVibe   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Juli 2002
Alle hier vorkommenden Personen gehören den jeweiligen Eigentümern. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Die vierte Figur
Zeitpunkt:  weit vor Beginn der ersten Staffel
Charaktere:  Der Gefährte der Zweiten, sein Vorfahre, Aveena
 

 

AVEENAS LIED

Kapitel 27

 

Der Verwalter und seine Gefährtin verließen uns eine Zeit später, einander Halt gebend und sehr still. Der aus den Tiefen erhob sich vom Mitte-Lager, tauchte in die Quelle und war verschwunden. Die Gesangshüterin des Erdvolkes löste sich aus dem Kontakt, um sich, ausgestreckt auf dem Höhlenboden, wieder mit Jaridia zu verbinden, und ich hatte das dringende Bedürfnis nach einem langen Flug ... Der aus den Feuern begab sich aus der Höhle, um im Gebäude darüber nach Aufzeichnungen zu suchen, die etwas über die steinernen Bildnisse und Schriftzeichen hier sangen, die ihm kaum mehr Ruhe ließen, und ich fand einen geeigneten Platz an der rechtsseitigen Wand unserer neuen Bleibe und begann, die Übungen durchzuführen, dank derer ich irgendwann wieder würde fliegen können ... Dabei stellte ich überrascht fest, daß ich mein eigenes Gewicht wieder von der Höhlenwand wegdrücken konnte, und das sogar mehrmals hintereinander ... Woraus immer die Medizin, die der Heiler mir gegeben hatte, bestehen mochte, sie schien zu wirken ... Durch den Dampf, der vom Wasser in der Mitte aufstieg, sah man die vier Steinfiguren dahinter nicht ganz deutlich - er vermittelte einem das Gefühl, als seien ihre Konturen in ständiger sanfter Bewegung. Dampf ... warme Luft, die nach oben stieg ... aufwärts ... Aufwind ... ich hatte die Flügel schon halb gespreizt. Das könnte gelingen ...
Wäre der Auftrieb nicht stark genug oder könnte ich die Flügel nicht lange genug ausgespannt halten, könnte ich mir schlimmstenfalls die Knochen brechen und allen Arbeit machen oder so lange ausfallen, bis ich sie mir selbst wieder zusammengesungen hätte ... Andererseits war die Luft, die über der Quelle aufstieg, wirklich sehr warm ... und der Weg vom Eingang bis zum Becken reichte doppelt für den nötigen Anlauf, den unsereins brauchte, um bei Windstille vom Boden aus hoch zu kommen ...
Ich fand mich vor dem verschlossenen Durchgang wieder, die Flugmuskeln angespannt ... zwei Schritte, zwei Sprünge, im letzten Sprung die Flügel so weit wie irgend möglich ausgebreitet ... ein Flügelschlag, und ich schwebte über dem Wasser im heißen Dampf. Drei weitere, und ich berührte mit dem Rücken die sanft gewölbte Höhlendecke ...
Und die aufsteigende Dampfsäule trug ...
Ich sang vor Freude, und die besondere Akustik der Höhle machte das erst recht zum Vergnügen ... Ich ließ mich immer wieder bis auf die halbe Höhe über den Wasserspiegel sinken, um dann mit zwei Flügelschlägen wieder bis zur Decke aufzusteigen, und als meine so wenig gewordenen Muskeln zu schmerzen begannen, drehte ich mich kopfunter Richtung Quelle, legte die Flügel an und ließ mich hinein fallen und tief eintauchen, bis der Widerstand des Wassers den Schwung abbremste ... In dem weiten, leuchtenden Quellschacht drehte ich mich erneut, trieb schließlich der Oberfläche entgegen und durchbrach sie, um, mich bequem am Beckenrand haltend, eine Weile auszuruhen. Ich konnte, zumindest hier unten, wieder fliegen ...
Die Adern phosphoreszierenden Gesteins, die nicht nur den Quellschacht, sondern auch die Wände der Höhle durchzogen, und die Feuer an den Wänden tauchten alles in bewegliches Licht, orange, durchwoben von hellem Gelb und Grün. Wieder wurde mein Blick von den vier überlebensgroßen Figuren an der Rückseite angezogen. Und wieder hatte ich das merkwürdige Gefühl, diese stünden nicht still, vor allem die vierte, in deren Nähe der auf dem Weg unsere Vorräte hatte plazieren lassen ... Wer immer sie - vor Äonen von Umlaufzyklen - geschaffen haben mochte, hatte sein Handwerk wirklich verstanden. Das Leuchtgestein war so einbezogen, daß die steinernen Bildnisse sowieso schon beinahe lebendig wirkten, und die Flammen der Feuer an den Wänden sorgten offenbar für den Bewegungseffekt ... Ich konzentrierte mich auf die vierte Figur, die einen Jaridian ... nein, einen Atavus darstellte, jemanden vom Volk auf dem Weg, der mich direkt anblickte. Ich schaute ihm in die Augen und erschrak - denn es waren die Augen eines Taelons ... hier? Auf Jaridia? Ich blinzelte heftig und sah erneut hin - in das von den typischen Mustern durchzogene Gesicht eines Jaridians ... bevor sich dessen Züge erneut in die eines Atavus wandelten - aber dieses Mal in die eines Wesens, das aus der Vereinigung eines Taelons und eines Jaridians hervorgegangen zu sein schien ...
Das konnte nicht sein. Solche Veränderung nur durch die Wirkung von Farbe, Licht und Schatten? Warum hatte ich das Gefühl, dieses Bildnis und die Schrift an der Wand würden mich rufen?
Ich zog mich aus dem Becken und wanderte zu der Figur hinüber, mir unterwegs das Wasser aus dem Fell schüttelnd. Davor angekommen, hob ich beide Flügelhände und berührte sie sehr behutsam.
Der weiche grüne Überzug darauf gab mit winzigen, hellen Stimmen einen überraschten Gesang von sich, geriet in Bewegung und verschwand - was immer das für Lebewesen waren, Pflanzen waren es nicht ... Unter meinen Krallenspitzen befanden sich die Schriftzeichen, die am hartnäckigsten gesungen hatten in mir im Traum, und aus einem Impuls heraus öffnete ich die Flügel und ging in vollen Kontakt mit dem Stein.
Alt ... uralt ... wirbelnder, abwärts ziehender Sog voller unbekannter Liedfetzen und Bilder ... Kampfszenen zwischen Taelons und Jaridians in merkwürdigen, längst vergessenen Schiffen ... durch den Stein hindurch in die Zeit ... in die Vergangenheit ... abwärts in Spiralen, tiefer und tiefer, wie damals mit dem Sprecher ... einzelne Begriffe, aufleuchtend wie ein Ph'taalblatt in der Sonne: „Dvarak” ... „ganz” ... „molekulare Intelligenz” ... „kristalline Basis” ... Wieder Kampfszenen im All, Jaridians gegen Taelons, keine anderen Wesen beteiligt, die Schiffe, die einander in Stücke rissen, tausende Umlaufzyklen älter als die vorher geschauten ... der Planet, über dem sie schwebten, war Jaridia selbst, auf die ich haltlos zu stürzte ... ich breitete die Flügel aus, um den Fall abzubremsen, aber das bewirkte nichts ...
Übergangslos fand ich mich auf hartem Boden wieder, in einem kleinen hellen Raum mit offenem Fenster. Warme rauhe Hände griffen mir unter die Flügel und halfen mir auf, und dann stand ich einem Jaridian gegenüber, den ich zu kennen glaubte, obwohl ich über die Berührung spürte, daß ich nie zuvor Kontakt mit ihm hatte ... aber gesehen hatte ich ihn schon einmal ... er war sehr groß und blickte mich aus freundlichen Augen an, und, so wie der aus den Feuern manchmal, war auch er auf zwei Dinge gleichzeitig konzentriert - auf mich, eine irgendwie erwartete und doch überraschende Störung, und auf etwas, mit dem er sich gerade innerlich beschäftigte ... Er musterte mich von oben bis unten. „Du gehörst dazu, aber Du bist es nicht ... wie konnte das passieren?” Für einen Moment trat der Inhalt seiner Gedanken in den Vordergrund - eine Art Bauwerk oder Gerät, bestehend aus einer riesigen Fläche eines halb kristallinen, halb metallenen Materials, von der aus zwei feste Stränge aus dem gleichen Werkstoff abwärts in ein rundes silberfarbenes Behältnis führten. „Tachyonkonverter” war der Begriff dazu ... „Was tue ich jetzt mit Dir? Du mußt wieder zurück, Du bist es nicht ...” Etwas schwindelig versuchte ich mich auf den Jaridian selbst anstatt auf den starken Gedankeneindruck dieses Gerätes zu konzentrieren, das zu vibrieren begonnen hatte - und von dem plötzlich ein blendendes Licht ausging, das grellste Licht, das ich je gesehen hatte - zu grell, um überhaupt jemals von irgend jemandem geschaut werden zu können ...
Schmerz explodierte in meinem Kopf, so flammend wie dieses Licht, und dann war gar nichts mehr.

Halb wach wurde ich von einer warmen, vage vertrauten Berührung, wieder mit dem Wissen, mit dem Jaridian, der mich da berührte, noch nicht in Kontakt gewesen zu sein. Ich fühlte, daß ich auf dem Höhlenboden vor der steinernen Figur lag, spürte den Fels unter mir ... Verbunden war die Berührung mit einem Gefühl von Unsicherheit und einem Gedankenstrom. „Sie hatte mir gesagt, daß das Flügelwesen krank ist, aber daß es so schlimm aussieht ...” Im Geist des Jaridian, der mir sanft die Fingerspitzen auf die Brust gelegt hatte, war das Bild eines dieser sechsgliedrigen schwarzen Geschöpfe, das, schon sehr lange tot, auf sandigem Boden in einer Gegend dieses Planeten lag, wo es so gut wie nie regnete ... Es machte mir Unbehagen. Ein Grund mehr, so rasch wie möglich meine eigentliche Gestalt zurück zu gewinnen - jeder Jaridian, dem ich über den Weg lief, sah in mir offenbar nichts als das Symbol für die auszehrende Krankheit, die regelmäßig eine der hier lebenden minderbewußten Rassen dezimierte ... Dem Jaridian war es spürbar unangenehm, daß ich dieses Bild gesehen hatte. Ein Eindruck der Zweiten war im Kontakt. „Sie sagt mir manchmal wirklich zu Recht, hinter meinen Geräten sei ich eigentlich am besten aufgehoben, und wirft mir meine Kommunikationsmängel vor ... Jetzt habe ich noch kein einziges Wort mit diesem Geschöpf gewechselt, und schon habe ich es gekränkt ...”
Ich fühlte mich benommen und merkwürdig leicht im Kopf. „Du wechselst die ganze Zeit Worte mit mir”, ließ ich ihn wissen, „und gekränkt hast Du mich nicht ...” Ich zeigte ihm das schwarze Wesen und seinen Eindruck von mir nebeneinander. „Du hast ja recht - und das ist es, was mir nicht gefällt ...” „Es tut mir leid ...” Er begriff langsam. „Das ist also - Kontakt?” „So ist es ...”
Was ich von dem Jaridian über die Berührung wahrnahm, war so verwirrend, daß ich das dringende Bedürfnis hatte, ihn anzuschauen, um mich zu vergewissern ... Er fühlte sich, bis auf winzige Unterschiede, so an wie der, der zuvor zu mir gesagt hatte, daß „ich es nicht sei” ... und es war so schwer, sich zu konzentrieren, wenn einem im Kopf etwas fehlte, jeder einzelne Knochen auf dem harten Boden schmerzte und der Magen sich krampfhaft um nichts schloß ... Als es mir endlich gelang, meine verklebten Augen zu öffnen, konnte ich ihn nur anstarren. „Wie bist Du mit mir hierher gekommen? Mit Deinem Gerät? Diesem - diesem Tachyonkonverter?”
Der Jaridian starrte verblüfft zurück. „Wovon sprichst Du? Ich bin durch den Eingang gekommen, und Du hast hier auf dem Boden gelegen ... und was ist ein ...”
Ich zeigte ihm, was ich in seinen Gedanken - seinen Gedanken? - gesehen hatte, und seine Augen wurden weit.
Etwas in ihm war - plötzlich in Resonanz ...
Und ich verstand.
Wer immer der Jaridian gewesen war, mit dem ich in fernster Vergangenheit Kontakt hatte - der, mit dem ich jetzt hier war, war es nicht ... er war einer seiner Nachfahren, nach unvorstellbar vielen Generationen, und zwar in direkter Linie. Und nicht nur das machte ihn ihm so ähnlich ... ich hatte unwillkürlich mit der rechten Flügelhand sein linkes Handgelenk gepackt und die Tiefensinne geöffnet und nahm ihn damit erst richtig deutlich wahr.
Dieser große, kraftvolle Jaridian mit den freundlichen Augen, in denen jetzt blanke Faszination stand, war der Gefährte der Zweiten - in ihren Gedanken hatte ich ihn zum ersten Mal gesehen ... und genau wie sein Urvorfahr in der Vergangenheit konzentrierte er sich gerade auf mehrere Sachen gleichzeitig - auf das, was ich ihm gezeigt hatte, auf seine innere Resonanz damit und mit der steinernen Figur, und auf mich ... und sein Geist suchte und fand das Muster der Ordnung, das dies alles miteinander und mit vielem mehr verband ... „Das kann nicht sein ... darüber existieren keinerlei Aufzeichnungen ... selbst als Hirngespinst ist das doch fast vergessen ...” Aneinander gereihte Ziffern und Zeichen waren in der Berührung, schwarz auf dem hellgrünen Untergrund eines kleinen Bildschirms. „Jeder Anfänger weiß, daß diese Formel nicht aufgeht ...”
Der Gefährte der Zweiten war jemand wie Dvarak, von dem damals der Sprecher berichtet hatte - er entwickelte Technologie und war ständig beschäftigt, die bestehende zu verbessern und auszuweiten. Dvarak selbst zählte zu seinen direkten Vorfahren, was ihn im Hintergrund seines Bewußtseins mit Stolz erfüllte ... Wegen dem, was er leistete, war er lange keinem Kampfeinsatz mehr zugeteilt worden, sein technisches Wissen und Können wurde auf Jaridia gebraucht - er war unter anderem damit befaßt, das Äquivalent eines Interdimensionsantriebs für die Seinen zu entwickeln ... und seinen unglaublich fähigen Geist hatte er von einem Vorfahren geerbt, der vor so undenkbar langer Zeit gelebt hatte, daß sich niemand mehr an ihn erinnerte. „Das stimmt nicht ganz”, meinte er über die Berührung. „Er existiert noch in der Erinnerung derer, die mit unserer Technologie befaßt sind, aber ...” Er schob das erneut auftauchende Gedankenbild der Zahlen und Zeichen auf einem Bildschirm beiseite und ersetzte es durch das seltsame Gerät, das ich ihm gezeigt hatte. „Wie hast Du das genannt? Einen Tachyonkonverter? Und Du hast es - in der Figur hier gefunden?” „In etwa ...” Ich ließ ihm zufließen, wie sich das Hineingezogen-Werden in die Vergangenheit angefühlt hatte. „Und dann bin ich Dir - nein, ihm - vor die Füße gefallen, und es war in seinem Geist ...” Wieder suchte er nach einem Muster der Ordnung hinter den Eindrücken. „Könnte ich das auch? In die Vergangenheit eintauchen, indem ich diese Statue berühre?” „Nein, Du kannst nicht teilen ... aber vielleicht gelingt es, wenn ich ...” Ich sah mich selbst, mit einer Flügelhand die Figur, mit der anderen den Jaridian berührend. „Das könnte gelingen ...”
„Würdest Du das für mich tun?” Seine Begeisterung flammte weiß-violett wie damals die des Navigators, als wir die Erfahrung des Fliegens miteinander geteilt hatten. „Gerne ...”
Ich ließ ihn los und versuchte mich aufzusetzen, was mir nicht gelang, weil mir immer noch schwindelig war, und mein Magen schmerzte so sehr, daß ich mich unwillkürlich krümmte. „Es tut mir leid ...” Mein Hals war rauh, und ich hatte mich noch nie so sehr nach Wasser gesehnt ... nach Wasser - und etwas zu essen ... was immer wir zu tun vor hatten, würde warten müssen, bis ...
Was war das?
Ich war gerade dabei, eine Arbeit, die sich vielleicht als wichtig für das Ganze erweisen konnte, weg zu schieben, nur weil ich Hunger hatte? Warum schob ich diesen nicht einfach beiseite, bis getan war, was getan werden mußte?
Ich spürte in meinen Kopf, der sich so merkwürdig leicht anfühlte - dahin, wo etwas fehlte.
Das Engramm.
Es war fort.
Die Prägung, die mir gesungen hatte, meinen wertlosen Körper zu vergessen, existierte nicht mehr ...
Das blendend weiße Licht hatte grellen Schmerz in meinem Kopf verursacht - und das Engramm war gelöscht ...
Der Gefährte der Zweiten legte mir Hände und Arme unter den Körper und hob mich mit einer Mühelosigkeit hoch, mit der ich ein kleines Nichtflügges getragen hätte. „Es tut mir leid ... ich habe mich so hinreißen lassen, daß ich vergaß, daß Du krank bist ...” „Ich bin nicht krank ... nicht mehr ... die Prägung ist verschwunden ...” Es mußte dieses Licht gewesen sein, es gab keine andere Erklärung ... Ich wurde zum Mitte-Lager hinüber getragen und sanft darauf abgesetzt, und einen Augenblick später hielt ich ein geöffnetes Wassergefäß und das Behältnis mit Medizin in den Flügelhänden und vor mir lagen zwei Nahrungsriegel.
Das Wassergefäß leerte ich in einem Zug. „Danke ...” Der Jaridian berührte meinen linken Flügel. „Ich lasse Dich allein, damit Du Dich erholen kannst ...” Ich spürte das Verlangen in ihm, das Rätsel um die steinerne Figur und dieses Gerät zu lösen, obwohl er sich bemühte, es aus meiner Wahrnehmung heraus zu halten. „Nein, bleib ... es geht mir viel besser, und ich will es genau so verstehen wie Du ...”
Er blieb und holte mehr Wasser für mich, und danach, nach einer Dosis Medizin und einem der Nahrungsriegel war ich in der Lage, allein vom Mitte-Lager aufzustehen - der Schwindel war weg, und ich hatte mich lange nicht so gut gefühlt wie im Moment ...
Der Jaridian und ich waren nach wie vor allein hier. Der auf dem Weg war noch im Gebäude unterwegs. Eine ins Wasser getauchte Flügelhand ließ mich um die Abwesenheit des Wasser-Gesangshüters wissen, und die aus dem Dunklen ruhte noch im Bewußtsein dieser Welt ... Der Gefährte der Zweiten war erschrocken, als er über eine zufällige Berührung wahrnahm, daß der aus den Tiefen das Gebäude verlassen hatte. Ich sang ihm, was dieser mir gesungen hatte, verbunden mit dem regenbogenfarbigen Energieausbruch, und er nahm die unbändige Freude darin wahr und wurde nachdenklich. Ein blasses symmetrisches Muster durchzog seinen Geist, in das die Gestalt des Hüters der Wasser-Gesänge eingewoben war. „Das ist das Risiko wert”, meinte er schließlich.
Dann richtete sich sein Blick auf die vier überlebensgroßen Figuren jenseits des Beckens, und das Weiß-Violett flammte wieder auf. Gemeinsam begaben wir uns zu der vierten Statue, und, eine Hand auf meine rechte Schulter gelegt, blickte er mich erwartungsvoll an.
Einem Impuls folgend, signalisierte ich ihm, die Hand weg zu nehmen, stellte mich mit dem Rücken zu dem Bildnis und lehnte mich daran an. Dann hielt ich dem Gefährten der Zweiten beide Flügelhände hin, und er nahm sie.
Eine Weile geschah gar nichts. Ich konzentrierte mich auf das Relief der Schriftzeichen, die ich berührte und die leise in meinem Rückgrat und in meinen Rippen sangen: „Schaut ... die Zeit ist nahe ...einer wird kommen von den Ersten, die waren ...” Ich begann, mitzusingen, und, wie im Traum, fühlte es sich richtig an, die Resonanzsehnen mit einzusetzen ... Der Jaridian gab einen überraschten Laut von sich und intensivierte den Griff um meine Hände, und seine Augen weiteten sich, als er geradewegs durch die meinen hindurchschaute ...
Auf seinen Urvorfahren, dessen Ebenbild er war ... Ich fühlte mich seltsam transparent - als habe jemand das, was ich war, nach allen Seiten fortgeschoben, um durch mich hindurch Platz zu schaffen für etwas wie einen unendlich langen Gang - einen Gang, der Gegenwart und fernste Vergangenheit unmittelbar miteinander verband - wie eine Art Wurmloch ... Ich stand jetzt mit dem Rücken zum Vergangenen und mit dem Gesicht Richtung Gegenwart, schaute aber durch die Berührung zusammen mit dem Jaridian zurück - zurück auf den, von dem er abstammte ...
Was wir wahrnahmen, war weniger unmittelbares Teilhaben, sondern hatte mehr den Charakter des Anschauens einer Aufzeichnung - einer Aufzeichnung, die trotz ihres unvorstellbaren Alters bis ins kleinste Detail, bis ins feinste Gefühl vollständig war - vollständiger, als ich je eine solche erlebt hatte. Der Urvorfahr des Gefährten der Zweiten saß an einer langen, mit Gegenständen vollgestellten Fläche und gab Ziffern und Zeichen in ein großes Gerät ein, die auf einem unförmigen Bildschirm erschienen. Ich berührte sie vorsichtig in Gedanken und zuckte zusammen - diese Farben, diesen Klang, der da auf dem Schirm tanzte, kannte ich nur zu gut ... die Frequenz der Waffen Jaridias ... Der, der den Schirm jetzt nachdenklich betrachtete, hatte den Bestandteil entwickelt, der in sämtlicher Bewaffnung des Imperiums vorhanden war und dazu führte, daß das Material, aus dem sie bestand, die ungeheure Energie, die bei Gebrauch frei gesetzt wurde, für fast unbegrenzte Zeit halten konnte ... So wie der Gefährte der Zweiten war auch er danach nicht mehr für Kampfeinsätze eingeteilt worden - er beschäftigte sich ausschließlich mit der Weiterentwicklung der Technologie der Seinen.
Der Eindruck, auf den wir schauten, verblaßte und machte einem anderen Platz - der selbe Jaridian, vielleicht zwanzig Umlaufzyklen älter - in ihm war Ramaz' Krankheit erst so spät aktiv geworden, daß er beinahe die Lebensspanne eines nicht davon Betroffenen zur Verfügung zu haben schien ... Wieder saß er an der langen Fläche, dieses Mal damit befaßt, abwechselnd mit einem Energiewerkzeug, das einen sehr feinen und konzentrierten Strahl abgab, ein Gesicht aus einem rauhen schwarzen Stein heraus zu arbeiten und erneut Zeichen in sein Gerät einzugeben ... die Zeichenreihe auf dem Bildschirm war der Anfang der nicht funktionierenden Formel, die mir der Gefährte der Zweiten gezeigt hatte, und das zugleich kantige und fein geschnittene Gesicht im Stein war das eines Atavus - aber nicht eines derer auf dem Weg, sondern ...
Ich spürte, wie mein Fell sich aufstellte. Das hier war unmöglich.
Der Atavus war ein Vereinter. Taelon und Jaridian zugleich - und damit viel mehr als das ...
Wieder verblaßte das gerade geschaute Bild und es entstand ein nächstes. Der Jaridian, erneut gealtert, nahm Korrekturen an den riesigen Figuren vor, die er hier in der Höhle geschaffen hatte - mit der Erlaubnis der damaligen Anführerin, die ihm, da er nach wie vor sehr gute Arbeit für das Imperium leistete, sowohl seine ungewöhnliche Nebenbetätigung als auch seine - in den Augen der meisten der Seinen - immer seltsamer und wunderlicher werdenden Ideen und Meinungen durchgehen ließ ... Den Tachyonkonverter, den er als ultimative Waffe gegen die Taelons entworfen hatte, hatte er auf halbem Weg der Entwicklung aufgegeben - die ungeheure Energie, die sich theoretisch damit erzeugen ließe, wäre nach allem, was er gefunden hatte, in keiner Weise steuerbar gewesen.
Er saß immer häufiger einfach nur da und dachte ... schaute auf Dinge, die offenbar nur er wahrnahm, und dachte nach über diese seltsamen Feinde, die die Seinen so sehr verachteten, daß sie mit so etwas Widerlichem wie den Jaridians das Universum nicht teilen wollten, da diese alles verkörperten, von dem sie sich abgewandt hatten ... diese Feinde, mit denen die Jaridians einst eines Volkes waren ... er wünschte sich immer öfter, es herrsche nicht dieser äonenalte Krieg zwischen ihnen, der sie bereits eine Heimatwelt gekostet hatte ... die Taelons hatte unvorstellbares Wissen zur Verfügung, an dem er gern teilgehabt hätte ...
Er selbst war stolz auf seinen flexiblen Geist und hatte sein Leben lang stets alles genutzt, was sich ihm bot, um dessen Fähigkeiten auszuweiten. Auch er dachte in Mustern und Verknüpfungen, auch er war in der Lage, Muster der Ordnung hinter den Dingen zu sehen und zu spüren ... und er stellte fest, daß ihm das immer besser gelang, je mehr er sich mit den Mustern beschäftigte, die der Planet, auf dem die Seinen heimisch geworden waren, in die Bestandteile seines Leibes gewoben hatte - Was könnte sein, gäben Taelons und Jaridians ihren Krieg auf?
Die vierte Figur, die er mit einer größeren Version des Energiewerkzeugs bearbeitete, nahm die Züge des Wesens an, das entstünde, würden ein Taelon und ein Jaridian eins. Eines der Lichter links neben der Statue begann zu flackern und erlosch, und das Antlitz des Bildnisses wurde zu dessen auf dem Weg. „Einer wird kommen, von den Ersten, die waren ... drei werden mit ihm sein, nicht unserer Völker ...” Der Jaridian wob, was er leise sang, mit seinem Werkzeug in den Stein, durch sein fast vollendetes Werk hindurch scheinbar direkt in unsere Augen schauend - bevor auch dieser Eindruck verschwand.
Die nächste Sequenz zeigte ihn, jetzt wirklich uralt, erneut vor der vierten Steinfigur, in deren unterer Mitte sich ein Hohlraum befand, von der Darstellung her im Bauchraum, in etwa dort, wo ich über die flache dünne Knochenplatte verfügte, die die Wirkung der Resonanzsehnen verstärkte. Er legte einen sehr sorgsam in Bekleidungsmaterial gehüllten Gegenstand hinein, drückte innerhalb der Öffnung auf irgend etwas und zog die Hand rasch zurück.
Das Hohle schloß sich - keine sichtbare Spur blieb mehr im Stein zurück. Der Jaridian legte beide Handflächen und die Stirn auf den mit Zeichen bedeckten Fels. „Die Zeit wird kommen ...” sagte er, sehr leise und mit brüchiger Stimme. „Sie werden wissen ... wenn es soweit ist, und er ist da, werden sie wissen ...”
Und damit sackte er ganz langsam in sich zusammen, und bevor seine Knie den Boden berührten, ging sein Leib in Flammen auf.
Hitze, Weißglut ... und ein ekstatisches Gefühl ...
Und das grüne und gelbliche Phosphoreszieren des Gesteins.

Der Gefährte der Zweiten war als erster wieder in der Gegenwart. Verletzt war keiner von uns, aber ich hatte kein einziges Büschel Fell mehr auf dem Rücken, und meine Haut fühlte sich an, als hätte ich mitten in der Warmphase mehrere Zeiteinheiten hintereinander in der Sonne verbracht, hoch oben, wo die Luft längst zu dünn zum Singen ist ... Auf dem Boden vor der Steinfigur befand sich eine Spur
Asche.
Wir schauten einander an, der Jaridian vollkommen fassungslos, und das nicht nur, weil er das eben geteilte Sterben zu verkraften hatte ... Ich hatte Mühe, aufrecht zu bleiben, und hielt mich an ihm fest, weil ich den Fels im Moment nicht zu berühren wagte.
Der Gefährte der Zweiten schaute mich an, und über den Kontakt spürte ich, wie sehr er den Boden unter den Füßen verloren hatte.
„Trevaks Vermächtnis”, brachte er schließlich mit Mühe heraus. „Wenn das wahr ist, was wir gerade erlebt haben, dann ist das hier unten - Trevaks Vermächtnis ...”
Er selbst war nach diesem seinem Vorfahren benannt und war darauf nie stolz gewesen ... Alle, die sich auf Jaridia mit Technologie befaßten, begegneten den Worten „Trevaks Vermächtnis” irgendwann - und ignorierten das, was gemeint war damit, anschließend oder experimentierten eine Weile damit herum und verwarfen das Ergebnis dann - denn alles, was sich damit verband, waren einige wirklich seltsame Ideen und die halbfertige Formel für irgendetwas, für das weder ein Begriff noch ein möglicher Zweck über all die Zeit erhalten geblieben war ... es hatte vage mit Energie zu tun, es gab Hinweise darauf, daß es waffentechnisch zu nutzen sein könnte und es funktionierte nicht ... Die wenigen, die wußten, daß er Jaridias Bewaffnung grundlegend optimiert hatte, waren der Meinung, dies sei seine letzte große Leistung gewesen - ansonsten galt er als ein so merkwürdiger, in teilweise grundsätzlichen Dingen von jaridianischen Grundsätzen abweichender Sonderling, daß man nicht über ihn sprach - und ihn damit ehrte ... anderenfalls hätte man verurteilende oder herabsetzende Dinge über ihn sagen müssen, was aber wegen seines großen Dienstes am Imperium unangemessen wäre ...
„Ein Hirngespinst ... es kann nur ein Hirngespinst sein ...” Der Gefährte der Zweite nahm meine Flügelhände in festen Griff. „Wiederholen wir das hier”, sagte er entschlossen. „Ich glaube nicht, daß das Selbe dabei herauskommt - das hier kann kein reproduzierbares Ergebnis haben, dafür ist es zu unwahrscheinlich ...”
Ich fühlte zu ihm hin. Er sehnte sich danach, zu glauben, er habe sich all das hier nur eingebildet ...
Ich wußte es besser. Ich spürte es tief in den Knochen - das hier war Wahrheit ... und es hatte mit unserem Weg für das Ganze zu tun, besonders für den aus den Feuern ...
Der lebendige Trevak, der Gefährte der Zweiten, legte mir die Hände auf die Schultern, schob mich rückwärts zu der Statue hin und drückte mich mit dem Rücken dagegen - mit etwa dem Kraftaufwand, den ich benötigte, um ein totes Ästchen von einem Ph'taalzweig abzubrechen - und ich hätte mich ebenso gut wehren können wie so ein Ästchen, auch wenn ich nicht so überrascht gewesen wäre.
Wir durchliefen im Kontakt die gesamte Sequenz ein zweites Mal - es gab nicht einen einzigen Unterschied in der Abfolge der Bilder oder der Intensität der Gedanken und Gefühle des lange toten Trevak. Als dieser den verhüllten Gegenstand in die Öffnung in der Figur legte, streckte ich aus einem Impuls heraus in Gedanken die rechte Flügelhand aus und berührte das Verborgene ... es sang, es sang mit vielen Stimmen von einer Schönheit, die mein Inneres weit werden ließ ... und eine der Stimmen darin, hoch und sanft, gehörte einem sehr dünnen, hellgrünen, glitzernden Strang, der aufleuchtete und sofort wieder im Gewebe des Liedes verschwand ...
Warum kam mir das so bekannt vor?
Die Berührung des zarten Fadens ließ in mir das Abbild eines steinernen Atavus-Gesichtes entstehen, eines Vereinten - dessen Züge zu dessen auf dem Weg wurden ... dessen auf dem Weg, der zu einem anderen Zeitpunkt einen anderen zarten, hoch und sanft singenden Strang berührte, der sofort wieder im Gewebe der Komplexschwingung / des Gemeinwesens der Taelons verschwand ...
Was immer Trevak hier sicher verbarg, bestimmt für die seines Volkes, die Äonen nach ihm sein würden, es war etwas - etwas wie ein Gegenstück zu der Niederschrift dieses Taelons, von dem niemand wußte, ob er noch auf dieser oder bereits auf der nächsten Ebene weilte ... „Es ist kein Hirngespinst”, ließ ich dem lebendigen Trevak zufließen. „Es ist vielleicht das Wichtigste, das wir je gefunden haben ...”
Der Gefährte der Zweiten schaute immer noch durch mich hindurch, dieses Mal auf den Teil der Statue, in dem der verborgene Gegenstand ruhen mußte. Er wehrte sich nach wie vor dagegen, das Erlebte als wahr zu akzeptieren - „Trevaks Vermächtnis” war unter Seinesgleichen zu lange das Synonym für „blanken Unfug” gewesen ... Dennoch war ein Teil seines Geistes bereits damit befaßt, Ordnung dahinter zu finden ... Er wäre erst dann bereit, zu glauben, was wir gesehen hatten, wenn es ihm gelänge, die Figur zu öffnen und er zumindest die Höhlung vorfände, in die das Verborgene einst gebettet wurde ... überzeugen würde ihn nur das Artefakt selbst, was immer es wäre ... Ein Anteil seines Selbst, den er sich nicht einzugestehen wagte, hoffte auf etwas wie einen funktionierenden Tachyonkonverter - unter dem er sich, der ursprünglichen Idee seines Ahnen folgend, eine Art Waffe vorstellte.
Schließlich ließ er mich los, um an die Statue heran zu treten und sie näher zu untersuchen. Ich löste mich davon und zuckte zusammen, weil ein Teil meiner Haut schmerzhaft daran hängen blieb. Die Stelle, an die ich angelehnt gestanden hatte, war sofort übersät von den winzigen grünen Lebewesen, die zu Anfang die gesamte untere Hälfte des Bildnisses besiedelt hatten.
Der Gefährte der Zweiten hatte begonnen, die Figur zu scannen, und ich verschloß meine Ohren und trat beiseite, bis er damit fertig war. Seine Aufregung war durch den Boden spürbar, er hatte alles um sich vergessen. „Es gibt einen Hohlraum ...” murmelte er, die Statue mit den Händen abtastend, „und er enthält eindeutig irgend etwas ...” Er drückte auf verschiedene Schriftzeichen an der Wand daneben und auf den unteren Bauchraum des steinernen Wesens, aber nichts geschah. Er aktivierte seine innere Energie und strich mit glühenden Handflächen über den Fels - ohne Ergebnis. Er trat ein paar Schritte zurück und betrachtete das Bildnis prüfend, dann wandte er sich den anderen zu, um auch diese zu scannen.
Er bemühte sich eine längere Zeit systematisch, die vierte Statue zu öffnen, indem er abwechselnd Muster in seinen Gedanken entstehen ließ und neue Möglichkeiten ausprobierte. Ich wagte nicht, ihn zu unterbrechen - das hier war von zu großer Wichtigkeit für ihn und die Seinen ... Irgendwann schaute er sich suchend in der Höhle um, offenbar darauf hoffend, etwas bislang Übersehenes könne ihm neue Aufschlüsse geben, und dabei fiel sein Blick auf mich, und er schien für einen Augenblick sehr überrascht, nicht allein hier zu sein ... Er überlegte einen Moment, trat dann auf mich zu und berührte meinen linken Flügel. „Du nimmst anders wahr als ich - vielleicht fühlst Du etwas in dem Stein, was ich nicht erkennen kann ...” In ihm war viel mehr als nur Neugier - es war Sehnsucht nach Gewißheit. So wie der auf dem Weg fände er keine Ruhe mehr, bis dies hier offen lag - sei es, um seinen Glauben, das Vermächtnis dessen, dessen Namen er trug, sei Unfug, zu bestätigen oder ihn endgültig zu widerlegen ... Wenn sich im Inneren dieser Figur noch mehr an Wissen verbarg, als allein schon die Tatsache ihres Vorhandenseins und ihrer nahezu perfekten Ausarbeitung beinhaltete, wäre es ihm ein großer Wunsch, daran teilzuhaben ...
Ich stellte mich dicht vor die Statue. Im Vollkontakt hatte ich sehr viele der Schriftzeichen gleichzeitig berührt, die ihre Beine bedeckten, und war in die Vergangenheit gezogen worden ... Vielleicht könnte ich das wiederholen - und Trevak dort fragen, wie das Steinbildnis zu öffnen sei ... Ich hatte das sichere Gefühl, ich bekäme keine Antwort darauf. „Du gehörst dazu, aber Du bist es nicht ...” hatte er gesagt, und das ich zurück müsse ... Ich hob beide Flügelhände und begann, meinerseits in den Stein, der die Figur formte, hinein zu fühlen.
Die aus dem Dunklen würde hieran große Freude haben ... Der dies geschaffen hatte, hatte auf seine Weise formgesungen, wie es nur die Besten ihres Volkes, darunter sie selbst, zustande brachten ... Der Stein sang das Lied Jaridias, aber seine Gestalt sang von Taelons, Jaridians und Atavus-Wesen ... und beide Gesänge schwangen miteinander, ohne einen einzigen Mißklang ... und als ich die Stelle berührte, unter dem sich nach dem, was uns gezeigt worden war, der Hohlraum mit dem verhüllten Gegenstand befinden mußte, wurde ein drittes Lied hör- und fühlbar, das, welches auch den zarten hellgrünen Strang beinhaltete ... sehr leise, aber unendlich umfassender als die anderen - die beiden anderen Gesänge waren eigentlich nur hervorgehobene Ausschnitte davon ... Ich intensivierte den Kontakt damit sehr vorsichtig, indem ich zusätzlich zu den Flügelhandflächen den Kopf auf den Stein legte, so, wie es Trevak damals getan hatte.
Ich wagte nicht, mitzusingen. Das hier war das Schönste, was ich je gehört und gefühlt hatte ...
In diesem Stein sang etwas das Lied des Ganzen.
Das Lied, das alle Gesänge ist ...
Der Gesang des Weltalls ebenso wie der Gesang im Innersten einer einzelnen Zelle eines Lebewesens.
Der Gesang allen Lebens und der all dessen, was unbelebt erscheint.
Der Gesang des Ganzen und des Raumes, aus dem es sich selbst immer wieder neu schöpft ...
Das Lied war nicht wirklich vollständig - nur das Ganze selbst singt es so. Aber es war die intensivste Annäherung an Vollständigkeit, die ich je hatte hören/fühlen dürfen ...
Was hatten damals die Elarian über die Jaridians gesagt? „Die Starken halten ihr Licht verborgen ...” Der Urahn des Gefährten der Zweiten hatte das seine nicht nur offen gezeigt, sondern er hatte sich davon leiten lassen ... und das, was er damit geschaffen hatte, konnte vielleicht die dunkle Zukunft der Seinen erhellen ...
Die Jaridians waren Krieger - und viel mehr als das, auch wenn sie das längst nicht mehr wußten ... Einige, wie der Navigator oder der Gefährte der Zweiten, ahnten es noch und trugen Sehnsucht in sich nach etwas Unbenennbarem ... aber der Krieg gegen die Taelons, der ihr ganzes Sein bestimmte, ließ längst nicht mehr zu, daß Derartiges Raum haben durfte ...
Eine vorsichtige Berührung an meinem rechten Flügel, Ungeduld vermischt mit Besorgnis. „Was tust Du? Hast Du etwas gefunden?”

 

Ende von Kapitel 27

 

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