Startseite Aktuelles Update Geschichten Kategorien Bilder Forum - Der Baum Links Hilfe Kontakt
  „Aveenas Lied” von AlienVibe   (Emailadresse siehe Autorenseite)
Alle hier vorkommenden Personen gehören den jeweiligen Eigentümern. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Wenn eins wird, was getrennt war / Heilung und Hoffnung
Zeitpunkt:  weit vor Beginn der ersten Staffel
Charaktere:  Der auf dem Weg, die Gesangshütenden des Wasser- und Erdvolkes, Aveena, der Anführer Jaridias, die Zweite und der Verwalter Jaridias, der Sprecher, ein Taelon, der Heiler (andere Jaridians)
 

 

AVEENAS LIED

Kapitel 19

 

Die Jaridians waren mehrere Schritte zurück gewichen, alle vier hatten das Shaqarava aktiviert. Die Gesangshütenden von Erd- und Wasservolk waren beiseite getreten, um dem, was geschehen mochte, Raum zu geben. Ich berührte den aus den Feuern sanft an der rechten Schulter - und war zutiefst erleichtert, ihn durch die Komplexschwingung hindurch spüren zu können, aber es war, als habe er sich selbst fast ganz zurückgenommen, um dieser seinen Körper zu überlassen ... „Es ist in Ordnung”, ließ er mich wissen, „Taelon und Jaridian müssen handeln, nicht ich ...” Im Kontakt mit ihm schaute ich zu den Jaridians, die uns mit einer Mischung aus Mißtrauen und Abscheu beobachteten. Er ließ mir das Bild des vielfarbigen Geflechtes zufließen. Das tausendstimmige Lied und die Energie des Shaqarava ... das Warme muß das Kalte berühren ... „Was muß ich tun?” fragte ich den auf dem Weg. „Fühlen ... fühle genau hin in das, was ist ... Sei in Kontakt, und Du wirst wissen ...”
Und dann spürte ich ihn nicht mehr.
Er hatte dem Taelon allen Raum gegeben ...
Nicht dem, der er einmal gewesen war. Der, den ich hier berührte, hatte keine individuellen Persönlichkeitszüge so wie T´than sie entwickelt hatte oder Da´an oder dieses uralte Geschöpf, das die Taelon führte, Qo´on ... Hier war nur die Komplexschwingung, mit den merkwürdigen Veränderungen, die sie in unglaublich langer Zeit von Taelon-Sein erfahren hatte, und der Abgrund aus Leere ...
In der Bemühung, genau zu verstehen, öffnete ich die Tiefensinne und konzentrierte mich auf die Komplexschwingung, auf den vieltausendstimmigen Gesang und das vieltausendfarbige Blau ... und erinnerte mich an meine erste Begegnung damit ... das hier war nicht das, was ich beim ersten Mal berührt hatte, was mich beim ersten Mal beinahe absorbiert hätte, in dem ich mich beinahe aufgelöst hätte ... Das, was diesen Taelon hier ausmachte, hatte viel von seiner ursprünglichen Kraft eingebüßt. Stimmen darin fehlten, ganze Stränge von Blau leuchteten nicht mehr, sondern waren matt und stumpf geworden ... Alles, was die Taelons getan hatten, getrieben von dem, was sie der Komplexschwingung an Wissen entnahmen und was sie daraus schlossen, hatte dafür gesorgt, daß sie - als einzelne, vollständige Einheit in jedem Taelon - immer länger überdauerte - aber so, als ob sie ganz langsam in einen Zustand ewiger Stasis überginge ... einen Zustand des Da-Seins, aber ohne lebendig zu sein, ohne sich je zu wandeln ... und das hatte begonnen, sie zu schwächen, jeden einzelnen von ihnen und ihr Ganzes, das Gemeinwesen ... Die Taelons wurden unvorstellbar alt, und sie hatten keine Jungen mehr ... Als sie ihre Körper aufgaben und alles, was daran gebunden war, Dinge wie Hunger haben oder Angst, Anstrengung erleben oder Müdigkeit oder die Ekstase, die bei den Feiern des Neubeginns geteilt wird, waren die Stränge der Komplexschwingung, die mit Wachsen, Mehr-Werden, Viele-Sein zu tun hatten, stumpf geworden ... und die Stimmen, die davon einwoben in das machtvolle Lied, waren nur noch hohles Flüstern ... Jetzt waren die Taelons wirklich angewiesen auf den unvorstellbaren Energievorrat, den sie Ramaz zu verdanken hatten - von der Energie der Erneuerung, die durch Abschied und Wiederkehr das Leben im Ganzen erhält, hatten sie sich längst getrennt.
Ich löste mich vorsichtig aus dem Kontakt mit all dem und berührte statt dessen den Abgrund in diesem Wesen, die Leere, die einmal Schmerz gewesen sein mußte ... Meine Reflexe reagierten, und ich beendete den Kontakt sofort. So ging es nicht ... Es war nicht meine Energie, die fehlte ...
Ich wandte mich um, zu den Jaridians, die inzwischen ihre Shaqarava-Energie deaktiviert hatten - was immer hier geschah, war, zumindest bis jetzt, offenbar nicht gefährlich ... Dieser Taelon stand nur da und schaute, während ich ihn mit völlig abwesendem Gesichtsausdruck ab und zu berührte.
Nicht ich war das, was fehlte ... diese Leere tat so weh ... Instinktiv streckte ich die Flügelhände nach den Jaridians aus. „Bitte ... ich brauche Eure Hilfe ...”
Der Anführer war sofort bei mir und in Kontakt. „Was ist mit Dir? Hat er Dich verletzt?” „Nein ... ich brauche Deine Hilfe für ihn ...” Ich ließ ihn spüren, wie sich die kalte Schwärze in dem Wesen neben mir anfühlte. „Ich kann nichts für ihn tun ...”
„Ich soll ihm helfen? Einem - Taelon? Nach allem, was ...” „Bitte ...” Der Anführer schaute in mein Inneres, nahm meine Verzweiflung wahr, Verzweiflung darüber, daß ich hier nichts bewegen konnte, ich konnte dieses Leid nicht einmal lindern, alle Energie, die ich zu geben hätte, würde an der Komplexschwingung, die etwas so Primitives kategorisch ablehnte, zerbrechen - oder einfach in der Leere verloren gehen, ohne irgend etwas darin zu bewirken ... Der Anführer wurde zornig. „Die Taelons lassen eine ganze Galaxis leiden - und Du leidest wegen eines einzigen der Ihren, der jeden Schmerz, den er fühlt, verdient hat, zumal er sich das selbst angetan hat? Wie naiv muß man dafür sein?”
Sein Schmerz hinter dem Zorn traf mich mit der gleichen Wucht wie es der des Taelon getan hatte. Was hatte ich da von ihm verlangt? Wie sollte irgendein Jaridian imstande sein, hier zu helfen? Aber so würde der Schmerz auf beiden Seiten nie ein Ende haben ...
Ich fand mich in den Armen des Anführers wieder, der mich festhielt. „Es tut mir leid ... bitte vergib mir ...”
Von seinem Zorn war nichts mehr zu spüren. „Ich hatte es vergessen ... es ist uns so fremd ... Ich hatte vergessen, daß Du nicht anders kannst, als so mitzufühlen ... Du hast ihn berührt, und jetzt ist sein Schmerz der Deine, so, wie Du meinen gefühlt und mir gezeigt hast ... Ich wollte Dich nicht verletzen ...”
Ich versuchte, ihm mitzuteilen, es sei in Ordnung, aber das war es nicht. Ich hatte verstanden, daß er mich nicht verletzen wollte, aber der Schmerz war immer noch da, und ich konnte nichts tun, ebenso wenig wie ein anderer der Meinen ... nicht wir waren das, was fehlte ...
Der Anführer kämpfte mit sich. Die drei anderen Jaridians waren näher herangekommen, sehr wachsam und bereit, einzugreifen, sobald sich Gefahr zeigte. Der Erste der Jaridians ließ mich schließlich sanft los und schaute mich an. „Ich tue es um Deinetwillen”, sagte er. „Ich werde versuchen, ihm zu helfen - weil Du diesen Schmerz nicht verdient hast ...” Ehe ich darauf reagieren konnte, hatte er den Kontakt beendet, mich ein Stück zur Seite geschoben und ging ein paar Schritte auf den Taelon zu.
Die beiden standen einander gegenüber - zwei Todfeinde, die einmal eines Volkes gewesen waren ...
Widerwille stand in beider Gesichtszüge, der zu Abscheu wurde.
Zu grenzenloser Verachtung in den Augen des Taelons.
Zu maßlosem Zorn in denen des Jaridians.
Zu Schmerz und Verlangen in den Augen des Taelons.
Zu blanker Verzweiflung in denen des Jaridians.
Zu eisiger Beherrschtheit in den Zügen des Taelons.
Zu Mißtrauen in denen des Jaridians.
Den Taelon überlief ein Farbwechsel wie ein Schauder. Der Jaridian verzog das Gesicht, wie angewi-
dert.
Ich stand seitlich der beiden, in der Mitte. So konnte es nicht gelingen ... Ich streckte die Flügelhände aus, um beide zu berühren.
Der Taelon wich zurück.
Der Jaridian warf mir einen zornigen Blick zu.
Ich ließ die Flügel sinken.
Und die Verachtung war wieder in den Zügen des Taelons zu lesen, und er machte eine Bewegung, als wolle er eine Waffe ziehen.
Der Jaridian aktivierte sein Shaqarava.
Ich trat einen Schritt vor, um mich zwischen die beiden zu stellen. Der Anführer nahm das wahr, sah von mir zu dem Taelon und wieder zu mir, atmete tief aus und ließ die glimmende Energie in seinen Handflächen verlöschen. Seine Schultern sackten nach vorn, und er wandte sich ab.
„Ich habe es versucht”, sagte er. „Ich habe es versucht ...”
Kurze Zeit später saß er abseits auf dem Boden, in sich zusammengesunken, das Gesicht in den Händen verborgen. Die Hüterin der Gesänge derer im Dunklen wanderte zu ihm hinüber und hockte sich zu ihm, und als sie ihn schließlich in die Arme nahm, wehrte er sich nicht. Der Verwalter und der Sprecher setzten sich zu den beiden. Der Gesangshüter des Wasser-Volkes hockte mit weit offenen, ungeschützten Augen da, dem Taelon zugewandt - in dessen Augen jetzt der Schmerz stand, der in mir war ...
Die Zweite war bei mir und nahm meine Flügelhände in ihre warme Berührung, besorgt. Ich war außerstande, zu verbergen, was ich fühlte - in mir waren kalte Leere, die brennende Wut des Anführers und die blanke Verzweiflung darüber, daß all dies offenbar bis in die Ewigkeit fortbestehen würde ... bis zu dem Zeitpunkt, an dem die beiden Rassen sich gegenseitig ausgelöscht hatten oder kämpfend ausstarben ... und darüber hinaus, denn die Wunde, die dem Ganzen zugefügt worden war, wäre dadurch nicht geheilt ... Ein sanfter Energiestrom drang in mein Bewußtsein, sein pulsierendes Weiß-Violett erhellte das Dunkel in mir, in dem nur der schmerzerfüllte Zorn des Anführers glomm, ohne zu wärmen. Die Zweite hatte ihr Shaqarava aktiviert, mit der achtsamen Intensität, mit der die Jaridians es zum Heilen einsetzten. „Ich habe die Aufzeichnungen Eurer Versammlung gesehen, bei der es um uns und den Krieg ging”, sagte sie. „Ich habe Euren Gesang gehört, auch in der Übersetzung, und Ihr habt alle so glücklich ausgesehen ... er ...” - sie deutete über den Kontakt auf den Sprecher - „...hat uns davon erzählt, was Ihr gefunden habt, von dem Gewebe und den Menschen um das Feuer und von dem Blau, das leuchtet, wenn wir es berühren ... verspricht es Glück für die Unseren, wenn einer von uns hier diesen Taelon berührt?”
Ihr Shaqarava umfloß meine Energie und schien sie zu tragen. Ich spürte dem nach, was sie gesagt hatte. „Glück? Vielleicht ... es ist - eine Chance ...”
Sie kämpfte eine Weile mit sich, wie es der Anführer getan hatte, schaute zu dem Taelon hinüber, der ihren Blick festzuhalten versuchte ... Für einen Moment flammte ihre innere Energie heftig auf und ich fuhr zusammen. Sie hatte sich sofort wieder unter Kontrolle. „Es tut mir leid ...” Sie war richtig erschrocken. „Ich hätte Dich verbrennen können ...” „Es ist nichts passiert.” Sie ließ mich los und wandte sich dem Taelon zu. „Sie haben uns alles genommen ...” Der gleiche Zorn wie der des Ersten stand in ihren Zügen. Dann fiel ihr Blick wieder auf mich, sie atmete aus und wirkte plötzlich sehr nachdenklich.

Die Zweite Jaridias stand eine Zeit lang unbeweglich, genau wie der Taelon. Und meinte schließlich ruhig: „Ich tue es. Um der Chance willen.”
Und sie ging auf den Taelon zu, Schritt für Schritt, bis nur noch eine Flügellänge sie von ihm trennte.
Ich stellte mich wieder seitlich beider, bereit, Kontakt herzustellen, wenn es gewünscht würde ...
Der Taelon und die Zweite blickten einander in die Augen. Verachtung/Mißtrauen ... Verachtung/Zorn ...
Der Taelon wich einen Schritt zurück. Ohne zu überlegen, breitete ich die Flügel aus und berührte beide, nahm meine Energie ganz zurück und ließ durch mich hindurch strömen, was da war.
Der Schock über das, was der jeweils andere empfand, traf beide völlig unvorbereitet. Sie entzogen sich der Berührung sofort. In ihren Gesichtszügen stand blankes Entsetzen.
Mittlerweile hatten sich die Gesangshüterin derer im Dunklen und die drei anderen Jaridians uns zugewandt und beobachteten, was geschah, mit einer Mischung aus Abscheu und Faszination. Der Anführer schien nicht zu wissen, ob er seine Stellvertreterin für ihren Mut bewundern oder als Verräterin verdammen sollte ...
Ich fühlte zu den beiden einander anstarrenden Feinden vor mir hin und wußte plötzlich, was ich zu tun hatte, so, wie es der aus den Feuern gesagt hatte ... Ich trat zu dem Taelon, nahm ihn sanft an den Schultern und drehte ihn um, weg von der Jaridian, dann ging ich zu dieser und ließ auch sie sich abwenden, so daß die Zweite und der Träger der Komplexschwingung jetzt mit dem Rücken zueinander standen. „Schließt die Augen”, sagte ich zu beiden. „Schließt die Augen und schaut zurück ... schaut an, woher Ihr gekommen seid ... schaut auf die Wege derer, denen Ihr entstammt ...” Beider Lider senkten sich, beide schienen für einen Augenblick etwas wie innere Ruhe wiederzugewinnen. Dann begannen die Beine der Zweiten zu zittern.
Die Erd-Gesangshüterin stand auf und stellte sich zu ihr, ohne sie zu berühren, bereit, sie aufzufangen, sollte sie fallen.
Den Taelon durchlief ein heftiger Farbschauder, und er ging in die Knie. Ich war bei ihm und hatte ihn zwischen die Flügel genommen, bevor er zu Boden ging. „Was siehst Du?” fragte ich ihn, laut und über die Berührung.
Zur Antwort erhielt ich eine Flut von Eindrücken, verbunden mit solchem Schmerz, daß mir fast das Herz brach: Ramaz, der die Anlage in Gang setzte, die Zugriff auf die Energie seines Heimatplaneten nahm ... Ein Nichtgezeichneter, mit Gurten an eine Fläche gefesselt, dem ein Gezeichneter einen Injektor an den Hals setzte ... der selbe Nichtgezeichnete, dessen Körper in Flammen aufging ... ein fliegendes Wesen, einem Taelon-Shuttle ähnlich, über einer Siedlung Nichtgezeichneter/Jaridian ein Behältnis abwerfend, aus dem Nebel quoll ... ein Taelon-Mutterschiff, dessen Bordwaffen drei Sokhara-Kreuzer explodieren ließ ... Der Taelon krümmte sich in meinem Griff. „Wir haben sie in die Leere gestoßen ... Sie sind unsere Brüder, und wir haben sie der Leere überantwortet ...” Ich hielt ihn fest. Die Leere, in die sie die Jaridians verloren gewünscht hatten, klaffte in ihm und drohte ihn zu verschlingen ...
Ich gab der Erd-Gesangshüterin, die bei der Zweiten stand, die die Arme um sich geschlungen hatte und am ganzen Körper bebte, ein Zeichen; sie kam zu uns und nahm mir den Taelon ab, ihn so mit ihrer Energie umschließend, wie sie es damals für Da´an getan hatte. Ich trat zu der Stellvertreterin des Anführers und berührte sie. „Was siehst Du?”
Ihr innerer Blick war auf einen riesigen holographischen Bildschirm gerichtet, der das gesamte Sichtfeld einnahm. In der Mitte der Darstellung befand sich ein Planet, dessen Oberfläche immer wieder von heftigen Explosionen erschüttert wurde. „Was haben wir getan? Wir haben sie zerstört ... unsere lebendige Welt ... wir hätten einfach nur wegfliegen sollen ... ihren Flotten wären wir auch so entkommen ...” Auch sie krümmte sich, die Hände vor das Gesicht geschlagen, immer noch zitternd.
Ich richtete sie behutsam auf und drehte sie wieder zurück, so daß sie dem Taelon wieder zugewandt stand. Die Gesangshüterin derer im Dunklen tat mit diesem das gleiche. Wir ließen beide los und traten einen Schritt beiseite. „Schaut Euch wieder an”, bat ich sie.
Die Zweite ließ die Hände sinken, und beide öffneten die Augen.
Keine Verachtung mehr.
Kein Zorn.
Nur noch Fassungslosigkeit ... und grenzenloser Schmerz ...
Und als die Energie des Taelons zu flackern begann und er erneut zusammensackte, war die Zweite bei ihm und fing ihn in den Armen auf - und beide klammerten sich aneinander wie Ertrinkende ...
Ich berührte sie behutsam, bereit, sie mit meiner Energie zu stützen. Die Hüterin der Gesänge des Erdvolkes berührte mich und den Anführer der Jaridians, dessen Augen weit wurden. Der Gesangshüter derer in den Tiefen hatte sich erhoben, den Verwalter und den Sprecher in je eine seiner Flossen gehüllt und seinen linken Fuß auf den rechten der Erd-Gesangshüterin gestellt - der Kontaktkreis war geschlossen.
Der Taelon und die Zweite nahmen keinen von uns wahr. Das Shaqarava der Jaridian war aktiv, strömte mit sanfter Intensität in die Leere des blauen Geschöpfes in ihren Armen. Und das Blau der Komplexschwingung war expandiert und hüllte den Taelon und die Zweite ein, leuchtend ...
Und als die Leere gefüllt war und das Shaqarava überfloß, verwob es sich mit dieser strahlenden Farbe - und beide Energien wurden zu funkelndem, pulsierendem Weiß, der Hauptfarbe des Feuervolkes, der wichtigsten Frequenz derer auf dem Weg, die das waren, was Taelons und Jaridians gewesen waren, bevor das Vorzeichen erschienen war ...
Eins.
Strahlende Helligkeit umfloß beide. Und aus verzweifelter Umklammerung wurde - ekstatische Umarmung ...
Ehrfurcht ... Ehrfurcht war, was ich empfand im Angesicht dessen, was hier geschah ...
Das funkelnde Weiß hüllte uns alle ein. In seinem Zentrum standen zwei Atavi, jetzt einander gegenüber, mit leuchtenden Augen und die rechte Handfläche auf die linke des anderen gelegt. Die Energie zirkulierte zwischen ihnen, aus der rechten Hand in die linke des anderen strömend und von dort aus in dessen ganzen Körper, sie erfüllend und überfließend, uns alle einbeziehend ... Eine Zeit später zog der größere der beiden Atavi den anderen an sich, und sie standen wieder umarmt, während der Energiestrom langsam verebbte.
Und schließlich standen dort der auf dem Weg und die Zweite Jaridias, das Strahlen noch in den Augen, und wandten sich uns zu; und dem folgend, was uns von ihnen zufloß, formten wir einen warmen, festen Kreis ...

...und fanden uns auf dem weichen Mitte-Lager aus Verpackungsmaterial wieder, das in dem vollgestellten kleinen Versammlungsraum improvisiert worden war, in dem auf riesigen Holo-Bildschirmen Aufzeichnungen und Darstellungen aller Art liefen und Geräte blinkten und summten ... Mein Fell war naß, als wäre ich mit dem Navigator geflogen, die Haut des Wasser-Gesangshüters war völlig ausgetrocknet, die Jaridians wirkten vollkommen erschöpft, aber das einzige Gefühl im Kontakt war Freude. Wir hatten mit dem Verstand noch nicht erfassen können, was hier geschehen war, aber es fühlte sich richtig an ... unendlich wohltuend - und richtig ...
Und etwas hatte sich verändert.
Oder viel mehr - jemand ...
Ich spürte zu der Zweiten zu meiner Rechten hin. Ich hatte mich nicht getäuscht.
Sie fühlte sich nicht mehr an wie der Navigator.
Sie fühlte sich an wie der Sprecher.
Wie der Verwalter und der Anführer.
Ich wandte mich ihr zu und bat sie über den Kontakt um Erlaubnis, sie anschauen zu dürfen. Sie war einverstanden und ich öffnete die Tiefensinne.
Keine blauen Bruchstückchen mehr, die ihr von Wertlosigkeit sangen.
Die Komplexschwingung hatte ihre verstreuten winzigen Anteile aus diesem Wesen hier resorbiert. Und die funkelnde Energie des Feuervolkes - der Atavi - hatte die Ordnung in der Zweiten Jaridias wieder hergestellt.
Sie war genau so überrascht wie ich.
Sie war geheilt ...
Ich spürte über die Berührung zu dem aus den Feuern hin, plötzlich in Sorge. Er hatte die Taelon-Energie so lange tragen müssen ... Er strahlte immer noch von der Energie der Seinen, genau wie die Zweite, und fühlte sich ansonsten an wie immer. „Nein, ich wollte nicht wieder zum Taelon werden”, beantwortete er einen entsprechenden Gedankeneindruck des Verwalters. „So, wie ich bin, bin ich vollständig, und weniger als das werde ich nie wieder sein ... und ja, es bestand eine Verbindung zu ihrem Gemeinwesen, so lange ich ihre Energie trug ... das Gemeinwesen ist das Ganze der Taelons, aber dieses Ganze ist alles andere als vollständig ...” Er blickte die Zweite an, die mit leuchtenden Augen zurückschaute, und für einen Augenblick war wieder die weiße Energie um uns alle. „Das hier ist ganz ...”

Viel später wurde mir bewußt, daß ich meine Ohren von innen verschlossen hatte, und zwar ausgerechnet durch einen durchdringenden, absolut unangenehmen Klang - vier einzelne Töne, jeweils um einen halben gegeneinander versetzt, die immer noch lauter und lauter wurden. Ich öffnete die Augen, schaute mich um und entdeckte in einer Ecke des Raumes einen in acht Felder unterteilten Bildschirm. In vier der Felder blinkten rote und orangefarbene Zeichen im Takt des anschwellenden Klanges. Wie viele beinahe unerträgliche Alarmzeichen kannten die Jaridians eigentlich?
Auch die anderen tauchten nach und nach aus dem Kontakt auf, die Gesangshüterin derer im Dunklen und der aus den Tiefen mit einem deutlichen Ausdruck von Unbehagen. Der Anführer löste sich aus der Berührung, stand auf und ging zu dem Bildschirm hinüber, schaute eine Weile auf die Zeichen, dann auf uns im Kreis und stellte - endlich - den Alarm ab. Dann griff er sich ein Kommunikationsgerät und drückte ein paar Tasten darauf, bevor er sich wieder in den Kontakt begab, mit spürbarer Besorgnis. „Eure sämtlichen Vitalwerte weichen weit von der Norm ab”, meinte er zu der Zweiten, dem aus den Tiefen, dem auf dem Weg und mir. „Ich habe den Heiler gerufen, der sich mit Euch auskennt ... Ihr fühlt Euch auch alle ganz anders an als vorher ...” Seine Besorgnis war ansteckend. Ich fühlte in den Kreis. Am deutlichsten war die Veränderung der Zweiten ... Daß ihre Vitalwerte jetzt weit von der Norm - der Norm für einen Jaridian mit Stoffwechseldefekt - abwichen, war vollkommen verständlich ... Im Kontrast zu ihrem Strahlen stand die mattgraue Erschöpfung dessen aus den Feuern, der wie in sich zusammengefallen wirkte.
Sofort reagierten meine Reflexe auf ihn, aber der dünne Faden Energie, der ihm von mir aus zuging, bewirkte überhaupt nichts ... Ich wollte die Reserven öffnen, wurde aber durch die Berührung einer rissigen blaugrünen Flosse daran gehindert. Der Hüter der Gesänge der Tiefen, der schrecklich aussah und unbedingt ins Wasser mußte, bevor ... „Du bist genau die Richtige, mir zu sagen, wie ich aussehe und was ich tun soll”, meinte er mit freundlichem Spott und ließ mich wahrnehmen, welches Bild ich selbst gerade abgab - so hatte ich mich überhaupt noch nie gesehen, das feuchte Fell teilweise ausgegangen, und es hing an mir, als sei ich plötzlich kleiner geworden, dafür zeichneten sich jetzt alle möglichen Knochen darunter ab, die zuvor nicht zu sehen gewesen waren ...
Die Gesangshüterin des Erdvolkes löste sich aus der Berührung, griff in ihr Bündel und brachte eines der grasverschnürten Ph´taalblätter zum Vorschein, in denen sie Kräuter- und sonstige Vorräte transportierte. Sie löste die Schnur und hielt das Blatt in der offenen Handfläche in den Kreis. „Nehmt davon ... das hier war schwere Arbeit ...” Ein würziger, braun-roter, scharfer Duft stieg davon auf - Wachkraut, Blüten, Blätter und der geraspelte Stengel ... Es half für eine kurze Zeit aus Zuständen von Erschöpfung heraus und hatte eine lang anhaltende entspannende Wirkung auf sämtliche Muskeln, was dazu führte, daß man nach Anstrengungen wie dieser nicht einfach umfiel, wo man gerade war, und in der nächsten Hellphase mit schwerem Kopf und vollkommen verkrampft erwachte, sondern sich noch einmal aufraffte, tat, was nötig war, um sich wohl zu fühlen (das Wasser aufsuchen, das Lager bequem gestalten ...), um sich dann wirklich ausruhen zu können ... Der aus den Tiefen, der Feuervolk-Angehörige und ich griffen sofort zu, die Jaridians lehnten dankend ab. Ich begann meine Portion zu zerkauen, und der scharfe Geschmack wärmte mich ...
Und übergangslos war nur noch schmerzhafte Leere in mir, und ich fing an zu zittern und konnte nicht damit aufhören ... Die Gesangshüterin derer im Dunklen hüllte mich in tiefrote Energie, aber das half nicht, die Leere war innen, in mir ...
Ich geriet in Panik.
Leere ... ein Abgrund aus Nichts ...
Nie, nie wieder wollte ich mich so fühlen ...

„Du bist kein Taelon.”
Das war der auf dem Weg.
„Fühl` genau hin ... das hier ist anders ...”
Er hatte recht. Das hier war nicht schwarz und von Echos und Schattenfetzen durchzogen. Das hier war grau ... aber es war leer, leer und kalt und unangenehm ...
Inzwischen war der Heiler da und scannte uns nacheinander. Er und die, die er mitgebracht hatte, schafften das Wasserbehältnis heran und halfen dem aus den Tiefen hinein. Der auf dem Weg bekam etwas injiziert, alle Jaridians, bis auf die Zweite, benötigten offenbar keine Versorgung, ebenso wie die Gesangshüterin des Erdvolkes, und die Zweite wurde gebeten, die medizinische Station hier im Gebäude aufzusuchen für gründliche Untersuchungen. Ich wurde von einem der Jaridian gestützt und bekam einen Becher Flüssigkeit in die Flügelhände gedrückt, mit der Anweisung, den Inhalt auf einmal zu trinken.
Was immer es war, es schmeckte vage nach Ph´taalfruchtsaft und weckte den dringenden Wunsch nach mehr ... nach mehr und nach ... Der Jaridian, der mir Halt gab, dachte beim Anblick des Bechers an etwas Kleines, Rundliches, Weißes, das aus tiefschwarzem körnigem Grund wuchs wie eine längst noch nicht reife Bodenfrucht, offenbar ein Bestandteil dieses Getränkes.
Bodenfrüchte ... die Nahrung, die uns durch die Kaltphase brachte ... und das Wichtigste für die Nichtflüggen ... je mehr sie davon bekamen, desto schneller wuchsen sie ... Und dann gab es kein anderes Bedürfnis mehr in mir, als Bodenfrüchte haben zu wollen, eine ganze, möglichst große - nein, besser sogar zwei ... Der Jaridian, mit dem ich in Berührung war, gab einen erschrockenen Laut von sich. Der Heiler, der gerade erneut die Zweite scannte, unterbrach das und ging mit uns in Kontakt. Er reagierte wie sein Stammesgenosse, und durch das, was er mir vermittelte, verstand ich endlich, was mit mir los war.
Ich war nicht dabei, wieder zum Taelon zu werden.
Ich hatte Hunger.
Der aus den Feuern gesellte sich zu uns und berührte den Heiler und mich. „Wir sind den Weg der Taelons und Jaridians gegangen vom Anbeginn ihrer Zeit bis jetzt - Du hast gewissermaßen seit unzähligen Umlaufzyklen nicht mehr gegessen ...”, meinte er zu mir. Ich verstand nicht. „Aber das gilt doch auch für Dich und die Anderen ... und Ihr fühlt Euch nicht so ...” „Im Gegensatz zu uns hast Du die Energie eines Wesens getragen, das keinen Körper mehr wollte. Und dieses Wesen hat dafür gesorgt, daß Du das meiste Deiner Substanz verloren hast.”
Irgend jemand benutzte ein Kommunikationsgerät, und wenig später waren Nahrungskonzentrat-Riegel da, für alle, die welche wollten. Und ein ganzer und zwei Bissen eines weiteren füllten endlich die Leere in mir. Es gab weitere Becher des ph´taalfruchtsaft-ähnlichen Getränkes und für jeden eine zusätzliche Portion Wachkraut, bis wir schließlich irgendwann auf Weisung des Anführers wieder in unsere Unterkunft geleitet wurden. „Wir haben jetzt erst recht viel zu besprechen”, hatte er gesagt, „aber zu einem Zeitpunkt, an dem Konzentration und durchdachtes Handeln wieder möglich sind ...”
Wir würden beizeiten wieder abgeholt werden.

In unserer Bleibe war die Beleuchtung auf Hellphase geschaltet, aber keinem von uns war nach irgendwelchen Aktivitäten zumute, nicht einmal mehr nach Singen über das Geschehene ... Der aus den Tiefen tauchte in seinen Bereich ab, wir anderen waren auf dem Mitte-Lager eingeschlafen, noch bevor wir überlegt hatten, ob das Licht vielleicht umgeschaltet werden könnte ...
Wach wurde ich später von der schmerzhaften Leere, um die sich mein Magen krümmte, und ich löste mich vorsichtig aus dem Kontakt mit den Meinen, wanderte zur Nahrungsspendeeinheit hinüber und entnahm ihr einen Konzentratriegel. Aus meinem Bündel holte ich eine große getrocknete Ph´taalfrucht und hatte wenig später beides aufgegessen, ohne das Gefühl zu haben, satt zu sein ... Würde ich jetzt für den Rest meines Lebens so hungrig bleiben? Ich konnte doch auf dieser Welt, auf der ich lediglich zu Gast war, nicht zukünftig derartige Unmengen Vorräte verbrauchen ...
Behutsam öffnete sich die Tür zu unserer Unterkunft. Die Zweite trat ein und schaute sich um, bemerkte, daß ich wach war und hockte sich zu mir. „Störe ich Dich?” fragte sie leise. „Nein, im Gegenteil ...” Ich freute mich, daß sie da war, und bot ihr eine von zwei weiteren Ph´taalfrüchten an, die ich gerade bereit gelegt hatte. Sie lehnte dankend ab und berührte statt dessen meinen linken Flügel mit den Fingerspitzen, die nicht mehr wärmer waren als meine Haut. „Darf ich ...?” „Selbstverständlich ...” Und wir waren in Kontakt, einander zugewandt. „Es ist mir wichtig, mich bei Euch zu bedanken”, ließ sie mich wissen. „Ihr habt etwas wirklich Großes für uns getan, besonders für mich ...” Das funkelnde Weiß umgab sie für einen Moment, und ihre Augen strahlten wieder. „Ihr habt mir mein ganzes Leben geschenkt ... alle Heiler, die mich in der kurzen Zeit bis jetzt untersucht haben, haben mir bestätigt, daß ich noch mindestens sechzig Umlaufzyklen vor mir habe, vorausgesetzt, ich sterbe nicht im Kampf ... ohne das, was ihr getan habt, wären es höchstens noch zwanzig gewesen ...”
Ich intensivierte den Kontakt, indem ich ihr die Flügelhände auf die Schultern legte. „Dieses Geschenk hast Du Dir selbst gemacht”, ließ ich ihr zufließen. „Du warst diejenige, die den Mut hatte, sich ihrem Todfeind nicht nur zu stellen, sondern darüber hinaus ihr Herz für ihn zu öffnen - und das hat Dich geheilt ...” „Hättet Ihr es nicht auf Euch genommen, uns unsere gemeinsamen Wurzeln mit den Taelons in Erinnerung zu rufen und die Energie unserer Gegner zu halten - und das alles um unseretwillen - hätte ich diese Erfahrung niemals machen können ...” Traurigkeit stieg in ihr auf. „Er war so sehr verletzt ... wie hätte ich ihn denn wegstoßen können ... Ihr hattet doch Kontakt mit ihnen - ich meine, so wie wir jetzt - fühlen sie sich tatsächlich so an?” Ich öffnete ihr meine Erinnerungen daran, und sie spürte hinein. „Wie schrecklich ...” „Ihr seid das, was fehlt ...” sagte ich, verbunden mit dem Eindruck der beiden einander umarmenden Atavi inmitten leuchtender Helle, die immer noch in ihr war, in jeder einzelnen ihrer wiederhergestellten Zellen.
Sie folgte meinem Blick in ihr Inneres. „Ich habe mich sehr verändert ...” Ich ging in Tiefenwahrnehmung und ließ sie ihre Zellstrukturen sehen, die winzigen Spiralmuster der Ordnung ... Sie würde keine blauen Bruchstücke mehr an ihre Jungen weiter geben ...
Erneut wurde die Zweite sehr traurig. „Es wird trotzdem keinen anderen Nachwuchs geben ...” „Weshalb nicht? Wenn Du vielen begegnest, werden auch solche der Deinen darunter sein, die noch verschont geblieben sind ...” Ich dachte an den Sprecher und den Anführer.
Dessen Stellvertreterin reagierte mit Überraschung, dann schockiert, was ich nicht ganz verstand ... dann gingen plötzlich grün-goldene Wellen der Belustigung von ihr aus, was mich noch mehr verwirrte, bis ich das Gedankenbild dahinter wahrnahm - sie selbst, an der Seite eines anderen, sehr großen Jaridians mit freundlichen Augen, der einen Arm um ihre Schultern gelegt hatte - ihr Gefährte ...
Ich hatte vollkommen vergessen, daß die Jaridians mit dem Thema „Begegnung” so ganz anders umgingen als wir ... Kein Wunder, daß die Zweite schockiert war ... „Bitte vergib mir ... ich wollte nicht Deine Ehre verletzen oder Dir sagen, daß Du Eure Regeln brechen sollst ...”
Mein Unbehagen fand sie ebenso belustigend wie meine vorherigen Überlegungen. „Regeln brechen? Wir haben eigentlich ebenso wenige Regeln, was Zusammensein, Begegnung und Nachwuchs angeht, wie Ihr ... im Gegensatz zu Euch sind wir, was Nachwuchs-Haben angeht, nicht einmal an Zeiten und Zyklen gebunden ... Wir leben unsere Leidenschaft und Lust an der Ekstase genau wie Ihr ...” „Aber dennoch hast Du nur einen Gefährten ...” Sie berührte meine Erinnerungen an die letzten Feiern des Neubeginns, die ich miterlebt hatte. „Wir fühlen anders als Ihr ... Ihr seid einander auf eine Weise verbunden, die wir nicht kennen, und in dieser Verbundenheit gilt Euch jeder und jede der Euren gleich. Den meisten von uns begegnet irgendwann einmal jemand, der oder die eine so große Leidenschaft in uns entfacht, daß daneben für andere Lust einfach kein Platz mehr ist ... der Wunsch nacheinander wird so intensiv, daß jede andere Begegnung sich, daran gemessen, bedeutungslos anfühlt ...” Sie zeigte mir, was sie für ihren Gefährten empfand - tiefrote, flammende Intensität, die sie ganz ausfüllte ... jeder andersfarbige Funke würde davon einfach absorbiert werden, ohne die geringste Chance, auch nur ein Flämmchen werden zu können ... es fühlte sich sehr, sehr fremd an, aber nicht unangenehm ...
Ihr Gefährte war, wie sie gewesen war, bevor sie ihren Todfeind in die Arme geschlossen hatte. Und sie mochte niemandem begegnen außer ihm ... der Ramaz` Krankheit an jedes einzelne seiner Jungen weiter gab ...
... es sei denn ...
Diese Bruchstücke waren winzig klein ... viel kleiner als ein CVI ... und wesentlich weniger komplex, was sie allerdings nicht wirkungsloser machte ...
Ein Eindruck ihres Gefährten, meine Flügel um ihn, die Flossen des Hüters der Gesänge der Tiefen um uns beide. Siebenstimmiger Gesang, eine Stimme für das Bruchstück, sechs für den Strang, der für es sang ... Frequenz und Gegenfrequenz löschen einander aus ...
„Das würdet Ihr für ihn tun? Ihr könntet dafür sorgen, daß er so wird wie ich?”
Eine neue Berührung war da - der auf dem Weg. Die Stellvertretende des Anführers wandte sich von den Bildern im Kontakt ab und strahlte ihn an, bedankte sich bei ihm mit der gleichen Intensität und Begeisterung wie bei mir ... und er sagte ihr das Gleiche, das ich ihr hatte zufließen lassen ... um dann aufzugreifen, womit wir zuvor beschäftigt waren. „Dein Gefährte wäre nicht wie Du, wenn sie für ihn gesungen hätten ... wenn sie die Bruchstücke in seinen Zellen zerstört haben, ist jede weitere Beschleunigung seines Stoffwechsels verhindert. Er wird länger leben, als er ohne Behandlung leben würde, und er wird gesunden Nachwuchs haben können mit Dir. Aber er wird dennoch nicht sein wie Du ... die verlorene Ordnung können ihm Tausende von Wind- und Wasserleuten nicht zurücksingen ...”
Das war die Wahrheit. Wie es aussah, gab es nur eine einzige Möglichkeit, ihren Gefährten zu heilen - so, wie sie geheilt worden war ... ich schauderte bei der Vorstellung, diese Energie wieder in mir tragen zu müssen, aber wenn dadurch dieser Jaridian ... und später vielleicht auch andere... ich würde es irgendwie durchstehen, ich mußte einfach ...
„Nein.” Der aus den Feuern hatte den rechten Arm um meine Schultern gelegt, den linken um die der Zweiten, und hielt uns beide. An die Jaridian gerichtet, sagte er: „Diese Möglichkeit besteht nicht mehr. Sie hier ...” - er deutete über die Berührung auf mich - „... darf diese Art Arbeit nie wieder tun ... sie darf diese Energie nicht mehr tragen.” „Warum nicht?” fragte ich, überrascht von seiner Bestimmtheit. „Ich habe das mehrfach getan, ich werde es wieder schaffen ...” „Nein.” Er blickte mich direkt an. „Du solltest Dich sehen ... das erste Mal damals hätte Dich beinahe Geist und Bewußtheit gekostet. Dieses Mal hat Deine physische Substanz fast ganz aufgezehrt - ein nächster Versuch kann Dein Leben kosten, bevor Du irgend jemandem geholfen hast, und das verbietet die Ordnung.”
Die Zweite hatte das eher verstanden als ich, die ich noch nach Bildern suchte, dem auf dem Weg klar zu machen, daß ich bald wieder stärker wäre als jetzt, um dann ... „Um einen solchen Preis würde niemand von uns Dein Angebot annehmen. Niemals würde ein Jaridian das Leben der Seinen, eines Freundes oder eines Verbündeten für den eigenen Vorteil aufs Spiel setzen - das wäre gegen jede Ehre ...”
Der aus den Feuern ließ den Eindruck der beiden Atavi im Licht wieder auftauchen. „Das ist ihr Weg ...” meinte er zu mir, „der Weg ihrer beider Völker ... Wir können ihnen davon singen und ihnen vermitteln, wie es sich anfühlen kann, aber gehen müssen sie ihn selbst ... wir dürfen ihnen anbieten, was wir zu geben haben, aber ihr Schicksal bestimmen sie, und nur sie ...” „Und da ist noch etwas anderes,” ließ die stellvertretende Führende Jaridias einfließen. „So zu sein, wie ich jetzt bin, hat mich einen Preis gekostet, den viele von uns nicht bereit sein werden zu zahlen ...”
Ich erschrak zutiefst. „Nein, nicht, was Du befürchtest ... ich bin nirgendwo verletzt, und ich habe mich nie besser gefühlt als jetzt ... aber ich werde nie mehr das Ausmaß an physischer Leistungsfähigkeit erreichen, das ich erlangt hätte, hätte mein Stoffwechsel sich weiter beschleunigt ... Ich bin jetzt körperlich auf dem Stand des Kommandierenden des Kreuzers, mit dem Ihr gekommen seit - dessen, den Ihr den Sprecher nennt ... die Möglichkeiten, die ich dank meiner defekten Physiologie hatte, habe ich für immer verloren, und für das, was ich dazu gewinnen will, werde ich hart arbeiten müssen ...”
Ich fühlte zu ihr hin. Die Zweite Jaridias war immer noch stärker als das kraftvollste Wesen, das unsere Welt je hervorbringen würde... aber der stetige Zuwachs an Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer, um dadurch ein besserer Krieger zu werden, mit immer schärferen Sinnen und zunehmend intensiverem Shaqarava, hatte bei ihrem Volk einen sehr hohen Stellenwert ... Ich wußte inzwischen genug über die Ihren, um mir vorstellen zu können, daß viele dies nicht würden aufgeben wollen ... Der Eindruck des Gefährten der Zweiten tauchte in mir wieder auf. Wir konnten zwar vielleicht die Bruchstücke vernichten, die seinen Zellen Unwert sangen, aber die verlorene Ordnung konnten wir ihm nicht zurück geben ... ich fühlte in mein Innerstes und erkannte sehr beschämt, daß der aus den Feuern recht hatte: die Energie der Komplexschwingung - der Taelons - würde ich nicht noch einmal tragen können. Das, was mir die Kraft dazu gegeben hatte, war rissig und brüchig geworden ... es würde nicht standhalten, ich würde gefrieren und in tausend Splitter zerbersten ... „Es tut mir leid ...” „Ich weiß nicht, ob er es wollen würde ... ob er bereit wäre, auf seine Kräfte zu verzichten ... aber er würde sich, glaube ich, kaum etwas mehr wünschen als gesunden Nachwuchs ... Zukunft für uns alle ...” „Dann werden wir für ihn singen, wenn er bereit ist,” versprach ich, und der aus den Feuern meinte bestätigend: „Wir bieten an, was wir zu geben haben ...” Eine Möglichkeit mehr, etwas für die zu tun, die uns Freund geworden waren ... die geholfen hatten, unser Ganzes zu bewahren ...
Erneut öffnete sich die Tür unserer Bleibe, und dieses Mal vibrierten die energischen Schritte unserer bewaffneten Begleiter im Boden. Wir lösten den Kontakt und wandten uns ihnen zu; die Erd-Gesangshüterin erhob sich verschlafen vom Mitte-Lager. Einer der Jaridians nahm meine linke Flügelhand - Hitze ... Auch für ihn würden wir singen, wenn er es wünschte ... Er schaute mich überrascht an, wegen des Gedankeneindrucks seiner selbst in einem so intensiven Kontakt, und hätte darüber beinahe vergessen, wozu er hier war, bis einer seiner Stammesgenossen ihn anstieß. „Ihr müßt mitkommen”, sagte er, etwas verwirrt. „Die Beratung wird fortgesetzt.”

 

Ende von Kapitel 19

 

Zurück / Back

 

Zum Seitenanfang