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  „Aveenas Lied” von AlienVibe   (Emailadresse siehe Autorenseite),   Juli 2002
Alle hier vorkommenden Personen gehören den jeweiligen Eigentümern. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Verzweiflung und Not / Bewegender Ort
Zeitpunkt:  weit vor Beginn der ersten Staffel
Charaktere:  Die Gesangshüterin derer im Dunklen, der Gesangshüter des Volkes in den Wassern, der auf dem Weg, Aveena, der Heiler, der Verwalter, Jaridia selbst (andere Jaridians)
 

 

AVEENAS LIED

Kapitel 25

 

Ich hatte sie noch nie so in Not erlebt - und fühlte, wir mußten unverzüglich handeln. „Wir gehen hier fort”, ließ ich ihr und den anderen zufließen. „Wir reden über die Kommunikationseinheit mit den Jaridians, und sie müssen uns nach draußen lassen ... egal, was da oben passiert ist ... wenn es das ist, was einer von uns zum Überleben auf ihrer Welt braucht, können sie nicht riskieren, uns das zu verweigern ... sie können uns Begleiter mitschicken, so viele sie wollen, egal mit was für Waffen, aber sie müssen uns gehen lassen ...”
Das Zittern in ihr ließ nicht nach. Ich bedeutete dem aus den Tiefen, sie in den Halt zu nehmen, um mich aus dem Kontakt zu lösen und zur Kommunikationseinheit hinüber zu gehen. Im selben Moment öffnete sich der Eingang zu unserer Bleibe, und die Heiler, die uns untersucht hatten, bevor die Beratung hätte stattfinden sollen, waren um uns und mit uns in Kontakt - das erste Mal, daß wir seitdem wieder von Jaridians berührt wurden ...
Aufregung, Zorn, große Besorgnis. „Es tut uns leid ...” „Wir wissen immer noch nicht, wer das getan hat ...” „Es konnte kein Eindringling festgenommen werden ...”
„Im Namen des Anführers und des Sprechers soll ich mich offiziell bei Euch entschuldigen - sowohl für den Anschlag, der nicht nur der Führung Jaridias, sondern auch Euch gegolten hat, als auch für unser Verhalten Euch gegenüber unmittelbar danach ... beide sind mit der Aufklärung der ganzen Geschichte befaßt, sonst hätten sie selbst zu Euch gesprochen ...” Das war der Heiler, der bereits dabei war, die Gesangshüterin derer im Dunklen zu scannen. „Ihr könnt nach wie vor das Gebäude nicht verlassen, weil befürchtet wird, daß, wer immer das getan hat, inzwischen weiß, daß es nicht funktioniert hat, und es erneut versuchen wird - innerhalb des Gebäudes dürft Ihr euch jedoch wieder frei bewegen.” Ich atmete tief aus. „Vielen Dank - aber das nützt uns nichts ... Es tut mir leid, Dir das sagen zu müssen, aber dieses Mal können wir Eure Befehle nicht befolgen. Die, die für die im Dunklen die Gesänge hütet, braucht den Halt des lebendigen Dunklen im Inneren Eurer Welt, und wir werden dafür sorgen, daß sie ihn bekommt, und zwar jetzt.” Der aus den Tiefen und der auf dem Weg bekräftigten meinen Gesang. Der Heiler gebot den Seinen Einhalt, die uns zu untersuchen begonnen hatten, und legte der Erdvolk-Gesangshüterin sanft eine Hand auf die Schulter.
Und fühlte ihre Not.
„Wir dürfen Euch nicht gehen lassen, nicht einmal in Begleitung ...” Ich berührte ihn mit einer Flügelhand und nahm wahr, wie sehr er mit sich kämpfte ... „Wir werden einen Weg finden ...” bedeutete ich ihm. „Und Du hast nichts damit zu tun ...” In seinem Geist war ein Eindruck von uns, während der Dunkelphase leise das Gebäude verlassend, die aus dem Dunklen zwischen uns tragend - und außerhalb unserer Sichtweite zielte eine undeutliche Gestalt mit einer großen Energiewaffe auf uns. Ich setzte ein Bild der Erdvolk-Gesangshüterin, mit entspannten Gesichtszügen auf bloßem Fels liegend und tief und ruhig atmend, dagegen.
Etwas in seinen Gedanken reagierte auf den Eindruck des glatten grauen Gesteins in meinem Bild. „Warte ... ich weiß, was Du meinst ... und ich weiß, daß sie unbedingt Hilfe braucht ...” Verschwommen schien etwas in seinem Geist aufzutauchen, eine vage Erinnerung, die langsam Konturen annahm ... „Das könnte es sein ... wenn dieser Ort überhaupt noch existiert ... oder je existiert hat und nicht nur eine fast vergessene Legende darstellt ...” Jetzt war in ihm der Gedankeneindruck des kleinen beweglichen Raumes, der abwärts glitt, tiefer und tiefer. „Ihr bräuchtet das Gebäude nicht zu verlassen ... und diese Stelle könnte sogar den Sicherheitsprotokollen entsprechend bewacht werden ...” Er löste sich aus dem Kontakt, wies die Seinen an, mit ihrer Arbeit fortzufahren, begab sich einige Schritte abseits und zog sein Kommunikationsgerät.

Wir wurden noch gründlicher überprüft als sonst, und dieses Mal wurde sich sogar um den auf dem Weg gesorgt, bei ihm ging es vor allem um die aktuelle Funktionsweise seines Denkgewebes, die von der üblichen, bei vorherigen Scans festgestellten, abwich. „Es ist in Ordnung”, meinte der Feuervolk-Angehörige, und ich fühlte, daß es stimmte - er tat nur das, was den Seinen so leicht fiel, daß es mich immer wieder erstaunte - er konzentrierte sich auf zwei Dinge gleichzeitig mit der gleichen Intensität, was keinem von uns anderen in der Form je gelungen war. Er war mit der gleichen Präsenz bei der Gesangshüterin derer im Dunklen wie bei den Mustern der Ordnung, aus denen heraus dieser Anschlag gewoben worden war und die er - vergebens - zu verstehen versuchte ...
Die Hüterin der Erdvolk-Gesänge war kaum mehr bei Bewußtsein. Der Heiler verhandelte via Kommunikationsgerät offenbar intensiv mit dem Anführer. Irgendwer hielt mir einen Becher mit Medizin hin, den ich beiseite schob. „Später ...” Ich hielt die aus dem Dunklen, so fest ich konnte, ihr die Eigenfrequenz ihres Volkes summend, unendlich dankbar, zur Hälfte von den Ihren abzustammen und selbst über Resonanzsehnen zu verfügen ... es war spürbar, wie sehr die anwesenden Heiler wünschten, etwas für sie tun zu können, alle hatten ihre inneren Energien aktiviert und ließen ihr behutsam davon zufließen, was sie zumindest um ein weniges stabilisierte und dafür sorgte, daß sie nicht einfach davon trieb ... Ich sang ihr die Frequenzen ihrer Heimathöhle, die des klingenden Felses und der Adern tiefroten Kristalls, die sich in unregelmäßigen Abständen da hindurch woben ... das Lied der Wurzel-Würmer, deren zunehmende Aktivität den Beginn der Warmphase ankündigt ... den Gesang des Platzschaffens wagte ich nicht anzustimmen - der bereits vorhandene Riß im Gestein, aus dem unsere Unterkunft gefertigt war, würde noch Unmut genug auslösen ...
Dann war der Heiler wieder im Kontakt. „Der Ort, den ich meine, ist sehr, sehr lange nicht mehr aufgesucht worden, aber er ist zugänglich und bewachbar ...” Er blickte den auf dem Weg an. „Ihr werdet etwas zum Entzünden und Unterhalten eines Feuers benötigen ... und wir werden Euch von diesem Material”, - er deutete auf das Mitte-Lager - herunterschaffen lassen, was Ihr braucht, ebenso wie Nahrung und eventuell Wasser - ob Ihr das dort vorhandene trinken könnt, weiß ich nicht ...” In seinem Geist war ein flüchtiges Bild eines kreisrunden kleinen - Sees? Tümpels? - in einem halbdunklen, runden Raum. Ich schaute es an und versuchte, es deutlicher zu erkennen. „Dieser Raum ist, so weit ich weiß, eigentlich eine Höhle ...” erklärte der Heiler. „Dieses Gebäude wurde darüber errichtet, und die Wasser, die sie ausgewaschen haben aus dem Gestein, wurden so eingefaßt und das Zuviel abgeleitet, daß man sich gut darin aufhalten konnte ... In der Frühzeit Jaridias wurden wohl Versammlungen dort abgehalten, aber diese Tradition wurde irgendwann aufgegeben. Was dem zugrunde lag, ist mir nicht geläufig, ich bin mir nicht einmal sicher, ob es darüber noch Aufzeichnungen gibt, aber aus Respekt vor unserer Geschichte blieb der Raum erhalten ... Ich weiß, es ist nicht draußen, aber zumindest wäre Eure Erd-Gesangshüterin dort mit natürlich gewachsenem Fels in Kontakt ...” Der aus den Tiefen, der auf dem Weg und ich schauten einander an. Der Eindruck des runden Raumes mit dem Wasser in der Mitte fühlte sich angenehm an ... und wäre schneller zu erreichen als irgendeine Höhle oder ein Felsspalt im Freien, da wir uns mitten in einer weitläufigen, von den Jaridians komplett durchgestalteten und auf ihre Zwecke ausgerichteten Landschaft befanden ... Und außerdem war es dem Heiler gelungen, des Anführers Sicherheitsbedenken zu zerstreuen, was ihm für einen Aufenthalt im Freien unter den gegebenen Umständen niemals gelungen wäre ... „Einverstanden”, gaben wir gleichzeitig in den Kontakt. „Wir tun es - aber wenn es nicht gelingt, werden wir einen Weg nach draußen finden, mit oder ohne Euch.”
Kurze Zeit später waren zwanzig Jaridians mehr da, zwei davon manövrierten eine Art schmaler schwebender Fläche, groß genug, daß einer der Ihren hätte darauf liegen können. Sie wiesen uns an, die Erdvolk-Gesangshüterin darauf zu betten, etwas verdutzt darüber, daß wir Tragestangen oder ähnliche Vorrichtungen daran vermißten. „Das ist eine Antigrav-Trage”, erklärte der Heiler. Der Eindruck der zugehörigen Technologie blieb mir unverständlich, also lösten wir den Kreis und hoben die aus dem Dunklen auf das seltsame Gerät. Sie öffnete halb die Augen und zuckte heftig zusammen, als sie fühlte, daß sie den Boden nicht mehr berührte. Ich war neben ihr, nahm ihre Klauenhand und hielt sie fest, der aus den Tiefen begab sich auf ihre andere Seite und tat das Gleiche, während der auf dem Weg sein, ihr und mein Bündel geholt und sich auf den Rücken gepackt hatte. „Feuer, Medizin und Nahrung”, erklärte er den Jaridians, die uns darauf hin in die Mitte nahmen und uns aus unserer Bleibe hinaus in die Gänge geleiteten.
Nur vier von ihnen und der Heiler paßten mit Mühe zusammen mit uns in den beweglichen Raum. So lange hatte noch keine Reise darin gedauert, abwärts und immer tiefer abwärts ... Irgendwann entspannte sich die Hüterin der Erdvolk-Gesänge etwas, und der Heiler meinte: „Wir sind jetzt unterhalb der Oberfläche Jaridias ...” Es ging noch merklich tiefer, dann hielt der bewegliche Raum an und öffnete seine Tür.
Wir folgten dem kurzen Gang hier, von dem lediglich zwei weitere Türen abzweigten, eine davon sah sehr alt und lang nicht mehr benutzt aus. Durch die andere traten die übrigen Heiler und die restlichen Bewaffneten, von denen einer den alten Durchgang mit einem merkwürdigen metallenen Spezialwerkzeug öffnete, das aussah, als hätten es die auf dem Weg in ihren Feuern geschaffen.
Alle Begleiter steckten ihre Energiewaffen weg und aktivierten ihr Shaqarava, und als die schwere alte Tür aufschwang, wurde mir klar, warum - der Gang dahinter war vollkommen unbeleuchtet ... Wir wurden wieder in die Mitte genommen. Der Gang führte weiter nach unten, tiefer und tiefer, teilweise gab es Stufen zu bewältigen ... Das weiß-violette Leuchten der Energie der Jaridians holte ungewohnte Schatten und Formen aus dem Gestein um uns, Wesen und Gestalten, die undeutlich blieben ... Der Fels unter unseren Füßen war eindeutig natürlicher Bestandteil Jaridias, wenn auch bearbeitet. Die Jaridians um uns strahlten Wachsamkeit aus ... Wachsamkeit und etwas wie Ehrfurcht zugleich ... Ich berührte den Heiler, der neben mir ging, sanft an der rechten Schulter. Das alles hier mußte wirklich Äonen alt sein ... „Ich weiß nur, daß es Legenden gibt, laut derer das Gebäude des Hauptkommandos auf dem Areal der allerersten Ansiedlung von Jaridians auf diesem Planeten steht”, meinte er über den Kontakt - zu sprechen wagte hier niemand - „aber keiner weiß etwas Genaues darüber ...”
Die Erdvolk-Gesangshüterin auf der Trage atmete tief aus und regte sich. Ich spürte zu ihr hin - sie fühlte sich etwas besser an ... Sie hatte den Fels um sich nicht einmal selbst berührt ... Wie sehr mußte sie vor sich selbst verborgen haben, in welchem Ausmaß ihr die, die uns trug, fehlte, daß das keiner von uns im Kontakt hatte wahrnehmen können? „Nicht einmal ich habe es gefühlt ...” meinte der aus den Tiefen über die Berührung, „obwohl wir einander sogar mehrmals begegnet sind ...” „Wir müssen noch intensiver aufeinander achten ...” ließ ich ihm zufließen, dabei gleichzeitig zu ihm hinfühlend. Da unten würde es auch Wasser geben, diesen kleinen See ... „Kein See, es ist eine Quelle”, gab der Heiler in den Kontakt, „aber seht selbst ... Wir sind da.”
Der Jaridian, der uns führte, hatte angehalten vor einer hohen Wand, die den Gang abrupt enden ließ. Auch hier waren Figuren und Zeichen eingearbeitet, einige der Gestalten sahen am ehesten aus wie Jaridians, andere waren nicht identifizierbar ... Der Jaridian hielt eines der kleinen aufklappbaren Geräte mit leuchtend grünem Bildschirm hoch, schaute auf die Zeichen darauf, fuhr mit den Fingerspitzen die Wand entlang und drückte schließlich auf eine bestimmte Stelle. Es gab ein Geräusch, als ob sich mehrere kleine Steine gegeneinander verschöben, und eine Öffnung tat sich neben seiner Hand auf. Er versuchte, im Schein seines Shaqarava etwas darin zu erkennen, hatte offenbar Erfolg und schien heftig an etwas zu ziehen.
Ein tiefer, anhaltender Klang, verbunden mit einer intensiven Vibration im Boden - das hätte aus dem Gesang des Platzschaffens stammen können, und ich sang unwillkürlich mit. Der Heiler zuckte zusammen, und ich ließ ihn sofort los. Die aus dem Dunklen durchlief ein heftiger Schauder, ihre Augen öffneten sich einen Spalt weit, ohne irgend etwas zu sehen - dann stimmte auch sie in den Ton ein, die Augen wieder schließend. In der Wand verschob sich Fels - und vor uns hatte sich ein riesiger runder Durchgang aufgetan. Im Licht des Shaqarava aller anwesenden Jaridians bot sich uns ein atemberaubender Anblick.
Die Höhle war sehr viel größer, als der Heiler sie aus Aufzeichnungen und Beschreibungen im Gedächtnis behalten hatte. Zweihundert der Seinen hätten gut hinein gepaßt, und davon bestimmt dreißig in den dampfenden runden Teich in der Mitte ... es war warm hier, und das Wasser war offenbar noch wärmer ...
Bewegung auf der Trage lenkte mich vom Schauen ab - die Gesangshüterin derer im Dunklen war zu sich gekommen und versuchte sich aufzurichten. Der aus den Tiefen und ich bemühten uns, die schwebende Fläche zu Boden zu drücken, um der Erdvolk-Gesangshüterin herunter helfen zu können, aber das gelang nicht ... „Ich habe Euch doch gesagt, es ist eine Antigrav-Trage ...” Das war der Heiler, der ein kleines Gerät aus der Tasche zog und es betätigte, woraufhin die Fläche sanft nach unten sank.
Wir betteten die aus dem Dunklen direkt auf den blanken Fels - auf zwar deutlich abgenutztes und ausgetretenes, aber gewachsenes, zum Leib dieser Welt gehörendes Gestein, in dem das Lied Jaridias schwang, so, wie in den Höhlen unseres Planeten dessen ureigener Gesang ...
Sie drehte sich auf den Bauch, schlug die Grabklauen in den Fels, die Arme weit von sich gestreckt, drückte das Gesicht an den Boden und ließ sich in den Gesang dieser mächtigen Welt fallen, ein winziger Funken tiefroter Energie, der im Dunklen verschwand. Ich hatte alles um mich herum vergessen. So verhielt sich jemand ihres Volkes, dessen Kraft der grundlegenden Erneuerung bedurfte - der Erneuerung, die aus dem heißesten, tiefsten Dunkel kam, aus der Schicht, die unmittelbar die Feuer des Inneren umschloß ... „Sorge für sie, Jaridia”, flehte ich die riesige Präsenz an, von der ich nur wußte, daß sie unser Hiersein gebilligt hatte. „Sorge für sie, bitte ... Ich weiß, wir sind nur Gäste auf Dir ... aber nur Du kannst geben, was sie jetzt braucht ...”
Dunkelheit, Wärme, pulsierender, tiefgrüner und brauner Klang mit Spuren von Gelb und Gold, sehr weit weg. Der rote Funken war fort.
”Ihr hütet Eure Welt gut ...” Die ferne Wucht dieser Stimme ließ mich zu Boden gehen, aus der Hocke in die ausgestreckte Bauchlage wie die aus dem Dunklen, den rechten Flügel über sie gelegt. Die Stimme Jaridias ... ”Und Ihr sorgt Euch um die Meinen und begegnet allem, was lebt, mit Respekt ... Die, die sich mir hier anvertraut hat, ist gut aufgehoben ...”
Geformte Worte lösten sich wieder auf in den tiefgrünen Klang, der leiser wurde und schließlich verebbte. Dann herrschte Stille.
Die Gesangshüterin des Volkes, das im Dunklen geborgen war, fühlte sich warm an unter meinem rechten Flügel und atmete tief, ruhig und gleichmäßig. Über die Tiefensinne nahm ich ihr Körperselbst wahr, entspannt am Werk ... ihre Energie war nach wie vor schwach, und ihr Bewußtsein so weit fort, daß ich es nicht orten konnte, aber das war in Ordnung - gut aufgehoben ...

Rascheln und leise Stimmen erinnerten mich daran, daß wir nicht allein waren hier in der Höhle. Die Jaridians klangen beinahe furchtsam, zumindest aber sehr verwirrt. „Was war das - ein Erdbeben?” „Wer hat gesprochen? War das überhaupt eine Stimme?” Es hatte auch die meisten der Ihren von den Füßen gebracht ...
Der Heiler war an unserer Seite, scannte die Gesangshüterin des Erdvolkes und war überrascht. „Ihre Werte sind besser ... sie ist tief bewußtlos, aber ihre Werte sind besser ...” „Sie ist gut aufgehoben”, bedeutete ich ihm. Ich hatte mich inzwischen aufgesetzt, um mich umzuschauen. Auch die Jaridians untersuchten die Umgebung, scannten und berührten die Zeichen und Darstellungen, die einen Teil der Wände bedeckten und die vier großen Gestalten, die plastisch aus dem Fels heraus gearbeitet waren ...
Der Hüter der Gesänge der Tiefen, der die aus dem Dunklen noch mit der linken Flosse umhüllt hielt, blickte sehnsüchtig auf das große dampfende Becken, fühlte nochmals zu ihr hin, wußte sie geborgen und erhob sich. Ich tat es ihm gleich - größer als mein Interesse an all dem, was es hier zu lernen gab, war meine Erschöpfung - und das Wasser löste in mir den Wunsch aus, einfach darin unterzutauchen und alles Schreckliche fort zu waschen, das innerhalb der letzten Zeiteinheiten geschehen war ...
Der aus den Tiefen beugte sich über das Becken und berührte den Inhalt mit einer Flossenspitze. Dieser war in Bewegung, stieg von unten auf und verschwand an einer Stelle durch ein Loch im Rand des in den Fels geformten Gelasses unter den Höhlengrund. Er kostete davon - und seine Augen leuchteten ... Ohne ein weiteres Wort oder eine Berührung legte er den Sauerstoff-Konzentrator ab, glitt ins Wasser und öffnete die Zwischenlider. Das Gewebe zwischen seinen Rippen sackte nach innen und ließ ihn knochig und abgezehrt aussehen, als er seine Lungen zusammenfallen ließ, und an beiden Halsseiten öffnete sich je eine Reihe breiter Kiemenspalten. Er war untergetaucht, bevor einer der Jaridians etwas unternehmen konnte.
Ich hatte inzwischen die Füße im Wasser und war dabei, mich ebenfalls ganz hineingleiten zu lassen, als mich ein siebenstimmiger langgezogener Akkord und ein ekstatischer regenbogenfarbiger Energieausbruch durchfuhren. Die Unterwasserstimme dessen aus den Tiefen hatte ich lange nicht mehr gehört ... Ich tauchte mit angelegten Flügeln gleichfalls unter, und als mich der nächste vielfarbige Ruf erreichte, transportierte dieser eine Botschaft: für einen von uns gab es einen Weg hier heraus ... ins Freie ...
Ich ließ mich so tief sinken, wie es angenehm war ... überraschenderweise war es hier im Wasser nicht dunkel. Das grünlich-gelbliche Leuchten entstammte dem phosphoreszierenden Gestein, welches das Becken für diese Quelle formte ... Den Grund dieses Beckens erreichte ich nicht, mein Atembedürfnis wurde zu stark, also ließ ich mich wieder empor treiben, dem blassen, weiß-violetten und inzwischen auch rötlichen Licht der Wasseroberfläche entgegen ...
Ich war wieder oben, atmete tief ein, den leicht salzig-bitteren Geschmack der Quelle auf der Schnabelzunge, schüttelte das Wasser aus dem Gesicht und war plötzlich in Kontakt mit dem Heiler und mehreren anderen Jaridians. Aufregung ... „Was tust Du denn ...” „Du wärest fast ertrunken ...” „Wo ist Euer Tiefen-Gesangshüter? Ist ihm etwas ...” Wirre Gedankeneindrücke von uns beiden, mit Verletzungen an Flossen und Flügeln, ein Bild von mir, schlaff und ohne Atem ... „Es geht uns beiden gut ... es geht uns wirklich gut ...” ließ ich allen über die Berührung zufließen. „Der, der die Gesänge der Tiefen hütet, ist in sein Element getaucht ... und er läßt Euch danken ... das Wasser hier fühlt sich genau so angenehm an wie die Wasser der Meere auf unserer Welt ...” Auch ich wurde jetzt gescannt - und meine Werte mit Erstaunen gesehen. „Ich kann mir das nicht erklären”, meinte der Heiler zu denen gleicher Funktion, die uns bis hierher begleitet hatten. „Aber ich ...” bedeutete ich ihm. „Es ist Eure lebendige Welt ... sie gibt uns von ihrer Kraft ...”
Irgendwann hatte ich sie überzeugt, daß es uns wirklich gut ging hier. Inzwischen hatte der auf dem Weg nicht nur seine Feuerschale aufgestellt und Feuer darin entfacht, sondern es war ihm auch gelungen, fast alle der länglichen Gebilde, die mit Halterungen entlang der Wand befestigt waren, zum Brennen zu bringen, und ihr rötlich-orangenes Licht war zusammen mit dem blassen Leuchten der Adern phosphoreszierenden Gesteins, das sich nicht nur im Becken der Quelle befand, hell genug, daß die Jaridians ihr Shaqarava deaktivieren konnten. Alle hatten Aufzeichnungen vom Weg hierher, von der Höhle und allem darin sowie von uns verfertigt - vor allem von dem aus den Feuern, der sich hier bewegte, als habe er - schon immer hier gelebt ... Ich sah ihn an und bemerkte seinen abwesenden Blick - er schaute auf alles und jedes hier, als sehe er mehr oder etwas anderes als nur das, was da war. ...
Der Eingang zur Höhle öffnete sich mit diesem tiefen Klang, der hier im Wasser deutlicher spürbar war als draußen, und weitere Jaridians kamen mit Säcken Mitte-Lager-Materials, Nahrungsriegeln und merkwürdigen durchsichtigen Wasserbehältnissen, die sie auf Bitte dessen auf dem Weg in der Nähe der am weitesten links stehenden aus dem Felsen gearbeiteten Figur abstellten. Auch sie fertigten - rasch und umfassend - Aufzeichnungen ihrer Umgebung an, und schließlich verließen sie uns alle, als der Anführer über ihre Kommunikationsgeräte eine außerplanmäßige Beratung wegen der jüngsten Ereignisse ankündigte. Eines dieser Geräte ließen sie uns da, der auf dem Weg nahm es entgegen und legte es zu den Vorräten, die uns zur Verfügung gestellt worden waren.
Jetzt waren wir allein - und nicht mehr in der vertrauten Umgebung der Jaridians, sondern innerhalb Jaridias selbst ...
Ich schwebte in dem warmen Wasser, mich mit den Flügelhänden bequem an dem schmalen Rand, der das Becken umgab, festhaltend, mit dem Wunsch, es vorerst nicht mehr verlassen zu müssen. Wenn ich die linke Flügelhand etwas ausstreckte, war ich mit der Gesangshüterin derer im Dunklen in Kontakt, die tief in Jaridia geborgen lag. Der aus den Feuern saß in seiner besonderen Haltung auf der anderen Seite des Beckens, den Blick auf die vier Figuren gerichtet, die dort nebeneinander standen, getrennt jeweils durch eine Reihe dicht an dicht stehender Schriftzeichen ... Wie lange mochte kein Jaridian diese Stätte mehr betreten haben? Was hatte den Heiler auf die Idee gebracht, uns ausgerechnet hierher zu bringen? Ich war viel zu müde, um über all das noch nachdenken zu wollen ... Ich ließ den Kopf auf den Beckenrand sinken und schaute nach oben auf das gewölbte grünliche Gestein, das diese Höhle formte ... auch in der Decke und in den Wänden gab es einzelne phosphoreszierende Flächen und Bänder, die aber im Moment vom Licht der Feuer in den Halterungen überstrahlt wurden.
Irgendwann wurde ich vor Hunger wieder wach, verließ widerwillig das Wasser, schüttelte mich am Beckenrand trocken und wanderte hinüber zu dem Mitte-Lager, das der auf dem Weg aus dem vorhandenen Material geformt hatte. Er schlief tief und fest darauf. Ich nahm einen Konzentratriegel aus einem der Vorratssäcke und eine trockene Ph'taalfrucht aus meinem Bündel, aß beides und begab mich noch einmal zu der aus dem Dunklen, um über den Kontakt zu fühlen, daß es ihr gut ging, und suchte dann gleichfalls das Mitte-Lager auf ... im Wieder-Einschlafen wurde mir bewußt, daß in ihrer Besorgnis und Aufregung die Jaridians nicht gemerkt hatten, daß der Wasser-Gesangshüter nicht mehr in der Höhle weilte ...
Etwas weckte mich einige Zeit erneut - kein Bedürfnis nach Nahrung, sondern eine merkwürdige, ziehende innere Unruhe ... Ich stand auf, schaute und fühlte in meine Umgebung, ging zu der im Dunklen und berührte sie ... ihr Bewußtsein befand sich immer noch tief in dem des Planeten, sie lag vollkommen entspannt da und sah lebendiger aus, als ich sie in all der Zeit zuvor wahrgenommen hatte ... ich tauchte eine Krallenspitze ins Wasser - der aus den Tiefen war immer noch fort, und um ihn machte ich mir keinerlei Sorgen ... Der auf dem Weg schlief unruhig und murmelte Unverständliches. Ich trat noch einmal an das Mitte-Lager heran und berührte ihn behutsam - er träumte, sein Geist war jedoch nicht, wie ich vermutet hatte, mit dem, was hoch über uns in dem Beratungsraum geschehen war, beschäftigt, sondern mit den Steinfiguren und Schriftzeichen hier in der Höhle ... Ich hatte mich gerade entschlossen, mir diese jetzt selbst anzuschauen, ehe ich ihn mit meiner Unruhe weckte, als sich der Höhleneingang öffnete, jemanden einließ und sich mit den charakteristischen tiefen Vibrationen wieder schloß. Aus dem diffusen, ziehenden Gefühl in mir wurde plötzlich etwas anderes - Achtsamkeit und Handlungsbereitschaft angesichts großer Not ...
Ich ging vorsichtig auf den Hereingekommenen zu, ihn im Licht- und Schattenspiel der Flammenstäbe an den Wänden zunächst nicht erkennend. Ich wußte erst, wer da stand, als ich das ausgedehnte, pulsierende, grau-rote Energiefeld fühlte, das ihn umgab - der Verwalter.
Der Verwalter Jaridias - in einem entsetzlichen Zustand ...
In ihm waren Zorn und Verzweiflung in einem Ausmaß, daß es mir fast den Brustkasten zerriß, obwohl ich ihn nicht einmal berührte .. als er erkannte, wer auf ihn zu gekommen war, aktivierte sich die Energie in seinen Händen, die er sofort wieder unterdrückte. „Ich muß mit Euch sprechen”, sagte er, und seine Stimme klang hohl durch den Nachhall, den hier jeder Klang hatte, selbst die leisen Geräusche des Wassers im Becken. „Im Moment kann leider nur ich für Dich da sein,” meinte ich vorsichtig. ”Alle anderen schlafen - und sie sind wirklich erschöpft ...” Er schaute mich an, und wieder glomm sein Shaqarava auf. „Gut, dann ist es so ... es geht sowieso vor allem um Dich ...” Der Zorn überwog in seiner Stimme, als er weiter sprach: „Es ist Deine Schuld, was geschehen ist ... ich weiß, ich hätte niemals so handeln dürfen, aber ich hatte keine andere Wahl ...” „Wovon sprichst Du?” Ich streckte ihm die Flügelhände hin zum Kontakt, weil ich ihn nicht einfach zu berühren wagte, aber er packte mich statt dessen an beiden Schultern.
Mir blieben Atem und Stimme weg, und meine Beine gaben nach unter der Wucht dessen, was über mich hereinbrach - wäre ich nicht so fest umklammert worden, wäre ich zu Boden gegangen. Dieses Wesen wußte nicht mehr ein noch aus, flammend vor Zorn und fast erstickend vor Verzweiflung - von Ruhe, Geduld oder Verstand war nichts mehr zu spüren. Ich wurde überflutet von wirren Bildern, Eindrücken von ihm allein im Beratungsraum, von uns dort, Wolken gelblichen Dunstes, einer heftigen Explosion ... etwas in meinem Kopf begann zu schmerzen, ein merkwürdig bekanntes Gefühl, aber das ging sofort unter in dem kontinuierlichen Strom von Bildern ... eine Explosion innerhalb eines Raumschiffes, ein Bild von mir, von Blau umgeben und mit Blau in den Augen, dem Sprecher gegenüber stehen, der sein Shaqarava aktiviert hatte ... „Er hätte dem damals ein Ende machen sollen ... Du hättest es niemals hierher tragen dürfen ...”
Intensiver Schmerz, seiner oder meiner ... weiß-violett ...
„Hör auf ... bitte ... so kann ich Dir nicht helfen ...” Ich versuchte mich aus seinem glühenden Griff zu befreien, was mir nicht gelang. Ich packte ihn mit beiden Flügelhänden an den Unterarmen. „Laß mich los, bitte ... laß mich los ...” Hitze, Schmerz, blanke Verzweiflung ...
Ich landete auf dem Boden, als er den Griff löste, und kroch sofort von ihm weg. Irgend etwas Furchtbares mußte passiert sein, daß er so völlig außer sich geraten war ... von den Gedankeneindrücken hatte ich nicht einen einzigen verstanden.
Er stand da und starrte mich an, als wäre ich das Widerlichste, was er je gesehen hätte. Ich erhob mich vorsichtig. „Bitte ... was habe ich getan? Womit habe ich Dich so verletzt?” fragte ich, halb auf den nächsten Angriff gefaßt, aber er rührte sich nicht, nur die Energie glomm weiter in seinen Handflächen. „Das hier hat überhaupt keinen Sinn”, sagte er. „Hätte meine Gefährtin mich nicht geschickt, wäre ich nicht hier ... Ich habe gegen die Ehre gehandelt, aber hätte ich denn zulassen sollen, daß jemand, der vielleicht mit den Taelons im Bunde ist, die Meinen in Gefahr bringt? Über Ehre und Unehre von Kriegslist entscheidet allein das Ergebnis für Jaridia ...” Ich begriff nichts, wagte aber nicht, auf ihn zu zu gehen. „Mit den Taelons im Bunde? Was meinst Du? Was für eine Kriegslist?” „Ich spreche von Dir ... Warum hast Du es nicht getötet? Die anderen haben meine Befürchtungen entkräftet, vor allem, nachdem ich die Aufzeichnungen noch einmal ausgewertet hatte, aber Du ... Du hast dieses Taelon-Ding am Leben gelassen ...”
Mir dämmerte ganz langsam, worum es hier ging. „Du meinst den Anschlag im Beratungsraum ...” „Ja”, bestätigte er, und jetzt war die Verzweiflung wieder stärker spürbar als der Zorn. „Ihr habt Euch alle verhalten wie Krieger, keiner von uns hätte es besser machen können - Ihr habt Fähigkeiten bewiesen, die Jaridia sehr nützlich werden könnten - aber Du ... Du hast dieses Ding am Leben gelassen ... Du hast Taelon in Dir, und das hat Dich im letzten Moment Jaridia verraten lassen ...” „Oh nein ...” Instinktiv ging ich jetzt doch ein paar Schritte auf ihn zu, ihm die Flügelhände entgegen streckend. „Du hast doch mehrmals im Kontakt mit uns geteilt ... Du mußt doch wissen, was Ihr mir bedeutet ...” Schaudernd dachte ich an das Waffen-Wesen mit dem gelblichen Dunst in sich - an dieses arme, völlig verdrehte Bewußtsein ... „Ich habe das getan, was sich richtig anfühlte ... ich hatte solche Angst, daß es zerplatzt ... und es hatte nur sein genetisches Programm und dann hatte es Angst vor mir ... und als es schlief, bestand doch keine Gefahr mehr ...” „Die Aufzeichnungen zeigen etwas ganz anderes ... Du warst ”, - jetzt überwog wieder der Zorn - „ja richtig liebevoll damit ... Warum hast Du es nicht getötet, als es schlief?”
Ich ließ die Flügel sinken. Er verstand es nicht ... ihm war immer noch nicht klar, wie unsere Art, andere Wesen oder unsere Umgebung wahrzunehmen, funktionierte ... Ich schaute ihm in die Augen. „Weil ich das nicht kann.”
„Weil Du es nicht wolltest ... weil es Taelon war ...” „Ich bin nicht für die Taelon und gegen Euch ...” „Wie soll irgend ein Jaridian Dir vertrauen? Du hast Taelon-Energie in Dir getragen und trägst sie noch ... Wie soll ich Dir vertrauen?”
Es gab nur eine einzige Möglichkeit.

 

Ende von Kapitel 25

 

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