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  „Aveenas Lied” von AlienVibe   (Emailadresse siehe Autorenseite)
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Thema:  Vom Umgang mit Befehlen / Was vorzeitig ausbrennen läßt
Zeitpunkt:  weit vor Beginn der ersten Staffel
Charaktere:  die Gesangshütenden des Erd- und des Wasservolkes, der auf dem Weg, Aveena, der Sprecher und der Navigator der Jaridians (Ramaz, weitere Jaridians)
 

 

AVEENAS LIED

Kapitel 17

 

Kurze Zeit später waren wir wieder in unserem Quartier, und ich teilte die Begegnung mit dem Anführer mit den anderen. Die Gesangshüterin derer im Dunklen war beeindruckt, daß sich die Jaridians an ihre Worte erinnerten. Der Wasser-Gesangshüter und der auf dem Weg betrachteten die Persönlichkeit des Ersten Jaridias, so wie ich sie wahrgenommen hatte, von allen Seiten. „Er ist der Stärkste unter den Seinen,” stellte der aus den Tiefen fest. „Er ist ein Krieger,” meinte der Feuervolk-Angehörige, und mir wurde klar, daß er der einzige unter uns war, der wirklich verstanden hatte, was das hieß. „Er dient seinem Volk - von ganzem Herzen”, sagte die Erd-Gesangshüterin, und auch das war Wahrheit ...
Irgendwann danach begab sich der Hüter der Wasser-Gesänge in sein Element, der auf dem Weg hatte sich auf das Mitte-Lager gesetzt, das wir an der durchsichtigen Trennwand aufgeschichtet hatten, und war mit geschlossenen Augen in den Zustand der Konzentration versunken, in dem er oft die Feuer befragte, und ich wanderte in unserer Bleibe herum, sie das erste Mal richtig untersuchend - dazu war bisher noch keine Gelegenheit gewesen. Hier gab es mehr in den Wänden als nur die Tür und den Nahrungsspender, seltsam geformte, durchsichtige Gebilde, wie ich sie ähnlich vor langer Zeit schon einmal gesehen hatte - in der Behausung, die die Taelons auf unserer Welt hatten wachsen lassen ... Man konnte durch diese Gebilde auf das schauen, was außerhalb des Gebäudes lag ...
Fenster.
Man nannte sie Fenster.
Sie waren groß genug, daß ich hindurch passen würde, wenn ich mich klein machte ...
Ich schaute hinaus in das Dunkle, in den sternfunkelnden Himmel, auf den riesigen Schatten des nächsten Gebäudes, ins Freie ...
Plötzlich war der Wunsch, wieder fliegen zu können, so stark, daß es weh tat. Ich drückte mit den Flügelhänden gegen das unnachgiebige Material, aus dem das Fenster bestand, und mußte mich zusammen nehmen, es nicht zerschlagen zu wollen ...
Türen konnte man öffnen. Was war hier mit?
Ich schaute genau hin - und entdeckte neben dem Fenster untereinander angeordnete Tasten, wie neben der Tür, nur kleiner. Die erste, auf die ich eine Kralle legte, sorgte dafür, daß sich die Platte aus durchsichtigem Werkstoff ein Stück von der Wand abhob und sich schräg stellte - oben war ein Spalt entstanden, der kalte Luft hereinströmen ließ. Der fremdartige Geruch, den sie mit sich brachte, ließ mich beinahe verzweifeln - keinen Augenblick länger würde ich es still in einem geschlossenen Raum aushalten ... auf dem Kreuzer, wo es außerhalb dessen nichts gegeben hatte außer Leere, Staub und Sternen, hatte ich mich danach gesehnt, zu fliegen, aber es war weniger schmerzhaft gewesen als das hier ... Ich drückte auf den nächsten Knopf, und das Fenster schloß sich wieder. Der durchdringende Laut, den ich ausstieß, schreckte die Erd-Gesangshüterin auf, die sofort bei mir war, mich berührte und mir über die Flügel strich. Ich betätigte eine weitere Taste, inzwischen zitternd, und dieses Mal hob sich die transparente Platte von der Wand ab und schwang auf.
Ohne ein Wort half mir die Gesangshüterin derer im Dunklen durch die entstandene Öffnung auf den Vorsprung, der dahinter aus dem Gestein ragte. Ich richtete mich auf, breitete die Flügel aus und prüfte den kalten Wind, der mein Fell sofort abstehen und meinen Herzschlag sich beschleunigen ließ. Er drückte sanft gegen das Gebäude, mit freundlicher Kraft, konstant aus der selben Richtung ... Die Erd-Gesangshüterin zog sich zurück und schloß das Fenster hinter mir. Ich hatte die Flügel ausgespannt, so weit es ging, lehnte mich nach vorn, stieß mich von dem Vorsprung ab - und schwebte auf dem Wind ... Wenige Flügelschläge brachten mich von dem Gebäude weg, und dann stieg ich auf, Wärme durchflutete mich und ich sang, sang mit allen Stimmbändern in die funkelnde Dunkelheit.
Frei.
Ich war frei.
Eine aus dem Volk, das der Wind trägt, frei, in den Wolken zu Hause, mit dem Sturm unterwegs, durch das Schwarz des Himmels auf dem Weg zu den Sternen ...
Frei.
Die Luft war klar und schmeckte fremd und scharf, und die plötzlichen heftigen Böen, die es auf unserer Welt so nur kurz vor einem Unwetter gab, zwangen mich, absolut konzentriert zu fliegen. Ich sang das Lied dieses neuen Windes, bis ich so hoch aufgestiegen war, daß die Luft zum Singen zu dünn wurde. Ich schwebte in großen Spiralen, voller Staunen über die Dichte und Vielfalt der Sterne über mir. Ich ließ mich immer wieder in engen Kreisen mit angelegten Flügeln fallen, um dann gegen einen Abwind wieder aufzusteigen und die Kraft zu spüren, die mein Körper gewonnen hatte durch das Mehr an Schwere, mit dem wir zu leben gelernt hatten ... Ich wirbelte und tanzte mit dem Wind und sang meine Freude heraus, bis meine Flugmuskeln zu schmerzen anfingen ... ich wollte noch nicht zurück, noch nicht wieder in die Enge und Begrenztheit einer geschlossenen Unterkunft, die starr und unbeweglich war, anstatt sich zu wiegen und zu schwingen wie ein Ph'taal ... als ich, für einen Moment unachtsam, durch einen heftigen Windstoß ins Flattern und Trudeln geriet, fand ich mich damit ab, daß ich das hier beenden mußte, bevor ich verunglückte, und steuerte das Gebäude an, in dem wir jetzt wohnten. Es war eines von vielen, hoch aufragend und dunkel ... Ich ließ mich an der Wand entlang abwärts sinken, in der sich die Fenster zu unserem Quartier befanden, und landete auf dem Vorsprung vor der durchsichtigen Öffnung, von der aus ich gestartet war. Ich klopfte mit dem Schnabel dagegen - von außen gab es merkwürdigerweise keine Knöpfe in der Wand zum Öffnen und Schließen ... Die Gesangshüterin derer im Dunklen, die auf dem Mitte-Lager hockte, den Inhalt ihres Bündels vor sich ausgebreitet, hob den Kopf, sah mich, stand auf und öffnete das Fenster. Ich bückte mich, legte die Flügel an und kroch hindurch.
Lärm brach los, mißtönend und durchdringend, und hörte nicht mehr auf, selbst dann nicht, als ich das Fenster schloß. Der aus den Feuern öffnete die Augen, blieb aber in seiner konzentrierten Haltung. Die Erd-Gesangshüterin und ich schauten einander verständnislos an. Im selben Moment flog die Tür auf, und die vier Jaridians, die uns zuvor zu dem Versammlungsraum und zurück geleitet hatten, waren im Raum, zwei hatten ihre Energiewaffen gezogen, die anderen ihr Shaqarava aktiviert, und alle zielten auf uns am Fenster.
Entsetzt hob ich beide Flügelhände. Mein Fell, naß und klebrig von der Anstrengung zuvor, stellte sich wieder auf. Die Erd-Gesangshüterin stand ganz still da und atmete kaum. Der auf dem Weg verlagerte unmerklich seine Position und schickte sich offenbar an, langsam aufzustehen. Was hatten wir getan, daß die, die uns Verbündete genannt hatten, uns jetzt so gegenüber standen?
Dann waren der Sprecher, der Navigator und einige andere der Kreuzerbesatzung mit im Raum, der Sprecher ebenfalls mit aktiviertem Shaqarava. „Was ist hier los?” fragte er zornig, „habt Ihr den Eindringling etwa entkommen lassen?”
Einer der Bewaffneten vollführte eine merkwürdige Bewegung mit den Schultern. „Wir waren sofort mit dem Einsetzen des Alarms hier - niemand hat dieses Quartier verlassen, es wurde auch kein weiteres Fenster geöffnet ...” „Durchsucht alles”, befahl der Sprecher, und die anwesenden Jaridians verteilten sich in unserer Unterkunft, äußerst angespannt. „Aber es ist doch niemand hier außer uns,” sagte der auf dem Weg mit ruhiger Stimme. Er war tatsächlich aufgestanden, trat auf den Sprecher zu und berührte ihn am Arm. „Niemand außer uns hat diesen Raum durch die Tür betreten oder verlassen,” meinte er. „Jeder von uns”, - er deutete in unsere Richtung - „kann es Dir bestätigen ...” „Hier ist wirklich niemand”, stellte einer der Bewaffneten schließlich fest, und alle deaktivierten ihr Shaqarava bis auf den Sprecher. Er musterte die Erd-Gesangshüterin, die die erhobenen Hände wieder gesenkt hatte. Dann schaute er mich an, mein nasses Fell, die feuchten Flügel. Und das Fenster.
Er brauchte mich nicht mehr zu berühren.
Er schloß für einen Moment die Augen. In seinem Gesicht und in dem, was ich über den Boden spüren konnte, spiegelten sich widerstreitende Gefühle. Er öffnete die Augen wieder, deaktivierte die Energie in seinen Händen, drehte sich zu den Seinen um und hob beide Arme. „Dieser Einsatz ist beendet”, sagte er. „Jeder kann auf seinen Posten zurück kehren. Es ist nichts geschehen. Alle haben gute Arbeit geleistet. Es ist vorbei.”
Energiewaffen wurden zurück in die Gurte geschoben, alle Beteiligten entspannten sich. Die Gesangshüterin derer im Dunklen und ich standen da und hatten noch nicht begriffen. Es war vorbei - aber was war eigentlich passiert? Einer nach dem anderen verließen uns die Jaridians wieder, irgendwer hatte inzwischen auch den Lärm zum Verstummen gebracht. Der Sprecher wandte sich zu mir, schaute mir in die Augen, sichtbar immer noch von Widersprüchlichem bewegt, und meinte: „Jeder bleibt jetzt, wo er ist - wir reden noch miteinander ...” Dann folgte er den Seinen und schloß die Tür hinter sich.
Wir waren wieder allein.

Der Hüter der Gesänge der Tiefen war inzwischen aus seinem Bereich in den unseren gekommen. Wir hockten uns auf dem Mitte-Lager zusammen und gingen in Kontakt.
Warum war plötzlich dieser Lärm entstanden - und warum hatte er eine solche Reaktion bei den Jaridians ausgelöst? Es war nichts Bedrohliches geschehen, niemand hatte irgend jemanden angegriffen, und außer uns war kein anderes Wesen mit in diesem Quartier - letzteres hatten die Jaridians offenbar am meisten gefürchtet ... dabei war das doch gar nicht möglich. Wie hätte jemand unbemerkt in dieses Gebäude gelangen können, dessen sämtliche Ein- und Ausgänge ständig bewacht wurden, wie uns unsere bewaffneten Begleiter auf dem Weg durch all die Gänge erklärt hatten, und das niemand betrat, der nicht zuvor so gründlich geprüft worden war wie wir bei unserer Ankunft auf dem Planeten? Und ich hatte darüber hinaus festgestellt, daß die Fenster von außen nicht zu öffnen waren ...
Von außen nicht.
Aber von innen.
Zum Beispiel, um jemanden herein zu lassen, der ...
Ich erschrak, als wäre der mißtönende Lärm erneut ausgebrochen.
Den gefürchteten Eindringling hatte letztendlich der Sprecher enttarnt - mich.
Indem ich diese Behausung hier, die nichts Geringeres beherbergte als das Hauptkommando des jaridianischen Imperiums, durch eines seiner gesicherten Fenster betreten hatte, hatte ich mich verhalten wie ein möglicher Feind - wer sonst sollte auf eine solche Idee kommen? - und entsprechenden Alarm ausgelöst ... und die Jaridians hatten angemessen reagiert ...
Vor Unbehagen hätte ich mich am liebsten in das flockige Material des Mitte-Lagers vergraben, um während der nächsten beiden Hell- und Dunkelphasen nicht mehr daraus hervor zu kriechen. Ich hatte doch nur fliegen wollen ... Statt dessen hatte ich die, die uns inzwischen so viel bedeuteten, in Angst versetzt und in Zorn ... „Du hast es doch nicht wissen können ...” Die Erd-Gesangshüterin hüllte mich wärmend in ihre tiefrote Energie. „Du hast es nicht absichtlich getan ...” Das war der Hüter der Gesänge der Tiefen. „Du hattest auf dem Kreuzer die schwerste Zeit ...” Der auf dem Weg zeigte mir ein Bild meiner selbst, auf der Brücke abwesend auf die holographische Darstellung des Raumabschnitts starrend, den wir gerade durchflogen, mit einem Ausdruck solcher Sehnsucht, daß es ihm weh tat, die Flügel halb ausgespannt und ohne jemanden wahrzunehmen ... „Es tut mir leid ...” brachte ich kläglich heraus, „es tut mir wirklich leid ...”
„Das hoffe ich sehr.” Der Sprecher hatte unsere Bleibe wieder betreten; konzentriert auf den Kontakt, hatten wir ihn nicht kommen gehört. Er berührte meinen rechten Flügel. Sein Zorn war abgeklungen, er wirkte nur noch müde. Ich ließ ihm zufließen, daß mir jetzt klar war, was ich getan hatte, daß ich wirklich niemanden hatte ängstigen oder verletzen wollen und daß es nicht wieder vorkäme ... Der Gedanke daran, nicht wieder in den kalten, klaren Himmel Jaridias aufsteigen zu können, schnürte mir Brust und Hals zu, und ich bemühte mich sofort, ihn weg zu schieben. Der Sprecher mußte sich auf mein Wort verlassen können, wenigstens das war ich ihm jetzt schuldig ... Dieser atmete tief aus und schaute mich sehr skeptisch an. „Nein”, sagte der auf dem Weg, „so geht es nicht ...” Er gab erneut den Eindruck von mir auf der Brücke in den Kontakt, diesmal an den Sprecher gerichtet. „Sie wird so ein Wort nicht halten können ... sie muß ebenso zwingend fliegen wie er”, - er wies auf den Wasser-Gesangshüter - „immer wieder in sein Element zurück muß ...” Eine flüchtige Bilderfolge ging von ihm aus, die Szenen aus mehreren Dunkelheitsphasen auf dem Kreuzer zeigte - es war mir nicht bewußt gewesen, daß ich die meiste Zeit im Schlaf so ruhelos verbracht hatte .. ich hatte häufig vom Fliegen geträumt, und es hatte mir immer gut getan, genau so wie das Üben gemeinsam mit den Zhawi ... und einige Male hatte der aus den Feuern für mich das Gleiche getan wie für diese, bevor wir sie von den CVIs befreien konnten: er hatte mir sanft über die Augen gestrichen, eine Hand auf mein Brustfell gelegt und leise etwas gesungen - und ich hatte mich sofort tief entspannt ... Allein dieses Bild tat eine Wirkung - etwas von der Enge in mir löste sich. „Danke ...”, ließ ich ihm zufließen, „auch für Deine Hilfe zuvor ...” „Das gehört zum Weg”, meinte er. Er konzentrierte seine Aufmerksamkeit wieder auf den Sprecher, auf den die Eindrücke ebenfalls sichtlich gewirkt hatten. Dieser schaute mich an, etwas traurig und so verwirrt, wie ich mich fühlte. „Das habe ich nicht gewußt ... aber Ihr hattet strikten Befehl, dieses Gebäude nicht ohne Begleitung durch einen der Unseren zu verlassen ...” „Wenn ich Dich gebeten hätte”, fragte ich ihn, „wärest Du denn mitgekommen?”
Für einen Moment war er fassungslos - und dann ohne Übergang nur noch belustigt. „Ihr seid wirklich unglaublich ...” Ein Bild von ihm war im Kontakt, mit flügelähnlich geformten Stücken Bekleidungsstoffes an jedem Arm befestigt, wie er neben mir auf dem Vorsprung vor dem Fenster stand und mich aufmunternd anblickte. „Ob ich mitgekommen wäre ...” Seine Belustigung ging in Wellen von Grün und Gold von ihm aus und tauchte uns alle in diese Farben. Schließlich atmete er tief aus und wandte sich mir zu. „Einigen wir uns auf Folgendes”, meinte er, und Grün und Gold kräuselten sich in seiner Stimme, „Du kannst fliegen, so oft Du willst ...” Meine verkrampften Stimmbänder entspannten sich, und in meinem Inneren war wieder Platz. „Unter zwei Bedingungen: erstens hast Du Dich bei einem von uns abzumelden, bevor Du aufbrichst, und zweitens landest Du in Zukunft auf dem freien Platz vor dem Haupteingang und betrittst dieses Gebäude durch die Tür, wobei Du die gleichen Sicherheitsprotokolle zu durchlaufen hast wie jeder andere auch - und das ist ein ausdrücklicher Befehl.”
Die letzten Worte hatten das Grün und Gold aus seiner Stimme verschwinden lassen, aber das spielte keine Rolle ... Ich ließ ihm meine Erleichterung und Dankbarkeit zuströmen, verbunden mit der unbändigen Freude, die ich hoch über seiner riesigen Welt gefunden hatte. „Auch ich würde Jaridia gern kennenlernen”, gab die Hüterin der Gesänge derer im Dunklen in die Berührung, verbunden mit einem Eindruck ihrer selbst, die Füße tief in feuchtem, losem Untergrund an einer Stelle dieser Welt, die nicht mit dem glatten Stein bedeckt war, auf dem wir mit dem Shuttle gelandet waren ... „Das gilt auch für mich”, sagte der Gesangshüter der Tiefen, sich selbst an einem Strand voller winziger Steine und Muscheln zeigend, überspült von einer mächtigen Woge ... und der auf dem Weg bat darum, mit den Feuern des Inneren dieser Welt hier in Kontakt kommen zu dürfen, und seine Bitte war flammend orangerot und strahlte Hitze aus ...
Der Sprecher antwortete darauf mit einem Bild seiner Welt, aus dem All betrachtet - reine Schönheit in Grün und Braun und Gelb und dem Weiß der Wolken, verbunden mit der Wahrnehmung, fest und sicher auf einem weichen Untergrund zu stehen und Wind auf der Haut zu spüren ... Stolz und ein Gefühl tiefer Verbundenheit zu diesem Planeten begleiteten die Eindrücke. „Es wird uns eine Ehre sein, Euch unsere Welt zu zeigen”, sagte er, sehr bewegt. „So willkommen, wie Ihr uns geheißen habt, sollt Ihr uns sein ...”

Viel später fand ich noch immer keine Ruhe, während die anderen längst schliefen. Draußen war es nach wie vor dunkel, Hell- und Dunkelphasen dauerten auf dieser Welt viel länger als auf der unseren ... Ich beschloß, mir dieses weitläufige Gebäude hier anschauen zu gehen - der Sprecher hatte gesagt, wir seien überall willkommen, so wie auf dem Kreuzer ...
In dem Moment, in dem ich vom Mitte-Lager aufstand, öffnete sich die Tür, und der Navigator betrat die Unterkunft, sofort seine Schritte dämpfend, als er die matte Beleuchtung und die Stille hier wahrnahm. Er wandte sich mir zu und blickte mich fragend an. Ich ging zu ihm hin und er berührte meinen linken Flügel. „Zu Dir wollte ich”, ließ er mich wissen, „ich hoffe, ich störe Dich nicht ...” „Im Gegenteil ...” Ich freute mich, ihn zu sehen und in ihm vielleicht jemanden zu haben, dem ich die vielen Fragen stellen konnte, die mich seit unserer Ankunft hier bewegten. Er fing das auf und reagiert halb belustigt, halb verlegen. „Eigentlich wollte ich Dich etwas fragen”, meinte er, „oder - genauer gesagt - habe ich eine Bitte an Dich ...” Intensität färbte jetzt die Berührung, etwas wie - Sehnsucht? Ich legte ihm beide Flügelhände auf die Schultern. „Was kann ich für Dich tun?” „Würdest Du ... ich wüßte so gerne ...”, er kämpfte mit seiner Unsicherheit; dem brennenden Wunsch, seine Bitte zu äußern, stand die Befürchtung gegenüber, mir zu nahe zu treten oder irgendeine Regel der Kommunikation über Kontakt zu verletzen ...
Ich spürte, daß es um etwas ging, das ihm wirklich wichtig war. „Du verletzt keinen der Unseren, indem Du Fragen stellst ...”, ließ ich ihm zufließen, verbunden mit Ermutigung. „Ich werde Dir antworten, so gut ich kann ...” „Es ist eine sehr persönliche Frage”, meinte er. In seinen Gedanken tauchte ein Eindruck von mir auf, mit weit ausgebreiteten Flügeln vor einem dunklen Himmel. „Würdest Du mir zeigen, wie das ist - Fliegen? Fliegen mittels der Fähigkeiten des eigenen Körpers - statt mittels derer eines Shuttles? So, wie Du mir damals das Ph'taal-Flechten gezeigt hast?”
Überrascht fühlte ich jetzt in ihm die gleiche Sehnsucht, die ich empfunden hatte, als ich durch das Fenster in die Dunkelheit geschaut hatte. Und bei ihm hatte dieses Gefühl auch mit dem Wunsch nach Freiheit zu tun, mit unbändiger Kraft, die sich beweisen mußte, und mit der Lust an allem Neuen, Noch-Nicht-Erfahrenen ... „Das tue ich gern für Dich ...”, ließ ich ihn wissen. Ich hätte ihn jetzt sofort auf einen erneuten Flug durch die gestirnte Dunkelheit Jaridias mitgenommen, aber allein konnte ich ihn nicht tragen ... und ich merkte, daß er auch dies mit Begeisterung erleben würde, es aber nicht genau das war, was er sich wünschte ... er wollte wissen, wie es war, selbst zu fliegen ... „In tiefem Kontakt müßte es gelingen ... das könnte allerdings sehr intensiv werden ...”
Seine Begeisterung war leuchtend weiß-violett und fegte alle Einwände hinweg, die er oder ich noch hätten anbringen können. Er hatte so viele Kontakte mit den Unseren erlebt, er war beim Rathalten dabei gewesen ... „Das hier wird noch anders sein ...” Ich zeigte ihm, wie dieser Kontakt aussehen würde, daß wir, wenn er ganz gelänge, wirklich zelltief teilen würden ... „Bitte, laß uns anfangen ...”, war die Antwort, verbunden mit Weiß-Violett.
Wir hockten uns zusammen wieder auf das Mitte-Lager, ein Stück abseits, um die anderen nicht zu stören, einander unmittelbar gegenüber. Ich hüllte ihn in meine Flügel und zog ihn an mich, und er legte die Arme um mich. Meine Energie begann zu fließen, wie bei einer Heilarbeit, sonnenhell und leicht, und ich öffnete dem Navigator meinen Geist, rückhaltlos. „Schau durch meine Augen ... höre mit meinen Ohren ... fühle mit mir ...”
Ich stand wieder vor dem verschlossenen Fenster und schaute hinaus, und der Navigator zuckte zusammen, als er den Schmerz in Brust und Flügeln spürte ... Sein Shaqarava aktivierte sich, und er hätte das Fenster beinahe eingeschlagen. Wenig später stieß er sich von dem Vorsprung ab und stieg mit kraftvollen Flügelschlägen in den dunklen Himmel auf ... Sein Gesang war ein einziger Triumphschrei, als er den größten der sichtbaren Sterne ansteuerte, eine der Schwesterwelten Jaridias ... Seine enorme Kraft verstärkte jede meiner Bewegungen, während wir gegen einen Abwind wieder aufstiegen, und die Erschöpfung meiner Flugmuskeln zwangen ihn schließlich zur Umkehr ... seine disziplinierte Konzentration schalt mich, als die heftige Bö uns vorübergehend aus der Bahn brachte, meine trainierten Reflexe fingen uns ab und ließen uns in weiten, schwebenden Spiralen abwärts gleiten und schließlich sicher auf dem Vorsprung landen, vor dem Fenster, von dem aus wir gestartet waren, Fell und Flügel naß von der Anstrengung, weiß-violett und sonnenhell leuchtend vor Freude ... Wir legten die Flügel an und tauchten durch das Fenster zurück in die Unterkunft, und der dröhnende Alarm brachte uns ins Hier und Jetzt , auf das Mitte-Lager, zurück. Der Navigator war nichts als Hitze und Kraft und Begeisterung. Er hielt mich fest an sich gedrückt, und wir teilten das ... weiß-violette und sonnenhelle Energie, miteinander fließend ... Kraft, Ungeduld, Disziplin; Leichtigkeit, Beweglichkeit, Sehnsucht ... Unabhängigkeit, Verbundenheit ... Liebe für die, denen man zugehört, und für die Welt, die einen trägt ... fast unstillbare Neugier und wachsende Freundschaft ... Verschiedenheit und Gemeinsamkeiten ...
Irgendwo in mir ordnete sich etwas, das mich unbewußt beschäftigte und beunruhigte, seit ich den Navigator zum ersten Mal über den Kontakt berührt hatte, so, als ob in ein Zhawi-Steinbildnis die letzten fehlenden Steine eingesetzt würden, ohne die dem Bild die Aussage fehlte. Ich nahm es dankbar wahr, konzentrierte mich dann aber wieder auf den Navigator und das, was er mir zufließen ließ.
Einige Zeit später löste er sich behutsam aus der Berührung, immer noch strahlend. „Ich habe gleich wieder Dienst ...” Er schaute mich an und ergriff noch einmal meine Flügelhände. „Das war das schönste Geschenk, das mir je jemand gemacht hat”, sagte er. „Ich danke Dir ...” Ich fühlte, daß ich genau so strahlte wie er. „Und ich danke Dir ... für alles, was wir geteilt haben ...”

Später, als er fort war, fand ich Platz zwischen der Erd-Gesangshüterin und dem auf dem Weg. Ich war jetzt völlig erschöpft. Mein Stoffwechsel hatte sich, um den Kontakt leichter gelingen zu lassen, dem des Navigators angepaßt, damit er die Erfahrung des Fliegens wirklich mit der gleichen Intensität erleben konnte wie ich. Ich fühlte mich, als hätte ich das Vierfache der tatsächlich geflogenen Strecke zurückgelegt, aber in der Hälfte der Zeit ... mein Fell war feucht, und am liebsten hätte ich mich irgendwo ins Wasser getaucht, aber selbst wenn ich gewußt hätte, wo ich das hätte tun können, ohne den aus den Tiefen stören zu müssen - ich hätte nicht einmal mehr den Weg dorthin geschafft.
Der Navigator hatte genau so rückhaltlos mit mir geteilt wie ich mit ihm, und ich war erfüllt von Freude und Dankbarkeit darüber. Ich spürte hin zu dem, was sich geordnet hatte - das war wichtig ... Ich war zu müde, um darüber jetzt klar nachdenken zu können, in der nächsten Hellphase würde ich es zusammen mit den anderen anschauen und drehen und wenden ... Ich fühlte die Meinen hier im Raum, den Navigator, der irgendwo gerade mit dem Verfassen eines Berichtes beschäftigt war und die Präsenzen der anderen Jaridians in diesem Gebäude ... und glitt schließlich in den Schlaf. In einem der seltsamen Träume dieser Dunkelphase wurde auf einem Zhawi-Steinbild ein winziger, scharfkantiger blauer Stein so zwischen eine Reihe weißer und einen grünen plaziert, daß er mit der Spitze den grünen aus seiner ursprünglichen Position hob ...

Zusammen mit den anderen wurde ich langsam wach, weil sich die Beleuchtung in unserer Bleibe auf Hellphase änderte. Die Jaridians hatten sich ursprünglich bemühen wollen, den Wechsel der Phasen so beizubehalten wie auf dem Kreuzer, aber das paßte so wenig zu ihrer Art der Strukturierung dessen, was getan werden mußte, vor allem im Zusammenhang mit uns, daß sie die Idee aufgegeben hatten. Unsere Hell- und Dunkelphasen richteten sich jetzt nach den Aktivitäts- und Ruhephasen der Führenden des Imperiums, wodurch erstere sich deutlich verlängerten und letztere in etwa gleich blieben. Noch während wir zusammen hockten und eine der getrockneten Ph'taalfrüchte teilten, von denen ich vor Antritt unserer Reise so viele in mein Bündel gepackt hatte, wie ich hatte tragen können, betrat der Sprecher unsere Unterkunft, Erwartung ausstrahlend. Er informierte uns, daß wir in dieser Hellphase auf keinen Fall hier fort könnten, weder zum Fliegen noch zum Umherwandern im Gebäude. Es stehe eine Sonderberatung an mit dem Anführer und den Obersten des Hauptkommandos, bei der es sich um die wichtigste Angelegenheit unseres Aufenthaltes hier handele - es gehe nicht nur um die Technologie des Schildes und um das Ausmaß und die Logistik zukünftiger Rohstoff-Lieferungen, sondern auch um unsere Einstellung bezüglich des Krieges zwischen ihnen und ihren Feinden sowie unser Angebot, als Vermittelnde gegenüber anderen Völkern die Angelegenheiten Jaridias zu vertreten, werde sehr genau geprüft werden ... Es wäre allerdings noch unklar, wann diese Beratung beginne; der Anführer habe zuvor noch Entscheidungen zu treffen bezüglich der aktuellen Frontlage. Er ging nicht einmal in Kontakt mit uns und verließ uns sofort wieder, auf dem Weg nach draußen sein Kommunikationsgerät aus der Tasche ziehend, um sich mit irgend jemandem in Verbindung zu setzen .. es ging in dem Gespräch offenbar auch um uns, aber die Tür schloß sich hinter ihm, bevor wir verstanden hatten, worum
genau.
Wir schauten einander etwas überrascht an. Sorgte sich der Sprecher wegen dieser „Sonderberatung”? Warum hatte er so gehetzt gewirkt? Daß die Jaridians nach einer uns ungewohnten und sehr fordernden Ordnung lebten, hatten wir auf dem Flug hier her verstehen gelernt. Hier auf Jaridia selbst wurde schmerzhaft deutlich, wodurch diese besondere Ordnung - sowohl die, die sie zur Strukturierung ihres Volkes und zum Finden von Entscheidungen geschaffen hatten als auch die, die ihre Art zu arbeiten und miteinander zu sein regelte, geschaffen worden war: durch den Krieg ... durch ihren unvorstellbar langen Krieg mit den Taelons ... der ihr gesamtes Leben bestimmte, der bestimmte, wer was wann wo tat und mit wem zusammen, der so wenig Platz ließ für das, was sie, außer Kriegern, sonst noch waren ...
Wir waren zusammen gerückt und in Kontakt, und ich dachte an den Navigator und an das, was wir geteilt hatten. Wieviel Platz war in seinem Leben für das, worauf sich die tiefe Sehnsucht richtete, die er mich hatte spüren lassen und wovon das Fliegen nur ein kleiner Teil war? Wieviel Platz war in diesem Leben, das er nicht nur dem Krieg hatte widmen müssen wie alle anderen Seinesgleichen, sondern das darüber hinaus weit vor seiner eigentlichen Zeit beendet sein würde, weil sein viel zu sehr gesteigerter Stoffwechsel ihn innerlich verbrennen ließ?
In mir tauchte das Bild von dem blauen Stein wieder auf, der den grünen fortschob.
Die Erfahrung des Fliegens hatten wir zelltief geteilt - als eins ... seine/meine Flügel und Flugmuskeln ... seine Konzentration/meine Reflexe ... seine Kraft/meine Geübtheit ... jede Bewegung eins ...Herz- und Atemrhythmus eins ... Hitze, Kraft, Begeisterung ... weiß-violett/sonnenhell ... jede einzelne Zelle durchflutet .. seine/meine ..
Meine Tiefensinne hatten sich geöffnet, und die zelltiefe Wahrnehmung schloß die anderen im Kontakt ein, die konzentriert meinen Erinnerungen an die letzte Dunkelphase folgten. Die anderen waren ruhiges, kraftvolles Pulsieren, der Navigator und ich grell flammende Bewegung ... die anderen waren Bleiben, wir waren Fortgehen ... die anderen hatten sehr viel von dem, was uns fast ganz fehlte, wir hatten etwas, das die anderen nie besessen hatten ... ich schaute in uns hinein und in die anderen.
Zelltief.
Dorthin, wo bestimmt ist, wer wir werden.
Am Ende der Strukturen, die darüber bestimmen, gibt es etwas, das die Ordnung hält - die Ordnung, die alles Lebendige braucht, damit es überhaupt leben kann. Die Ordnung, die verfügt, wie wir werden - wie rasch sich unsere Gestalt entwickelt, wie schnell wir wachsen, wie wir mit allem umgehen, was wir in uns aufnehmen und in wieviel Zeit sich unsere Körper in welchem Ausmaß abnutzen ...
Die anderen besaßen diese Strukturen, wir so gut wie nicht mehr.
Dafür verfügten wir über etwas anderes - über etwas, das nicht nur den anderen fehlte, sondern auch einigen der Unseren - obwohl immer mehr der Unseren so wurden wie wir.
Dieses Besondere war winzig. Winzig und funkelnd blau. In den wenigen unserer Zellen, die noch eine Ordnung hatten, formte es einen Kreis in deren Innerstem. In allen anderen lag es ausgebreitet und hatte die Struktur der Ordnung zertrennt.
Sehr vorsichtig berührten wir es mit den Finger-/Krallenspitzen - und das Wiedererkennen trennte mein Bewußtsein mit einem schmerzhaften Schock von dem des Navigators, so daß ich jetzt vor ihm stand, mit den Flügelhänden seine Brust berührend und in sein Innerstes schauend.
Die blaue Struktur, die in fast allen seiner Zellen die Ordnung außer Kraft gesetzt hatte, war ein winziges Bruchstück der Komplexschwingung. Nur eine einzige Frequenz. Nur ein einziger Satz aus diesem endlosen Lied:

„Anderes als wir
ist ohne Wert.”

Ich zwang mich, das Bruchstück genau anzuschauen. Es sang nur mit einer einzigen Stimme, trotzdem gab es eine zweite Blauschattierung, wie einen zusätzlichen Strang, von dem ein leises, konstantes Summen ausging, Ich konzentrierte mich auf das Summen, eine Krallenspitze auf das dunklere Blau gelegt. Zeit ... es ging um Zeit ... dieser Strang sang für das Bruchstück ...

„Immer mehr von uns
immer wieder
wenn die Zeit richtig ist
schneller
immer mehr von uns ...”

Mir wurde schwindelig, als sich beide Gesänge ineinander woben. Die Struktur schien sich plötzlich zu verdoppeln, jetzt waren zwei winzige Kreise da statt des ausgestreckten Stranges, darüber schob sich das Bild eines sehr jungen Jaridians, der sich anfühlte und bewegte wie der Navigator, aber keine fünf seiner Umlaufzyklen alt war, und der Eindruck einer weiblichen Jaridian, die sich mit schmerzverzerrtem Gesicht am Boden krümmte, die Arme um den Leib geschlungen ... Der Navigator war verschwunden, irgend jemand gab einen erstickten Laut von sich, und dann blickte ich in die kalten blauen Augen des Atavus, der den Feuervolk-Angehörigen so in Angst versetzt hatte. „Du kannst es nicht aufhalten”, sagte er, „sie werden sterben, wir werden leben ...”
„Das bestimmst nicht mehr Du.” Der aus den Feuern trat dem Atavus entgegen, schob mich sanft beiseite und blickte ihn an. „Deine Zeit ist gewesen, Ramaz. Sie selbst halten jetzt ihr Schicksal in den Händen - sowohl die Deinen als auch die Anderen. Und die, die den dritten Weg gegangen sind, sowieso.”
Der Atavus betrachtete ihn von oben bis unten, dann verzog er spöttisch das Gesicht. „Du bist nicht gezeichnet ...” Er legte den Kopf schräg und vollführte eine merkwürdig geziert wirkende Geste. „Aber Du gehörst offenbar zu den Glücklichen, die von der Krankheit verschont geblieben sind ... ich war wirklich nicht effizient genug, aber das wird weder Dir noch den Deinen von Nutzen sein ... Den Meinen habe ich das Universum vererbt, in Ewigkeit, und Ihr werdet zu Staub.” Eine weitere Geste, wie ein Abschiedsgruß, dann wandte sich die hochgewachsene Gestalt ab und war fort.
Der auf dem Weg atmete tief aus und entspannte sich. Der unterschwellige Zorn in ihm verebbte. Er und der Hüter der Wasser-Gesänge schauten einander lange an. „Das wird ein hartes Stück Arbeit ...” meinte der Feuervolk-Angehörige, und der aus den Tiefen stimmte zu ... Das, was wir hier gefunden hatten, gehörte offenbar tatsächlich in das bevorstehende Rathalten mit den Jaridian, und es würde wohl nicht leicht werden ...
Die Gesangshüterin des Erdvolkes half mir, meinen Herz- und Atemrhythmus wieder zu finden. Während wir dabei waren, den Kontakt zu beenden, betraten unsere bewaffneten Begleiter die Unterkunft. „Die Führenden Jaridias wünschen Euch jetzt zu sehen”, sagte einer der Ihren „Die anberaumte Sonderberatung beginnt in wenigen Augenblicken ...”
Die Erd-Gesangshüterin griff nach ihrem Bündel, um es sich umzuhängen, wurde aber von einem der Bewaffneten daran gehindert. „Nein ...” „Es enthält nur Medizin”, meinte sie verwundert, „und außerdem wurde es bereits geprüft, bei unserer Ankunft hier ...” „Es geht um die Sicherheit der Obersten des Imperiums - Ihr dürft nichts mitführen, keine Waffen, kein Gepäck ...” Sie nahm den jungen Jaridian sanft beim Arm, und dessen Augen wurden weit. Instinktiv berührte auch ich ihn und einen der anderen, der gerade neben mir stand, und die Gesangshüterin derer im Dunklen signalisierte Zustimmung - wir formten mit unserer Eskorte einen improvisierten Kontaktkreis. Für alle bis auf den, der in dem beweglichen Raum meinen Flügel gestreift hatte, war das die erste Berührung mit uns.
Wir hatten die Situation richtig eingeschätzt. Gewünscht hatten sie sich diese Erfahrung vom ersten Moment des Zusammentreffens mit uns an, hatten sich jedoch an ihre Befehle gehalten ... Sie reagierten mit Staunen und anfänglicher Verwirrung, aber binnen kurzem überwog ihre - anscheinend speziestypische - Neugier, und sie überschütteten uns mit Fragen, nach unserer Welt, den Taelons, dem Schild, der Art der Ordnung unseres Zusammenlebens, wie wir ohne Anführer überhaupt zurecht kämen ... Wir antworteten, indem wir ihnen unsere Gedanken öffneten und die entsprechenden Bilder aufsteigen ließen ... Der, der der Erd-Gesangshüterin das Bündel hatte abnehmen wollen, tadelte den, der mich „zufällig” berührt hatte, für diese Mißachtung eines ausdrücklichen Befehls, und als dieser mich traurig anschaute, weil ich ihn „verraten” hatte, mußte ich ihm klar machen, daß man im Kontakt nicht lügen oder absichtlich etwas verbergen kann ... „Du hast Dich vor mir daran erinnert”, bedeutete ich ihm, „und damit war es in der Berührung ...” „Jetzt haben wir alle eine Befehlsverweigerung begangen”, meinte der dritte unserer Begleiter nachdenklich, „vielleicht macht es einen Sinn, unter diesen Umständen den Fehler eines Einzelnen ...” „Ihr habt doch gar nichts getan”, sagte die Erd-Gesangshüterin mit einem Lächeln. „Der Kontakt ist schließlich von uns ausgegangen ...” Sie nahm ihr Bündel und öffnete es, ließ den, der es ihr hatte abnehmen wollen, hinein schauen und über die Berührung wahrnehmen, wofür die Kräuter, Steine und Gegenstände darin gut waren. „Wir wissen schließlich nicht, wie lange diese Sonderberatung dauern wird ...”

 

Ende von Kapitel 17

 

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