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  „Aveenas Lied” von AlienVibe   (Emailadresse siehe Autorenseite)
Alle hier vorkommenden Personen gehören den jeweiligen Eigentümern. Bitte veröffentlichen Sie diese Geschichte nicht ohne vorheriges Einverständnis der Autorin.
 
Thema:  Körper, Geist und Energie / Ramaz' tödliches Erbe
Zeitpunkt:  weit vor Beginn der ersten Staffel
Charaktere:  Der auf dem Weg, die Gesangshütenden des Wasser- und des Erdvolks, Aveena, der Anführer Jaridias, dessen Stellvertreterin, der Verwalter Jaridias, der Sprecher, Ramaz (andere Atavi)
 

 

AVEENAS LIED

Kapitel 18

 

Wir hätten den Kontakt mit den Jaridians gern vertieft, aber jetzt war nicht die Zeit dafür ... Der Weg führte dieses Mal in einen anderen Teil des Gebäudes, den ich noch nicht kannte, zu einem Raum ganz oben. Einer unserer Begleiter öffnete die Tür, eintreten mußten wir allein, sie blieben als Wachen außen vor.
Der Raum war klein und überfüllt mit Geräten und holographischen Bildschirmen, auf denen sich die Darstellungen, Zahlen und Zeichen ständig veränderten. Auf zweien der Schirme liefen Aufzeichnungen von unserer Welt. In der Mitte gab es eine runde Fläche, um die vier Jaridians saßen, neben sich jeweils einen freien Sitz. Alle vier blickten uns erwartungsvoll an, eine davon eine weibliche Angehörige ihres Volkes.
Der Anführer erhob sich und bedeutete uns mit einer Geste, näher zu kommen. „Wir haben sehr viel zu besprechen”, meinte er. „Uns liegen die vollständigen Aufzeichnungen vor, die die Besatzung des Kreuzers, die Euch entdeckt hat, gemacht hat. Für eine wirkliche Zusammenarbeit genügt uns das nicht - für viele Dinge erwarten wir vertiefende Erklärungen von Euch. Wir drei ...” - er wies auf die weibliche Jaridian und den anderen seines Stammes - „...führen dieses Imperium und entscheiden zu seinem Wohl. Er ...” - damit war der Sprecher gemeint, der seine Ungeduld und Erwartung so gut verbarg, daß ich sie nur über den Boden spüren konnte - „... ist mit uns, weil er die meiste Erfahrung im Kontakt mit Euch hat.”
Er musterte uns vier, und sein Blick blieb an mir hängen. „Seine Idee war es auch, daß wir diese Beratung hier nach Eurer Art gestalten sollten - in Berührung miteinander; im Kontakt, wie Ihr es nennt ...” Seine straffe Haltung entspannte sich etwas, und er schaute erst den Sprecher an, dann mich. „Allerdings war es letztendlich nicht er, der mich überzeugt hat, daß das Sinn machen könnte, sondern Du ...Wenn Ihr einverstanden seid, setzt Euch zwischen uns, und wir können beginnen.”
Wir waren sehr überrascht. So viel Aufgeschlossenheit und Entgegenkommen hatten wir wirklich nicht erwartet ... Wir berührten einander kurz. „Wir sind einverstanden”, antwortete die Gesangshüterin derer im Dunklen. Der Anführer blickte den Hüter der Gesänge der Tiefen an. „Für Dich steht ein Behältnis mit Wasser bereit”, meinte er. „Melde Dich, wenn Du es benötigst ...” Er bedeutete uns, zwischen den Seinen Platz zu nehmen, der Feuervolk-Angehörige zwischen ihm und dem Sprecher, zwischen diesem und dem anderen Jaridian die Erdvolk-Gesangshüterin, zwischen ihn und die weibliche Führende den Wasser-Gesangshüter und zwischen sie und den Anführer sollte ich mich setzen - was mir nicht gelang. Dieser merkwürdige Sitz war anders als der, den ich in dem großen Versammlungsraum benutzt hatte ... er hatte eine zusätzliche Konstruktion an sich, die einem Jaridian oder der Gesangshüterin des Erdvolkes mehr Halt gab, aber ich bekam meine Flügel nicht mehr unter, ebenso wenig wie der aus den Tiefen seine riesigen Flossen ... Er und ich schauten einander ratlos an, während wir ungeschickt versuchten, zurecht zu kommen, anstatt den Beginn hier noch länger zu verzögern. Der Sprecher wirkte noch ungeduldiger als zuvor; in den Augen der weiblichen Jaridian stand Belustigung.
Es war die Hüterin der Gesänge derer im Dunklen, die schließlich meinte: „Bitte - wartet einen Augenblick ...” Sie streckte die Arme aus und hielt den beiden Jaridians neben sich je eine Hand hin und warf mir einen Blick zu, ich ließ den Sitz Sitz sein und tat es ihr gleich, ebenso wie der Gesangshüter der Wasser und der auf dem Weg. Die Jaridian wirkten etwas überrascht, dann nahm der Anführer entschlossen die Hand des Feuervolk-Angehörigen in seine Linke und meine Flügelhand in die Rechte. Ich spürte erneut die Wärme, die sich hinter seinem Auftreten verbarg ... und dann war eine neue Berührung da, heiß und hell und sehr kraftvoll, mit der gleichen Entschlossenheit wie die des Anführers und funkelnd vor Begeisterung, eine so ungewohnte neue Erfahrung machen zu dürfen - die weibliche Führerin, Stellvertreterin des Anführers, die Zweite des Imperiums, designierte Nachfolgerin dessen, der jetzt noch führte ... Sie fühlte sich an wie der Navigator, und mein Atem und Herzschlag beschleunigten sich deutlich in der Berührung mit ihr ...
Der dritte Jaridian nahm Hand und Flosse der Unseren, eine Präsenz von großer Ruhe und sehr scharfen Geistes, der alles wieder und wieder prüfte, geduldig und unbeirrbar ... Ihm unterstand unter anderem die gesamte Waffenproduktion des Imperiums.
Der Sprecher schloß den Kreis - und wir waren in Kontakt.
Das erste klare Bild, das ich in den mich plötzlich umflutenden Farben und Eindrücken wahrnahm, war eines von mir selbst, gesehen durch die Augen der Zweiten, bei dem Versuch, den Sitz zu benutzen - angespannt und verkrampft, den linken Flügel halb eingeknickt über die seltsame Konstruktion geklemmt und mit dem Gesichtsausdruck vollkommenen Nichtbegreifens - genau passend zu einem Geschöpf, das normalerweise in den Bäumen hockte und in seinem Leben noch nie ... ich konnte nicht anders, als meiner Belustigung laut Ausdruck zu verleihen - der Eindruck war aber auch zu absurd ... Die Zweite zuckte zusammen und ließ das Bild sofort verschwinden - sich über unsere technologische Unterentwickeltheit zu amüsieren, war kein sehr höflicher Anfang für ... das machte das Ganze aber nicht weniger komisch; ich gab den Eindruck noch einmal bewußt in den Kreis, verbunden mit einer Sequenz von Erinnerungen an meinen allerersten Shuttle-Flug, und dann gingen auch von dem Anführer grün-goldene Wellen der Belustigung aus ... Die Gesangshüterin derer im Dunklen ließ ein Mitte-Lager erscheinen, hoch aufgeschüttet aus dem Material, aus dem das in unserer Unterkunft bestand. „Dann wäre es wirklich ganz nach unserer Art gestaltet ...” „Das entspräche endgültig in keiner Weise mehr den Protokollen des Imperiums für derartige Zusammenkünfte.” Das war der Jaridian, der zwischen den Gesangshütenden von Erd- und Wasservolk saß. Der Anführer überlegte einen Augenblick lang, den Eindruck von uns allen auf einem Mitte-Lager prüfend. „Warum eigentlich nicht? Diese gesamte Situation hier entspricht in keiner Weise irgendwelchen Protokollen des Imperiums ...” Er ließ mich los und griff nach dem Kommunikationsgerät, das vor ihm auf der runden Fläche lag.

Kurze Zeit später waren diese und sämtliche Sitze verschwunden, und wir hockten in der selben Anordnung wie zuvor im Kreis auf einem Haufen der nachgiebigen Fetzen und Flocken, mit denen schon auf dem Kreuzer das dortige Mitte-Lager vergrößert worden war. Im Geist des Jaridian, der unter anderem die gesamte Waffenherstellung seines Reiches überwachte und als „Verwalter” bezeichnet wurde, sah ich zum ersten Mal bewußt, wozu sein Volk diese Art von Material überhaupt benötigte: es wurde in riesigen Mengen gebraucht, um zerbrechliche oder sonstwie leicht zu beschädigende Gegenstände sicher transportieren zu können ... Auch das hatte etwas Belustigendes, aber es erfüllte seinen Zweck und fühlte sich beinahe so angenehm an wie Ph´taal-Laub.
„Laßt uns jetzt beginnen”, beendete der Anführer unsere ungeordnete Verständigung über die Berührung,
verbunden mit klarem, rhythmisch pulsierendem Grün. Alle konzentrierten sich. Ich spürte, wie die Jaridians, mit Ausnahme des Sprechers, uns der Reihe nach prüften über den Kontakt, und öffnete meine Gedanken, so weit ich konnte.
Es dauerte eine Zeit lang, und es fühlte sich sehr unterschiedlich an. Der Anführer war rasch und zielstrebig, so wie beim ersten Mal auch. Der Verwalter untersuchte jeden Eindruck, den er in sich aufnahm, mehrmals und verglich ihn mit dem, was er zum gleichen Thema den Gedanken der anderen Gesangshütenden und dessen auf dem Weg entnommen hatte - was Fakten betraf, nach denen er vor allem suchte, insbesondere über klingenden Fels und über die Funktionsweise des Schildes, fand er bei uns Vieren keine Unterschiede bis auf die, die sich aus unserer unterschiedlichen Wahrnehmungsweise ergaben. Und dafür stufte er uns auf seiner persönlichen Rang- und Werteliste sofort wesentlich höher ein, als er es vor dem Kontakt getan hatte. „Sie scheinen verläßlich, sie haben eine Art Ehre und ihr Denken besteht nicht nur aus Illusionen”, ließ er den Anführer wissen - es war ihm noch nicht klar, daß man in einem Kontaktkreis nie zu einem der Beteiligten allein singt - „ihre Art der Perzeption habe ich noch nicht ganz verstanden, aber zumindest ihre Zusage bezüglich Rohstofflieferungen ist solide, und dieser neuartige Schild funktioniert.” „Ihre Art der Perzeption teilen sie gerade mit uns”, meinte der Anführer trocken, „und Du müßtest von Deiner Begegnung mit den Elarian noch wissen, daß in telepathischer oder empathischer Kommunikation - so wie mit ihnen oder jetzt mit diesen hier - absichtliche Unwahrheit oder bewußtes Verbergen von Dingen nicht möglich ist.” Der Verwalter blickte uns der Reihe nach an, als ihm klar wurde, daß wir auch dies mit ihm geteilt hatten, und öffnete uns dann seine Gedanken.
Nein, er hatte bisher keine hohe Meinung gehabt von uns ... Zu seinen Aufgaben - und ausgeprägten Fähigkeiten - gehörte es, große Zusammenhänge bis ins Detail zu planen und Unmengen an Fakten gleichzeitig im Kopf zu behalten, und von denen, die ihm untergeben waren, verlangte er das Gleiche. Bis zu diesem Kontakt waren wir bedeutungslos gewesen für ihn, hoffnungslos unterentwickelt durch eigenes Verschulden, da wir, anstatt die Dinge voran zu treiben, nur desorganisiert und verträumt vor uns hin existierten ... die Tatsache, daß es uns gelungen war, die Taelons von unserer Welt zu vertreiben, hatte er mangels Aufzeichnungen darüber schlicht nicht geglaubt. Den Schild hatten überwiegend die Seinen entwickelt, und die enorme Schadensresistenz desselben war ein glücklicher Zufall ... „Es tut mir leid”, meinte er. „Jetzt sehe ich etwas mehr von dem, was Ihr in Wahrheit seit ...”
Dann war die helle, funkelnde Berührung der Zweiten in meinem Geist, rasch und behutsam zugleich. „Ihr habt unseretwegen auf Eure Nachkommen verzichtet?” Sie hatte meine Erinnerung an die Zeit unmittelbar vor dem Abflug berührt. „Was muß Euch das gekostet haben ...”
Ich ließ ihr zufließen, wie ich die Ihren auf unserer Welt erlebt hatte, was sie für uns getan hatten, wie sie sich um die Zhawi bemüht hatten ... und was ich für sie empfand, wie wichtig ihre Zukunft für uns geworden war, weil sie uns Freund geworden waren. Die anderen schlossen sich dem an, und die Zweite reagierte mit Wärme und Bewegtheit ... und trotzdem zunächst mit Abwehr, als sie die Gedankenbilder bezüglich der Notwendigkeit von Einigung mit den Taelons wahrnahm - das vielfarbige Geflecht und die Menschen um das Feuer unter freiem Himmel ... über die Menschen wunderte sie sich genau so wie damals der Sprecher, und das nahm der Anführer zum Anlaß, das Thema Taelons und unsere nicht nur in seinen Augen ungewöhnlichen Ideen dazu ins Zentrum der Aufmerksamkeit des Kreises zu rücken. „An diesem Punkt können wir mit den Aufzeichnungen, die darüber existieren, überhaupt nichts anfangen”, meinte er, „und das, was er ...” - er wies über die Berührung auf den Sprecher - „und die anderen, die von der Besatzung dabei waren, davon berichten, klingt, höflich ausgedrückt, wie etwas, das Ihr vielleicht Euren Nichtflüggen vorsingen könnt, damit sie besser schlafen, aber nicht nach einer ehrenvollen Lösung unseres Konfliktes mit den Taelons oder nach etwas, das unser Volk bewahren hilft ... für uns hört sich das an, als ob Ihr glaubt, wir würden nur überleben, indem wir uns den Taelons ergeben. Ihr müßtet uns aber zumindest so gut kennen, daß Ihr wißt, daß diese Option für uns niemals in Frage kommt!”
Der auf dem Weg intensivierte den Kontakt mit dem Anführer, indem er dessen Hand los ließ HimmH
und ihm statt dessen den Arm um die Schultern legte, und bedeutete mir, das Gleiche zu tun. Ich hüllte den Ersten in meinen linken Flügel, die Flügelhand auf den Arm des Feuervolk-Angehörigen gelegt.
Unserem Impuls folgend, rückten alle im Kreis eng zusammen.
„Hört mich an”, sagte der aus den Feuern. „Es geht nicht darum, daß Ihr Euch den Taelons ergebt. Es geht um etwas ganz anderes.”
Der Raum um uns schien sich mit einem Mal zu weiten, die Geräte und Hologramme waren außer Sicht. Der Feuervolk-Angehörige hatte die Augen geschlossen und langsam und tief zu atmen begonnen, der Hüter der Gesänge derer in den Tiefen hatte die Zwischenlider geöffnet. Der Sprecher strahlte Erwartung aus, die anderen Jaridians Verunsicherung.
Als der auf dem Weg die Augen wieder öffnete, nahm ich ihn über die Berührung völlig verändert wahr - ohne daß ich hätte sagen können, wann und wie sich diese Veränderung vollzogen hatte. Kraft ging von ihm aus, er wirkte größer als zuvor und seine Gesichtszüge schärfer und deutlicher. Er fühlte sich an, als habe er sich innerlich genau so geweitet wie der Raum.
Die Verunsicherung der Jaridians war in etwas anderes umgeschlagen - in etwas wie Ehrfurcht, und sogar der Sprecher blickte den auf dem Weg fast erschrocken an ... Da saß, lebendig und leibhaftig, einer ihrer Urahnen - das, was die Ihren vor unvorstellbarer Zeit einmal gewesen waren, ein Geschöpf aus den ältesten, fast vergessenen Legenden ...
Atavus.

Die Kraft, die er ausstrahlte, pulsierte durch den Kreis und verstärkte die meine, und auch ich wurde innerlich weit ... Dieser Kontakt war einer der intensivsten, die ich bisher erlebt hatte, ich brannte beinahe vor Aufregung wie die Zweite, ich bemühte mich, mich nicht zu wehren gegen das, was geschah wie der Verwalter, ich versuchte die Gesamtsituation zugleich mit allen Sinnen zu erfassen und zu analysieren wie der Anführer ... Die Gesangshütenden von Wasser- und Erdvolk waren in den langsamen, kraftvollen Atemrhythmus gegangen, der uns schon beim Rathalten mit den Jaridians auf unserer Welt getragen hatte, und summten in diesem Rhythmus die Eigenfrequenzen ihrer Völker. Ich schloß mich dem an, und nicht nur mein Pulsschlag wurde ruhiger dadurch, sondern auch der der Zweiten, um die ich den rechten Flügel gelegt hatte. Der Sprecher summte eine der Frequenzen Jaridias, das tiefe Grün, bedeutete den anderen, es ihm gleich zu tun, und diese stimmten ein. Alle vier Jaridians waren vollkommen fasziniert von dem aus den Feuern, und als dieser die Stimme über die unseren erhob, war jegliche Abwehr der Erwartung gewichen.
„Wir müssen uns erinnern ... erinnern, um zu verstehen ...” Er sah den Sprecher und mich an. „Singt für uns, wie Ihr gesungen habt in der Vergangenheit ... Singt von der Vergangenheit ... singt uns vom Anfang ... vom Anbeginn der Meinen ...”
Die Erd-Gesangshüterin löste sich halb aus dem Kontakt, um in ihr Bündel zu greifen, das sie vor sich liegen hatte. Sie entnahm ihm den kleinen blauen Stein und legte ihn zwischen sich und den Verwalter, so daß er sie beide berührte.
Das Shaqarava des Verwalters aktivierte sich - er unterdrückte es sofort. Die Gesangshüterin derer im Dunklen legte den Arm fest um ihn, und dann war aller Aufmerksamkeit auf den Sprecher und mich gerichtet ... Wir schauten einander an. Das Lied vom Anfang der Seinen ... Ich holte Atem, spannte Stimmbänder und Resonanzsehnen und begann zu singen, und der Sprecher schloß sich an ... und als eine dritte Stimme dazu kam, die des Atavus hier im Raum, saßen wir plötzlich nicht mehr auf dem Mitte-Lager.

Der auf dem Weg, die vier Jaridians und wir Gesangshütenden waren mit dem Atavus-Stamm, den ich aus der Arbeit mit dem Sprecher kannte, draußen in der Dunkelheit und beobachteten den fallenden Stern. Die drei Führenden erkannten das Vorzeichen sofort ... Wieder senkte es sich herab und zerbarst in Myriaden von Funken, von denen etliche der Atavus-Wesen getroffen wurden. Und wieder bohrte sich einer der blauen Splitter in mein Brustfell.
Es kostete mich fast meine ganze Kraft, bei den anderen zu bleiben, anstatt schreiend in die Dunkelheit zu fliehen. Ich wußte, was geschehen würde ... ich würde irgendwann ein hilfloses Wesen einfach im Stich lassen ... anderes als wir ist ohne Wert ... Der aus den Feuern war da und nahm mich in festen Halt. „Aveena, Du mußt das jetzt tragen ... Halte es in Dir und laß geschehen, was geschieht, damit das, was wir tun müssen, gelingen kann ...” Ich hatte angefangen zu zittern. „Bitte ... bitte laßt nicht zu, daß ich jemanden verletze ... Wenn es für das Ganze ist, wehre ich mich nicht ... aber bitte, laßt mich niemanden verletzen ...” „Laß geschehen, was geschieht”, wiederholte er sanft.
Die Gesangshüterin derer im Dunklen berührte mich und hüllte mich in tiefes warmes Rot, und der aus den Tiefen legte mir eine Flossenspitze auf den Rücken. „Wir sind da”, ließen mir beide zufließen, und das Zittern ließ nach ...
Der auf dem Weg ließ mich los. Die Jaridians hatten uns aufmerksam beobachtet. Die Zweite schaute mich neugierig an, streckte eine Hand aus und berührte den Blutstropfen auf meinem Brustfell - und ihre Augen wurden weit. „Taelon ...” sagte sie, mit Abscheu in der Stimme, und zog die Hand zurück.
Sie hatte die winzige Einheit in mir gespürt, die die Komplexschwingung war - und die bereits zu wachsen begonnen hatte ...
Hell- und Dunkelphasen vergingen, und der Atavus-Stamm hatte sich geteilt - in vom gefallenen Stern Gezeichnete und Nichtgezeichnete ... die Gezeichneten hatten sich von den anderen abgewandt, dem nachgehend, was da neu in ihnen sang mit tausenden und tausenden von Stimmen ... auch ich nahm zwischendurch die Meinen nicht mehr wahr, zurückgezogen in die riesige blaue Höhle, eine Stimme in dem machtvollen Gesang ... Die Jaridians hielten Abstand zu mir, sogar der Sprecher, während wir Zeugen dessen waren, was geschah ...
Die Gezeichneten zog es zueinander.
Schließlich hatten alle Gezeichneten der Stämme der Umgebung sich hier in der Nähe des Hügels zusammengefunden. Sie vertrieben die Nichtgezeichneten des hier ansässigen Stammes, rissen deren Behausungen ab und begannen damit, neue zu bauen, sehr viel größere ... Und einer der Ihren sprach nur noch von dem Wort „Leben” und dessen vielfältigen und widersprüchlichen Bedeutungen, die er der Komplexschwingung entnahm ... ein hochgewachsener Atavus mit kalten blauen Augen ...
Ramaz.
Er sprach zu den Seinen, die ihm gebannt folgten. Er sprach von Leben und Ewigkeit, vom Überdauern von Ewigkeiten, von Leben ohne Abschied und Wiederkehr ... er sprach von Verwandlung, von Verwandlung in etwas, das sich dann nie wieder wandeln würde ... von der Vergänglichkeit des Körperlichen und der Ewigkeit reinen Geistes ...
Und er gewann eine riesige Anhängerschaft. Es gab nur wenige Gezeichnete, die dem, was er lehrte, nicht folgten - Ewigkeiten überdauern mochte erstrebenswert sein, aber dafür aufzugeben, was das physische Dasein an Annehmlichkeiten bot, waren sie nicht bereit ... Ramaz versprach den Seinen, Wege zu finden, ihnen ewiges Leben zu gewähren, und begann zu experimentieren, angeleitet von dem, was ihn die Komplexschwingung lehrte.
Er fand heraus, daß es Möglichkeiten gab, anderen Wesen Lebensenergie zu entziehen und der eigenen hinzu zu fügen, wodurch man selbst stärker und gesünder wurde. Er war der erste, der den eigenen Körper so veränderte, daß er in der Lage war, einem anderen Wesen direkt die Energie zu nehmen, und der anschließend jeden der Seinen, der dies wünschte, auf die gleiche Weise verwandelte ... Mit Begeisterung unterzogen sich dem auch die, die nicht vor hatten, ihre Körperlichkeit aufzugeben - und es stellte sich heraus, daß ihre Lebensspanne sich dadurch bereits deutlich verlängerte, wenn auch nur um etwa einhundertfünfzig ihrer Umlaufzyklen. Regelmäßiges Sich-Aneignen der Energie anderer dehnte die Grenzen des Erreichbaren immer mehr.
Das war noch nicht das, was Ramaz zum Ziel hatte ...
Wir wandelten zwischen den Seinen, unbeachtet, weil der aus den Feuern den Raum um uns hielt, und erlebten einen Besessenen am Werk, der mit allen Mitteln den Zugriff auf die unvorstellbare Menge an Lebensenergie um sich herum erzwingen wollte. Und dem es schließlich gelang.
Die Komplexschwingung, die sich mit dem Sein der Gezeichneten untrennbar verwoben hatte und von der jedes gezeichnete Atavus-Wesen winzige Einheiten an seine Nachkommen weiter gab, die somit schon eins mit ihr ihr Leben begannen, hatte zu unglaublich rascher technologischer Entwicklung geführt. Vermittels entsprechender Vorrichtungen gelang der Entzug von Energie aus allen Arten von Lebewesen, von denen die Meistversprechenden inzwischen in Mengen gehalten und auf möglichst hohe Energieausbeute gezüchtet wurden, immer effektiver. Und schließlich fand Ramaz den Weg, endlich die Quelle anzuzapfen, die ihm bot, was ihm vorschwebte - die Lebensenergie der Welt, die ihn und die Seinen trug ...
Beleuchtete Höhlen waren in den Grund gegraben worden, unterirdische Gebäude ... und in einem solchen, einem umfangreichen Komplex, befanden wir uns jetzt ... und schauten auf ein sehr großes, ungewöhnlich geformtes Gebilde aus einem Material, dessen Farben zwischen Blau-, Violett- und Rosa-Tönen zu wechseln schienen, eine gleichzeitig mächtige und filigrane Struktur, die mit riesigen, in den Boden eingelassenen Behältnissen verbunden war, über denen sich transparente Deckel wölbten. Sie schien zu pulsieren, als sei sie lebendig ... Ich trat darauf zu, um sie zu berühren und zu verstehen, aber der aus den Feuern legte mir die Hände auf die Schultern „Nein ...”
Nach einer Weile erschien Ramaz, der das Gebilde prüfend betrachtete, den Blick zu den leeren Behältern wandern ließ - und schließlich etwas mit der Struktur tat.
Deren Pulsieren nahm an Intensität zu, ebenso wie der Farbwechsel. Der Boden begann zu vibrieren. Schließlich schien die Struktur sich wechselnd rhythmisch auszudehnen und wieder zusammen zu ziehen, und trotz der Feinheit des Gebildes war diese Bewegung unglaublich kraftvoll ... Als das erste der Behältnisse begann, sich mit einer Art schillernder bräunlicher Flüssigkeit zu füllen, lag auf Ramaz´ Gesicht ein Ausdruck tiefster Befriedigung.
Die vieltausenden Stimmen in mir sangen im Rhythmus der arbeitenden Struktur, mir war entsetzlich kalt und meine Beine zitterten so sehr, daß ich nicht mehr lange würde stehen können ... Für einen Moment sah ich mich selbst, gespiegelt im entsetzten Blick des Anführers, und hätte beinahe geschrien - in meinen Augen pulsierte das gleiche Blau wie in denen von Ramaz, im selben Rhythmus wie die Stimmen.
Der Anführer hatte die rechte Hand gegen mich erhoben, mit aktiviertem Shaqarava, und ich breitete die Flügel aus und stolperte auf ihn zu ... jemand mußte ein Ende setzen, bevor ...
„Nein!” Die Stimme dessen aus den Feuern hallte in dem riesigen Raum. Ich wandte mich zu ihm um, nahm ihn wahr durch einen zartblauen Schleier hindurch. „Du mußt es tragen bis zum Schluß ... für das Ganze ...” Ich rang um Atem und schlang die Flügel um mich, erinnerte mich, daß er mir dies schon einmal gesagt hatte, als mich der Splitter traf ... wie konnte das Schreckliche, das ich geworden war, etwas für das Ganze sein? Ich war fast wie Ramaz ... „Das ist Dein Weg .. Dein Weg für das Ganze ...”
Ich verstand es nicht, aber ich wußte noch ... wußte noch, daß der auf dem Weg die Muster der Ordnung kannte ... Es gelang mir, die Stimmen zurück zu drängen, mich aufzurichten und den Anführer anzuschauen. Er atmete tief aus und deaktivierte die Energie in seinen Händen. „Es tut mir leid”, sagten wir, gleichzeitig.
Der aus den Feuern vollführte eine Geste und sang ein merkwürdiges Wort, in dem die gleiche Kraft schwang, die er ausstrahlte. Im nächsten Moment befanden wir uns nicht mehr in dem unterirdischen Gebäude, sondern wieder im Freien. Es war offenbar Zeit vergangen. Die Sonne stand am Himmel, und es bot sich uns ein erschreckender Anblick.

Wir waren jenseits des Hügels, hinter dem die Gezeichneten ihre Bauten errichtet hatten. Die Landschaft sah beinahe aus wie verbrannt. Nur wenige struppige Sträucher und einzelne Bäume trugen noch Laub, es gab vereinzelte Inseln aus Grün in all dem vertrockneten Braun und Schwarz ... überall lagen tote Geschöpfe, große und kleine, geflügelte und bepelzte, in verschiedenen Stadien der Auflösung. Auch die Wesen, die in dem kleinen Fluß trieben, den wir durchquerten, lebten nicht mehr ... Und schließlich stießen wir auf einen toten Atavus. Einen Nichtgezeichneten.
Ich kämpfte verzweifelt gegen die triumphierenden Stimmen in mir, die sangen: „Keinen Wert ... Anderes als wir ist ohne Wert ...” Der Nichtgezeichnete war alt gewesen, als er starb, aber warum lag er hier, und niemand kümmerte sich um ihn?
Der Feuervolk-Angehörige ging voraus, wir folgten ihm, die Jaridian stumm vor Entsetzen. Wir kamen zu einer Gruppe Behausungen, zwischen denen Atavus-Wesen am Boden lagen, diesmal umringt von Ihresgleichen. Verzweiflung lag wie drückender Nebel über der Siedlung.
Keines der Atavus-Wesen war gezeichnet. Und keines der Überlebenden hatte bisher mehr als ein Drittel seiner eigentlich zu erwartenden Lebensspanne hinter sich gebracht.
Die ungeheure Anlage der Gezeichneten hatte ihre Arbeit gründlich erledigt - zwei Drittel der gesamten Lebensenergie die auf dieser Welt zur Verfügung stand, hatte sie dem Ganzen, das der Planet und die, die er trug, bildeten, entzogen und in den riesigen Behältnissen, die wir gesehen hatten, untergebracht, so extrem verdichtet, daß noch viel mehr davon Platz hatte ... mehr gab das System allerdings nicht her,
ohne endgültig zu kollabieren, und das Risiko war den Gezeichneten noch zu groß.
Geste und Gesang dessen auf dem Weg versetzten uns erneut in die Höhle, in der sich die Anlage und der unvorstellbare Energievorrat befanden. Wieder war Zeit vergangen, und Ramaz und die Seinen hatten einen Weg gefunden, diesen Vorrat auf eine Menge aufzustocken, die ihr gesamtes Volk, selbst wenn es sich über den gesamten Planeten ausbreiten würde, in einer nicht mehr faßbaren Zahl von Umlaufzyklen nicht aufbrauchen konnte ... Von der energetischen Struktur der Komplexschwingung hatten sie eine Art materieller Kopie angefertigt, ein unvorstellbar kompliziertes Gebilde, das auf die gewonnene Energie wie eine Art Entzerrer oder Aufschlüsselungsvorrichtung wirkte. Die gesamte Anlage war umgebaut worden, so daß aus einem einzigen Sammelbehältnis die bräunliche Flüssigkeit, zu der unter extremer Kompression die dem Planeten abgezogene Energie geworden war, durch die „Komplexmatrix”, die materielle Entsprechung der Komplexschwingung, hindurch gepumpt wurde - in ein zweites Sammel- und Kompressionsbehältnis, das sich mit einer sehr viel weniger dicht wirkenden Flüssigkeit füllte, die in der Farbe der Sternensplitter leuchtete ...
Die Energie, aus der Taelons bestanden.
Die Energie, die ich in mir trug ...
Die Nichtgezeichneten hatten nicht verstanden, was da über sie hereingebrochen war, sie hielten es für eine rätselhafte Naturkatastrophe, wunderten sich jedoch, warum diese nur die Ihren getroffen hatte. Ramaz und die Seinen nahmen in regelmäßigen Abständen genau bemessene Dosen der neu gewonnenen Energie in sich auf, indem sie sich auf dafür hergestellte Vorrichtungen legten, in einen abwesenden Zustand verfielen, innerhalb dessen sie sich mit der Komplexschwingung befaßten, während die Vorrichtung sie mit Energie überschüttete ...
Auch die Atavus-Wesen wurden ursprünglich sehr alt. Von den Nichtgezeichneten wurde ab jetzt niemand mehr älter als höchstens achtzig ihrer Umlaufzyklen. Die Lebensspanne der Gezeichneten hatte sich bereits verzehnfacht. Myriaden der Ihren würden in Myriaden Umlaufzyklen die angehäufte Energie nicht verbrauchen können ... Ramaz hatte ihnen offenbar tatsächlich die Ewigkeit geschenkt ...
Und es genügte ihnen nicht.
Die Lebensbereiche der Ihren und der Anderen hatten sich inzwischen vollkommen getrennt. Es gab nur noch selten Kontakte zwischen den beiden Völkern dieser Welt, die sich mittlerweile auch in ihrem Äußeren sehr unterschieden. Die Gezeichneten hatten die Anderen aus allen Gebieten vertrieben, die ihnen selbst erstrebenswert erschienen. Die Nichtgezeichneten hatten gelernt, sich unter schwierigen Bedingungen zu behaupten, und ihr Volk gedieh - sie vermehrten sich wesentlich schneller und reichlicher als früher, als ob etwas in ihnen die verlorene Lebenszeit dadurch ausgleichen wollte ... Und jede Generation war stärker und widerstandsfähiger als die vorherige, und sie wurden den Jaridians, wie ich sie kannte, immer ähnlicher.
Den Gezeichneten wurden sie zu einem Dorn im Auge. Da diese Anderen ihrem Streben inzwischen nicht nur unbeteiligt, sondern ablehnend gegenüber standen, begannen sie sie als primitiv und unnütz zu verachten - und beschlossen irgendwann, sich ihrer zu entledigen. Primitive Wesen, in ihren Körpern verankert, starben, wenn diese Körper aufhörten zu existieren, sie starben am Alter, an Unfällen, an Krankheiten - von denen die unangenehmsten den Organismus des befallenen Geschöpfes bereits zu dessen Lebzeiten zu zersetzen begannen ... und Ramaz verfiel auf eine geniale Idee, wie die Seinen die Anderen innerhalb weniger Umlaufzyklen los werden konnten.
Er experimentierte eine Zeit lang mit gezüchteten organischen Strukturen, gefangen genommenen Nichtgezeichneten und Bruchstücken der Komplexschwingung, bis er das geschaffen hatte, dem die Jaridians ihren Stoffwechseldefekt, der die Leben der Ihren von Generation zu Generation weiter verkürzte, verdankten. Eine Art winziges Geschöpf, dessen Kernstruktur aus dem Komplexschwingungsbruchstück und dem zusätzlichen Strang bestand, der für das Bruchstück sang ... das fähig war, in die Zellen anderer Wesen einzudringen und die Ordnung darin zu zerstören ... was deren Stoffwechsel entgleisen und sie schließlich von innen heraus verbrennen ließ ... Unvorstellbare Mengen dieser Geschöpfe wurden von Ramaz´ Anhängern über ihrem Planeten ausgebracht, über die Wälder, in die Wasser, in die Luft ... Die Gezeichneten waren durch die vollständige Komplexschwingung in ihrem Inneren geschützt.

Wann immer ich nicht mit derselben in mir beschäftigt war, fühlte ich mich elend und krank und abscheulich ... wie damals hatte ich aufgehört, Nahrung zu mir zu nehmen, ich hielt mich von den Jaridians fern und konnte sie nicht einmal mehr ansehen. Ich spürte ihr tiefes Mißtrauen mir gegenüber und empfand ihre ablehnende Haltung als vollkommen berechtigt - ich war zwar hier nicht konkret Handelnde, aber die Stimmen in mir sangen das Lied ihrer Vernichtung ... Ich war kaum mehr in der Lage, die Meinen im Kontakt überhaupt noch zu spüren ... Ich hockte irgendwann da, die Flügel um mich geschlungen und zitternd die Szenen um uns beobachtend, die es anzuschauen galt; die Erd-Gesangshüterin hatte den aus den Feuern beim Arm genommen und sagte leise: „Das hier darf nicht mehr lange dauern ...” Er antwortete: „Es ist bald vorbei ...”, und das gab mir Halt ...
Für das Ganze ...

Dieses Mal ging Ramaz` Rechnung nicht auf - zumindest nicht so, wie er es gewünscht hatte. Die Zähigkeit und Resistenz, die die Nichtgezeichneten inzwischen über Generationen erworben hatten, verhinderte, daß sie, wie geplant, in kürzester Zeit durch die künstlich erschaffenen Bruchstück-Wesen vernichtet wurden. Der größere Teil ihres Volkes infizierte sich damit wie mit einer Krankheit - aber ihre Körper schlossen die winzigen Auslöser in sich ein und hielten sie unter Verschluß, im Innersten einer jeden Zelle ... Einige erkrankten und starben früher, als sie sonst gestorben wären. Andere blieben gesund. Alle Infizierten gaben die Krankheit an ihre Nachkommen weiter.
Das Aussterben der Jaridians hatte begonnen. Sehr, sehr langsam. Und - noch - von diesen un-
bemerkt.
Gesten und Gesang dessen auf dem Weg brachten uns nicht nur von Ort zu Ort, sondern auch vorwärts durch unnennbare Zeiträume. Das Zeichen war gefallen, die Kimera mischten sich unter die beiden mittlerweile völlig unterschiedlichenVölker und brachten das Shaqarava. Die Jaridians nahmen dieses Geschenk an und wurden damit endgültig zu dem, was sie heute waren. Die Taelons formten das Gemeinwesen und stießen dadurch die Jaridians endgültig fort. Und das, was der Planet zu geben hatte, wurde plötzlich knapp ...
Der Krieg brach aus, die Kimera auf dem Planeten wurden vernichtet und schließlich der Planet selbst. Die Jaridians hatten eine neue Heimatwelt gefunden, die Taelons gründeten Kolonien im All und waren mit riesigen Flotten unterwegs, und das Entsetzen des Krieges breitete sich über die Galaxis aus ...

Vor dem Abgrund aus Leere und Verzweiflung, der sich in mir aufgetan hatte, floh ich in den Gesang der Komplexschwingung, der sich auf merkwürdige Weise verändert hatte - die Harmonie darin war nach wie vor unbeschreiblich, aber es war, als sei etwas Wesentliches daraus verschwunden ... es war kälter als je zuvor in all dem Blau, und es war so eng in mir, daß ich kaum atmen konnte, trotzdem klammerte ich mich mit der Kraft, die mir geblieben war, an diesem gewaltigen statischen Klang fest. Wenn ich mich in diesen Gesang hüllte, konnte mir der Abgrund nichts anhaben ...
Irgendwo waren alle anderen, spüren konnte ich nur den auf dem Weg, dessen kraftvolle Worte das Blau um mich durchdrangen ... es gab einen zwingenden Schub vorwärts, dem sich zu entziehen unmöglich war; es ging vorwärts und aufwärts durch strudelnden, glitzernden Nebel, schwindelerregend ...
Und wir befanden uns alle gemeinsam wieder in dem weiten Raum, von dem aus wir diese Reise begonnen hatten. Wir standen im Kreis, in Kontakt.
Der Abgrund klaffte in mir, es war nicht einmal mehr Abscheu oder Schmerz, es war nur unendliche Dunkelheit und Leere ... ließe ich das Blau los, würde ich da hinein fallen und für immer darin verloren sein ...
Vage nahm ich die anderen wahr über die Berührung, die Entschlossenheit dessen aus den Feuern, die Energien der Gesangshütenden des Erd- und Feuervolkes, die zutiefst von widersprüchlichen Gefühlen bewegten Jaridian ...
Der auf dem Weg löste sich aus dem Kreis und stand vor mir. Die Erd-Gesangshüterin und der Gesangshüter derer aus den Tiefen ließen mich los und traten beiseite. Sie und die Jaridians formten einen Kreis um uns.
Der aus den Feuern schaute mich an und hielt mir die Hände hin, mit nach oben geöffneten Handflächen. „Du hast es getragen, aber es gehört zu mir,” sagte er. „Du mußt es zurückgeben ...”
Ich verlor beinahe den Boden unter den Füßen. Die Taelon-Energie, die ich in mir trug, weggeben? Den einzigen Halt, der mir noch blieb, nachdem sie mir alles genommen hatte, das mir je etwas bedeutete - die Meinen, unsere Welt, die Jaridians? Ließe ich das Blau in mir los, wäre ich für immer verloren ... allein im Dunklen ...
Eine sehr warme Berührung an meinen Schultern - die Zweite, die mich stützte, weil ich zu fallen drohte. Und die wahrnahm, was in mir war ... „Oh nein ... ich habe nicht gewußt, daß es so ist ...” Der auf dem Weg wies sie an, mich los zu lassen, was sie widerwillig tat. Dann forderte er mich sanft auf, meine Flügelhände auf seine Handflächen zu legen, und ich folgte dem, innerlich fest an das rettende Blau geklammert, das alles darstellte, vor dem ich mich bis ins Innerste fürchtete, und das der einzige Halt gegen den Abgrund war ...
„Aveena, laß los. Das gehört zu mir - und Du darfst es nicht länger tragen ... Du mußt es zurückgeben, um des Ganzen willen ...”
Um des Ganzen willen - dem ich verloren ginge, würde ich meinen Griff jetzt lösen ...
Für das Ganze ... dessen winziger Teil ich war, so, wie die Meinen, so, wie die, die uns trug, so wie die Jaridian ...
Für das Ganze.
Für die Meinen.
Für die, die uns trug.
Für die Jaridians.
Für alles, was mir wirklich etwas bedeutete ...
Ich ließ los.

Und ich fiel, fiel in die Dunkelheit ...
Alles Blau, das mich bewohnt hatte, strömte durch meine Flügelhände aus meinem Körper heraus und floß in die Hände dessen auf dem Weg.
Ich fiel und fiel.
Und dann brach sich aus der Schwärze heraus etwas Bahn, das ich eine unvorstellbare Zeit lang nicht mehr gefühlt hatte - die Energie meines Volkes, die Kraft derer, die der Wind trägt ... meine Reflexe hatten endlich auf all die Not hier reagiert, und sonnenhelle Wärme stieg in mir auf und füllte die Leere ...
Ich fand mich auf dem Boden wieder, eingehüllt in Wärme, Farben und Berührung; ich spürte die Arme der Erd-Gesangshüterin um mich und die Flossen des Hüters der Gesänge der Tiefen, die warmen Hände der Zweiten und die Berührung des Sprechers, den Verwalter, der sein Shaqarava aktiviert hatte, um meine Energie zu stützen ...
Sie halfen mir auf die Füße, als ich wieder in der Lage war, zu stehen. Das hier war noch nicht zu En-
de ...
Nichts von dem Blau war mehr in mir. Eine aus dem Volk, das der Wind trägt, mit einer Wurzel bei denen im Dunklen - nicht mehr und nicht weniger ... eine, die Arbeit zu tun hatte für das Ganze ... Ich wandte mich dem aus den Feuern wieder zu, der die ganze Zeit still und konzentriert geblieben war - und den ich beinahe nicht wiedererkannte. Das vielfältige Blau der Komplexschwingung, das ihn jetzt bewohnte, hatte sein Äußeres völlig verändert. Seine kraftvolle Gestalt erschien viel schlanker, seine typischen Gesichtszüge wie geglättet, und er erwiderte meinen Blick nicht mehr aus dunklen Augen ...
Vor langer, langer Zeit hatte ich ihn so gesehen - nur daß er damals voller Angst war statt klar und zentriert.
Vor mir stand - ein Taelon.

 

Ende von Kapitel 18

 

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