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  „Aveenas Lied” von AlienVibe   (Emailadresse siehe Autorenseite)
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Thema:  Bewußtsein, Technologie und Heilung
Zeitpunkt:  weit vor Beginn der ersten Staffel
Charaktere:  einzelne Zhawi, der Sprecher und der Heiler der Jaridians, die Gesangshütenden des Wasser-, Erd- und Windvolkes, der auf dem Weg (die Besatzung des Zhawi- und des Jaridian-Schiffes)
 

 

AVEENAS LIED

Kapitel 12

 

Die Gesangshüterin des Volkes im Dunklen und der Heiler halfen dem Wasser-Gesangshüter trotz dessen Protestes in seinen Bereich unseres Quartiers. Wir hatten uns so konzentrieren müssen, daß wir aufeinander nicht geachtet hatten ... Ich hielt den schlafenden Zhawi, ohne jede Idee, wie wir die vor uns liegende Aufgabe bewältigen könnten. Ohne den Gesangshüter derer in den Tiefen ging es nicht, und dieser mußte mindestens die Hälfte der vor uns liegenden Dunkelphase in seinem Element verbringen, bevor er sich wieder kurzzeitig ohne Gefahr an Land begeben konnte ... er hatte sich in die provisorische Behausung zurückgezogen, die er sich aus den wogenden, fedrig-zart wirkenden, aber sehr zähen Pflanzen geflochten hatte, die eine Seite seines Bereiches bedeckten.
Der auf dem Weg, der mir gegenüber saß, mit merkwürdig verschränkten Beinen und sehr aufrecht, hatte den Blick auf einen Punkt hinter mir gerichtet und schien so fokussiert auf etwas, das sich meiner Wahrnehmung entzog, daß ich ihn nicht ansprechen mochte. Die Erd-Gesangshüterin gesellte sich wieder zu uns und betrachtete den Feuervolk-Angehörigen prüfend. Der Heiler unterzog uns alle einem gründlichen Scan und war mit dem Ergebnis genau so unzufrieden wie mit den Werten des Gesangshüters der Wasser, was uns auch nicht weiter half.
Einige Zeit später tauchte der auf dem Weg aus seinem abwesenden Zustand wieder auf und wirkte etwas verwirrt. „Ich habe die Feuer gefragt, was wir tun sollen,” meinte er, „aber als Antwort stellten sie mir eine Frage ...” Die Hüterin der Gesänge derer im Dunklen ging mit ihm und mir in Kontakt, und es erschien der Eindruck einer Wegvolk-Feuerstätte, in deren Flammen eine umrißhafte, halb durchsichtige Gestalt erkennbar wurde, die mit der rechten Hand auf uns deutete. „Wenn Ihr es nicht tun könnt - wer oder was kann es sonst?” Dann hob das Wesen im Feuer beide Arme über den Kopf, drehte sich mit einer fließenden Bewegung nach rechts um die eigene Achse und zerstob in eine Wolke winziger glitzernder Funken.
Das Gedankenbild erlosch, und wir schauten einander an, genau so verwirrt wie der auf dem Weg. „Wenn Ihr es nicht tun könnt - wer oder was kann es sonst?”
Der Heiler war inzwischen auch mit im Kontakt und ließ Besorgnis um uns und seine Bereitschaft, hier mit zu helfen, einfließen. Ich spürte, daß seine Einstellung zu den Zhawi verändert war - wo er vorher die potentiellen Lieferanten wertvoller Informationen über den Feind gesehen hatte, nahm er jetzt Wesen wahr, die litten - und für die er ähnlich fühlte wie für uns ...
Wir drei, die Gesangshüterin des Volkes im Dunklen, der Angehörige des Feuervolkes und ich, waren, wenn wir essen und eine bestimmte Kräutermischung, die die Erd-Gesangshüterin in ihrem Bündel mitgebracht hatte, einnehmen würden, in der Lage, noch zwei weiteren Zhawi das Implantat zu nehmen. Aber wer würde anstelle des Wasser-Gesangshüters singen? Der Heiler hatte nur ein Paar Stimmbänder, er würde, wenn überhaupt, nur eine der fehlenden Frequenzen übernehmen können ... würden sich zwei weitere Jaridians bereit finden, diese Arbeit hier mit zu tun? Wer wäre, während wir singen, für den Zhawi da, wenn dieser erwachte? Vor einem der Besatzungsmitglieder hier würde er wohl nur große Angst haben ... Wer - oder was - könnte unsere Arbeit tun? „Euer Gesang für den Zhawi wurde automatisch aufgezeichnet,” gab der Heiler in die Berührung, „vielleicht hilft das weiter ...” Aufgezeichnet ... es würde aber nicht genügen, nur die akustische Aufzeichnung abzuspielen, um ein Implantat im Inneren eine Gehirns zu zerstören - die Fortleitung der Vibrationen, die die Klänge erzeugten, in das Gewebe war dazu zwingend erforderlich ... Wer ... oder was ...
Im Kontakt erschien wieder die Gestalt im Feuer, die um ihre Achse wirbelte und sich in einen Schauer glitzernder Funken auflöste. Glitzernde Funken ... winzige leuchtende Partikel ...
Winzige Partikel, tanzend im Feuer ...
... tanzend ...
Nanokristalle.
Inerte, aktivierbare Nanokristalle ...
Die allem und jedem die Eigenfrequenz singen konnten.
Auch einem Cyber-Virus-Implantat, einer auf einem aus zehn Einzelfrequenzen zusammengesetzten Klangband schwingenden Struktur, einem Bruchstück der Komplexschwingung.
Wir hielten tiefen Kontakt. „Wie?” fragte ich. „Wie bringen wir die Zhawi und die Kristalle zusammen?” Die Jaridians hatten noch die Ersatzladung Nanokristalle für den Schild an Bord, der, während wir hier Rat hielten, immer noch auf Schäden durch den Angriff untersucht wurde. Ich gab einen Eindruck der Zhawi, jeder von ihnen in einem Behältnis voll feinsten Staubes aus klingendem Fels ruhend, in die Berührung. „So kann es doch nicht gehen ... es soll doch nur das CVI zerstört werden ...” sang ich dazu. Die Gesangshüterin des Erdvolkes nahm mein Bild auf und ließ die Nanokristalle in einem der Behälter blau aufleuchten. „Wir prägen sie,” meinte sie, „so wie die, die uns trägt, den klingenden Fels geprägt hat ...” Für den Bruchteil eines Augenblicks war die Erinnerung an Frequenz und Gegenfrequenz der Waffen Jaridias im Kontakt. Der Heiler schrak heftig zusammen, ohne zu verstehen, wir anderen hatten sofort begriffen. „Wir prägen sie auf die Eigenfrequenzen des CVIs - dann gehen sie nur mit ihm in Resonanz und nicht mit den Geweben der Zhawi ...” Jetzt ruhten in dem Eindruck, den wir teilten, alle diese Wesen in Behältnissen mit bläulich leuchtendem feinsten Kristallstaub.
„Wenn Ihr eine solche Menge für unsere Gefangenen verbraucht, reicht der verbleibende Rest vielleicht nicht mehr für eine Reparatur des Schildes ...” gab der Heiler, der sein kurzfristiges intensives Unbehagen auf Nahrungsmangel und Ermüdung geschoben hatte, in die Berührung. „Und außerdem ist es gar nicht notwendig, so viel Kristall einzusetzen - diese Implantate haben so gut wie keine Masse ...” Er zeigte uns das Gedankenbild des Gehirns des schlafenden Zhawi zwischen uns, zunächst ohne, dann mit Implantat und schließlich nur die pulsierenden Strukturen des selben - die plötzlich von geprägten Nanokristallen umhüllt und kurze Zeit später, heftig aufleuchtend, verschwunden waren. „Fünf- bis siebentausend Mikroeinheiten Kristall reichen aus, um ein CVI sicher zu zerstören.” Das Bild war deutlich und schlüssig.
Ich spürte in der Erinnerung wieder die bloße Haut des Zhawi, die sich straff um seinen Schädel spannte, unter meinen Krallen. „Wie können wir die Kristalle in das Hirngewebe eingeben?” Die Vorstellung, Haut und Schädelknochen dafür verletzen zu müssen, erschreckte mich. Der Heiler antwortete sofort mit dem Erinnerungsbild der Behandlung meines ausgerenkten Flügels, in dem er mir einen metallenen kleinen Gegenstand an die rechte Halsseite setzte. „Wir geben die Kristalle in den Flüssigkeitskreislauf,” gab er in den Kontakt. „Ich mische eine genügende Menge davon in eine Nährlösung und versetze sie mit einem Gewebe-Marker für Nervengewebe, und sie werden von selbst den Weg ins Gehirn finden ...” Er berechnete winzig kleine Mengen Bruchstücke von Gewebestrukturen - niemand aus dem Kreis konnte wirklich folgen. Ich sah in seinen Gedanken einen Nanokristall, an dessen Ende ein solches Bruchstück befestigt war, das sich offenbar in einen Gewebsstrang im Gehirn eines Zhawi „eingehakt” hatte, während weitere blaue Kristalle, gleichfalls mit Bruchstücken versehen, daran vorbei trieben und sich an anderen Stellen festhakten ... „So wird es gehen,” meinte er schließlich, Zufriedenheit ausstrahlend.
Große Erleichterung im Kontakt. Die Nanokristalle würden die Arbeit für uns tun, genau so präzise wie wir, aber mit unendlicher Ausdauer ...
Wir würden sie auf die Eigenfrequenz der Implantate prägen, so wie unsere Welt den klingenden Fels geprägt hatte ... Der Heiler würde dafür sorgen, daß sie ihren Weg zum Nervengewebe der Zhawi fanden. Unsere Aufgabe war dann, diese Wesen zu überwachen, verletztem Gewebe Heilung zu singen und für sie zu sorgen, wenn sie ewachten ... Ich löste vorsichtig den Kontakt, bereit, sofort mit den Vorbereitungen für die Arbeit zu beginnen, gefolgt von dem auf dem Weg und der Gesangshüterin des Erdvolkes. Der Heiler kam etwas benommen auf die Füße, sah uns aufbruchsbereit, zog den Scanner und prüfte jeden von uns. „In dieser Eurer Dunkelphase tut niemand von Euch irgend etwas,” sagte er bestimmt. „Ihr braucht Wasser, Ihr braucht Nahrung und Ihr müßt schlafen - ich hätte Euch längst dazu anhalten müssen, Eure Werte sind miserabel ...” Die Gesangshüterin derer im Dunklen wollte widersprechen, aber er ließ sie nicht zu Wort kommen. „Wir haben noch drei Eurer Hell- und Dunkelphasen Zeit, bis es für die Zhawi kritisch wird, etwas länger noch dadurch, daß wir sie im Tiefschlaf halten. Keiner von Euch ist mehr in der Lage, sich wirklich zu konzentrieren ...” Er blickte zu mir. „Versuche, Deinen Part Eures Gesanges zu singen - und Du mußt Deine Frequenzen sofort richtig treffen ...” Ich spannte die oberen drei Stimmbandpaare und sang - die Vierteltonschwebung in dem, was ich produzierte, schmerzte in den Ohren. Der Heiler und ich schauten einander an, und jeder sah die Erschöpfung in den Augen des anderen. Er ging hinüber zu der Ausgabeeinheit in der Wand für Wasser und Nahrung und betätigte die entsprechenden Tasten.

Mit Beginn der Hellphase in unserer Unterkunft war ich wach. Der Gesangshüter der Wasser hatte seinen Bereich bereits verlassen und sich an meine Seite gehockt. Ich bettete den immer noch tief schlafenden Zhawi, den ich die ganze Zeit zwischen den Flügeln gehalten hatte, weich in das Laub, ging in Kontakt mit dem Wasser-Gesangshüter und ließ ihm zufließen, was wir gefunden hatten, um diesen vertraut-fremden Wesen zu helfen. Die Unruhe, die wir beide empfanden, weckte auch die Gesangshüterin derer im Dunklen und den Angehörigen des Feuervolkes. „Wir werden Meerwasser brauchen,” stellte dieser mit einem Blick auf den aus den Tiefen fest, auf dessen Haut sich Verkrustungen gebildet hatten, wo zuvor die Risse gewesen waren. „Und jemanden, der ihn damit überspült.” Der Wasser-Gesangshüter lehnte ab. „Es wird gehen ... wir dürfen keine Zeit vergeuden ...” „Wenn Du durch Schmerz oder Unbehagen abgelenkt bist und der Gesang mißlingt, ist Zeit vergeudet,” sagte der auf dem Weg und erhob sich. „Ich sorge dafür, daß jeder bekommt, was er braucht.” Er wandte sich zur Tür, die im gleichen Moment von außen geöffnet wurde. Der Heiler und zwei weitere Jaridians, die ein Behältnis zwischen sich trugen, betraten unser Quartier. „Die Nanokristalle, ” sagte der Heiler und wies auf das Gefäß, das neben dem Mitte-Lager abgestellt wurde. Dann deutete er auf seine Begleiter, die ich wiedererkannte - die beiden jungen Kämpfer, mit denen ich die Auseinandersetzung über den Einsatz unseres Schildes als Waffe gehabt hatte. Jeder von ihnen hatte ein kleines Objekt an einer der Brusttaschen seiner Bekleidung befestigt. „Sie werden für unseren Gast da sein, falls er wach wird, während Ihr singt ...” Die Jaridians drückten gleichzeitig auf den Gegenstand, den sie an der Kleidung trugen - und plötzlich standen an ihrer Stelle zwei Zhawi, glatthäutig und unproportioniert wie der, der dort im Laub schlief, allerdings in ihren Kampfuniformen ...
„Hologramme,” erklärte der Heiler. „Die Sprache dieser Rasse haben wir ja bereits entschlüsselt - wir hoffen, daß unser Gast sich auf diese Weise nicht zu sehr ängstigen muß ...Ihr werdet ihm schon fremd genug sein, aber wenn das erste, was er sieht, einer seiner Todfeinde ist ...”
Wir waren erleichtert - auf diese Lösung hatte von uns keiner kommen können, während für die Jaridians der Umgang mit allen Arten von Hologrammen alltäglich war - wer einen Planeten holographisch tarnen oder einen Kampfverband auf diese Weise unsichtbar machen konnte, war auch in der Lage, dem eigenen Äußeren jede beliebige Gestalt zu verleihen ... und dem Zhawi würde der Anblick von Angehörigen seines Volkes seine neue Situation in jedem Falle weniger beunruhigend erscheinen lassen.
Der auf dem Weg hatte inzwischen das Behältnis mit den Kristallen geöffnet und die Hände an dessen Wandung gelegt. „Metall - und sehr gutes dazu,” meinte er. „Das macht es den Singenden um so leichter ...” Mit Blick auf das Gefäß wußte ich plötzlich, wie wir die vor uns liegende Arbeit für den Gesangshüter der Tiefen erleichtern konnten - so, wie während des Rathaltens in der Höhle der Gesänge ... es brauchte nur ein ausreichend großes und tiefes Behältnis für das Meerwasser, das der auf dem Weg bereits erwähnt hatte ... Ich bat den Heiler darum, der sofort sein Kommunikationsgerät benutzte, und kurze Zeit später halfen wir dem Hüter der Gesänge der Tiefen in sein Element.
Wir hatten das Gefäß mit dem Kristallstaub vom Mitte-Lager entfernt hingestellt und uns im Kreis darum herum gehockt. Die Menge Nanokristall, die wir prägen würden, überstieg den Bedarf bei weitem, aber zum einen war mit einer faßbaren Menge leichter umzugehen als mit den winzigen Volumina, von denen der Heiler gesprochen hatte, und zum anderen hatte dieser auch gebeten, wir sollten gleich einen Vorrat geprägter Kristalle schaffen, für den Fall, daß eine einmalige Behandlung nicht ausreichte oder sonstige Komplikationen aufträten. Der Heiler hielt sich im Hintergrund, die beiden holographisch getarnten Jaridians hatten sich zu dem Zhawi auf das Mitte-Lager begeben und wir waren um das Gefäß herum miteinander im Kontakt. Jeder von uns rief sich seinen Part des Zehnklang-Eigenfrequenzbandes des Implantates ins Gedächtnis, Widerwillen und Abscheu davor mit Mühe unterdrückend. Wenn das hier gelang, wäre dies zum letzten Mal gesungen ...

„Alles, was Du denkst, für uns ...
alles, was Du tust, für uns ...
alles, was Du bist ...”

Wir begannen gleichzeitig und präzise auf das Zeichen des Angehörigen des Volkes auf dem Weg, und die enorm schwingungsfähige Wandung des Behältnisses leitete die Eigenfrequenzen des CVI an die Kristalle weiter. Die Gesangshüterin des Volkes im Dunklen arbeitete mit den Resonanzsehnen den Rhythmus des Formhaltens in unseren gemeinsamen Gesang ein. Immer mehr der staubfeinen Kristalle leuchteten in pulsierendem Blau, das in Wellen durch den Inhalt des Gefäßes lief.
Und irgendwann schwangen sämtliche Nanokristalle in den Eigenfrequenzen des Cyber-Virus-Implantates, das wir dem Zhawi entfernt hatten. Die Erd-Gesangshüterin ließ den Rhythmus des Formhaltens weiter laufen, bis aus den blauen Wellenbewegungen konstant das Pulsieren des CVIs geworden war, und wir alle ließen unseren Gesang ausklingen.
Jetzt sang der Kristallstaub das Lied für die Taelon - und da in jedem Zhawi, der ihn erhielt, mehr des Staubes zur Verfügung stehen würde, als das jeweilige Implantat an Masse aufwies, würde die intensive Resonanz dieses unweigerlich zerstören ... der übrig bleibende Kristall würde aber seinen Gesang fortsetzen.
Wir schauten einander erschrocken an. Hatten wir etwas übersehen?
Der Heiler, der uns die ganze Zeit aufmerksam beobachtet und offenbar auch unsere Arbeit aufgezeichnet hatte, bemerkte unsere Unruhe, kam zu uns herüber und ging in Kontakt. „Was Ihr übersehen habt? Daß diese Kristalle genau so funktionieren werden wie die im Schild - sie arbeiten nicht permanent, sondern werden aktiviert und deaktiviert. Ihr habt sie geprägt, und aktuell sind sie im aktiven Funktionsmodus. Ich werde sie deaktivieren, bevor ich sie zu einer injektionsfähigen Lösung verarbeite, mit der gleichen Energie, mit der Ihr den Schild deaktiviert, allerdings mit einer geringeren Menge.” In der Berührung erschien der Eindruck des Kristallbehältnisses, in dem sich jetzt gewöhnlich aussehender weiß erscheinender Staub befand. „Der Marker, mit dem die Nanokristalle versetzt werden, um ihren Weg zum CVI zu finden, reagiert ausschließlich auf einen Stoff, der in den halborganischen Anteil der Implantate eingearbeitet ist. Wie CVIs im Groben beschaffen sind, wissen wir aus den Analysen derer, die wir nicht gefangen nehmen konnten, weil ihre Implantate sie getötet hatten. Auch die CVIs waren größtenteils zerstört, aber einige Bausteine konnten wir identifizieren, und danach habe ich den Marker entwickelt, der hier zum Einsatz kommt.” erklärte er weiter. „Der Kontakt mit der Molekülkette, die diesen Stoff darstellt, aktiviert den Kristall.” Wieder ein Gedankeneindruck, ein transparent erscheinender Nanokristall, der sich in eine Nervenfaser einhakte - und der sich plötzlich zu „strecken” schien, während in ihm eine blau pulsierende Struktur auftauchte, so, wie in den Schildkristallen eine dunkle Struktur erschienen war. „Ist das CVI zerstört, ist auch die aktivierende Molekülkette nicht mehr vorhanden, und in kurzer Zeit deaktivieren sich die Kristalle von selbst - dem Marker ist die Reaktionssubstanz entzogen ...” „Wie lange dauert es, bis sie wieder inaktiv sind?” fragte die Gesangshüterin derer im Dunklen. „Nicht ganz eine Eurer Dunkelphasen lang,” antwortete der Heiler.

Mit großer Erleichterung beendeten wir den Kontakt. Die Erd-Gesangshüterin verschloß das Behältnis mit dem Deckel, den der Heiler ihr reichte. Der auf dem Weg erhob sich, um es gemeinsam mit dem Heiler aufzunehmen und zu tragen, aber dieser vollführte eine verneinende Geste und zog den Scanner aus der Tasche.
„Den Rest dieser Hellphase verbringt jeder von Euch mit Regeneration,” bestimmte er, nachdem wir überprüft waren. „Für den Zhawi hier ist gesorgt, und bei der Verarbeitung der Kristalle zu einer injektionsfähigen Lösung könnt Ihr nicht helfen. Ihr werdet später genug zu tun bekommen, falls die Behandlung der anderen überhaupt gelingt ... ” Ich nahm seinen Gesichtsausdruck wahr und berührte ihn an der Schulter.
Im Kontakt zu fühlen, was dem Zhawi mit dem Implantat angetan worden war, hatte seine Einstellung dieser Rasse gegenüber wirklich vollkommen gewandelt. Keine Feinde mehr - nur Opfer ... er hatte sogar aufgehört, an die Taelons zu denken, die dieses furchtbare Werkzeug geschaffen hatten. Seine Gedanken waren ausschließlich auf die vor ihm liegende Arbeit gerichtet.
Er nahm das Kristallbehältnis an sich, mahnte uns zu reichlicher Nahrungsaufnahme und verließ unsere Unterkunft, mit der Aufforderung an die beiden seines Stammes, die über den Zhawi wachten, ihn sofort zu verständigen, wenn sich an dessen Situation irgend etwas ändern sollte.
Eine unbestimmte Zeit später regte sich das magere Geschöpf im Laub und öffnete die Augen.

Dieses Mal stand keine Angst darin, nur Verwirrung. Er betrachtete seine beiden „Stammesangehörigen” und schien sie nicht zu erkennen. Die holographische Tarnung war so perfekt gemacht, daß die absolute Unsicherheit der beiden Jaridians darüber, wie sie sich jetzt verhalten sollten, sich in den fremdartigen Mienen widerspiegelte, als sie hilflos zu uns herüber schauten. Der Gesangshüter derer in den Tiefen war in seinen Bereich unseres Quartiers zurückgekehrt, und wir waren über die durchsichtige Wand in losem Kontakt miteinander.
Ich hatte den Zhawi während der Dunkelphase zwischen den Flügeln gehalten und gewärmt - vielleicht würde er vor mir noch am wenigsten erschrecken, wenn er sich unbewußt an diese Berührung erinnerte ... Also ging ich langsam zu den dreien hinüber, hockte mich an die Seite des Wesens und legte vorsichtig meine rechte Flügelhand auf die seine. Er schaute mich genau so verständnislos an wie die beiden „Zhawi” neben ihm. Ich fühlte etwas tiefer und nahm wahr, wie er mit äußerster Mühe zu denken begann - wo das CVI ihm jetzt eine blitzschnelle Analyse der Situation beziehungsweise mehrere Erklärungsansätze und die dafür vorgefertigten Reaktionsmuster geboten hätte, war jetzt sein ungeübtes eigenes Denkgewebe damit beschäftigt, das sich ihm bietende Bild mit dem überein zu bringen, woran er sich erinnern konnte, mit dem, was er von den jüngsten Ereignissen, an denen er beteiligt war, noch wußte ... Er war ein Krieger gewesen wie die Jaridians, wenn auch nicht aus freiem Willen, und sein Geist hatte lange wie der eines Kriegers funktioniert und rief jetzt dessen gewohnte Verarbeitungsmuster für ungewöhnliche Situationen auf.
Der Zhawi musterte erneut die beiden „seinesgleichen”, diesmal mit wesentlich klarerem Blick. „Ihr gehört nicht zu meiner Besatzung,” stellte er fest, mit einer Stimme, die rauh war von Durst und längerem Nichtgebrauch. Dann wanderte sein Blick zu mir. In seinem Geist tauchte ein Erinnerungsbild auf: ein Schema unseres Sonnensystems, in dem unsere Welt ins Zentrum des Blickfeldes rückte, verknüpft mit dem Eindruck je eines Wesens unserer Völker mit Ausnahme derer auf dem Weg. Und unsere Welt wurde größer und größer ... Er schaute mich von oben bis unten an. „Warum bist Du nicht tot?” fragte er.
Die beiden Jaridians wirkten schockiert. „Euer Angriff auf uns war ein Fehlschlag,” antwortete ich ihm. „Ihr habt alle überlebt, aber Euer Schiff hat schweren Schaden genommen ...” „Wo ist der Rest unseres Kampfverbandes?” „Die übrigen Schiffe? Sie sind fort ... sie haben Dich und die Deinen zurückgelassen ...” „Wo ist die Besatzung meines Schiffes?” „Hier, unter medizinischer Beobachtung ...” Der Zhawi erhob sich halb, stützte sich merkwürdig falsch auf seine Ellbogen und blickte sich um. „Das hier ist nicht mein Schiff. Wo bin ich?” Diese Frage war die schwierigste ... Ich formulierte die Antwort so behutsam wie möglich. „Du und die Deinen - ihr seid in Sicherheit ... Ihr seid auf einem Schiff, das zufällig in der Nähe war; wir haben Euch an Bord genommen ... Wir wußten nicht, wie lange Eure Systeme durchhalten ... Euer Schiff haben wir im Schlepp ...” Er musterte die Erd-Gesangshüterin und den Angehörigen des Feuervolkes, die inzwischen ebenfalls an das Lager herangetreten waren, letzteren mit großem Mißtrauen. „Ist das hier Euer Schiff?” „Nein ... es ist das Schiff eines Volkes, dem wir Freund geworden sind ...” Die Gesangshüterin derer im Dunklen berührte den Zhawi sanft an der Schulter, dann ging sie zur Nahrungsspendeeinheit hinüber und kam mit einem großen Becher voller Wasser wieder, den sie ihm in die Hände drückte. Sie schaute ihm in die Augen. „Keine Fragen mehr,” sagte sie, sanft, aber bestimmt. „Du mußt trinken ... die Deinen werden bald hier mit Dir sein, und wir werden tun, was wir können, um Euch zu heilen ...” „Heilen?” fragte der Zhawi. „Bin ich verletzt?” „Du warst verletzt,” antwortete sie, „und Du bist noch krank davon ...” „Schwach ... ich bin schwach ...” stellte das Wesen fest. „Ich weiß,” meinte sie, „trink jetzt ...Du brauchst das Wasser, und Du brauchst Nahrung ...” Sie fuhr mit den Fingerspitzen über seine verkümmerte Flugmuskulatur und die merkwürdig herausstehenden Rippen. „Wie hat es so weit kommen können?” Der Zhawi hatte begonnen, den Becher zu leeren, sackte aber auf halbem Wege aus purer Erschöpfung wieder in sich zusammen. Ich fing ihn auf, die Erd-Gesangshüterin nahm ihm das Wasser ab und wir betteten ihn bequem wieder in das Laub. Das Letzte, was kurz in seinem Geist aufleuchtete, war ein Eindruck, den er meinen Gedanken über den Kontakt entnommen hatte: er selbst - mit dichtem schwarzem Gefieder, voll entwickelten Flugmuskeln, die sich darunter wölbten, und mächtigen Schwingen, größer als meine es waren ... und dieser Eindruck war verbunden mit Erstaunen und Verwirrung.
Wie hatte es so weit kommen können?

Der auf dem Weg, die Erd-Gesangshüterin und ich gruppierten uns so um den Zhawi, daß wir bequem Kontakt zu ihm und miteinander hielten. Einer der beiden Jaridians hatte den Heiler über die jüngsten Vorgänge hier unterrichtet, und dieser war auf dem Weg zu uns. Vielleicht bekamen wir mit Hilfe der Daten, die den Jaridians inzwischen über die Zhawi vorlagen, heraus, was diese Wesen so sehr von ihrer eigentlichen Gestalt abweichen ließ - die Taelons arbeiteten bevorzugt mit genetischer Manipulation, um andere Wesen ihren Bedürfnissen anzupassen ... wenn sie solche an den Zhawi vorgenommen hatten, war es dann überhaupt möglich, diesen Heilung zu singen? Allein wie sie sich bewegten und ihre Gelenke und die fein gebauten Knochen Belastungen aussetzten, für die sie überhaupt nicht geschaffen waren, mußte ihnen permanent Schmerzen bereiten ... und warum waren sie so unterernährt? Waren dem Kampfverband, der unseren Planeten vernichten sollte, die Vorräte ausgegangen?
Der Heiler erschien, scannte den Zhawi und begab sich auf unsere Bitte mit in den Kontakt.
Der Energiemangel des träumenden Geschöpfes war offensichtlich. Ich ging in die Tiefenwahrnehmung und überprüfte sein Innerstes. Unterstützt von der Gesangshüterin des Erdvolkes war ich dem Zhawi schließlich zelltief verbunden ... ich verglich das, was ich wahrnahm, mit dem präzisen Bild, das uns die, die uns trägt, damals von dieser Rasse übermittelt hatte.
Seine innersten Strukturen, die ihn zu dem machten, was er war, waren unangetastet. Keine genetische Manipulation. Aber bereits eine Ebene höher, dort, wo dafür gesorgt wurde, daß das, was diese Strukturen vorgaben, stoffliche Gestalt annahm, stimmte es nicht mehr ... ich fühlte plötzlich ungeheuren Hunger, so intensiv, daß mein ganzer Körper zu schmerzen begann. Jede einzelne meiner Zellen schrie nach etwas, ich hungerte seit unvorstellbarer Zeit danach, zu werden, was ich wirklich war, und konnte es nicht - weil etwas fehlte. Etwas Wesentliches ... etwas, ohne das ich niemals vollständig werden konnte ... es tat so weh ...
Eine kraftvolle, tiefrote Präsenz dicht neben mir, die mich in ihre wärmende Farbe einhüllte, und eine scharfe, weiß glühende, die mich behutsam, aber bestimmt von dem Zhawi trennte. „Was fehlt?” fragte die weiß glühende Anwesenheit. „Bleib' klar ... bleib' Du selbst und schaue mit Abstand ... Du weißt es schon ...” Mich auf die beiden Präsenzen stützend, fühlte ich in das hinein, was nicht da war, und es hatte tatsächlich eine vertraute Struktur ... er brauchte ... er brauchte dringend etwas, das ich kannte ... etwas Kleines, Weiches, Rundes ... Orangefarbenes ... ich hatte plötzlich einen süßen, farbigen, feuchten Geschmack auf der Schnabelzunge und fühlte mich - klein ...
Zwischenholzbeeren.
Dieses Wesen stammte nicht von unserer Welt und hatte sie nie betreten. Und trotzdem benötigte es, um ganz es selbst zu sein und die Gestalt zu entwickeln, die sein Innerstes ihm bestimmte, Zwischenholzbeeren ...die wichtigste Nahrung unserer Nichtflüggen, sobald sie aus den Höhlen in die Zwischenhölzer klettern, bevor die sterbenden Ph'taalkäfer aus den Kronen fallen, deren Körper ihnen helfen, stark zu werden für die zweite Verwandlung ...
Zwischenholzbeeren.
Wir hatten getrocknete Vorräte davon, nicht hier, aber auf unserer Welt ... ich löste mich mühsam aus der Tiefenwahrnehmung und tastete über den Kontakt nach den anderen. Die Gesangshüterin des Volkes im Dunklen bat den Heiler, die Erlaubnis zu erwirken, daß jemand von uns auf unsere Welt geflogen würde, um so viel von unseren Vorräten herauf zu schaffen, wie gebraucht würde - hoffentlich würde es reichen ... Der Angehörige des Volkes auf dem Weg hatte einen näher liegenden Gedanken. „Was ist mit den Nahrungsmitteln auf dem Zhawi-Schiff? Das ginge wesentlich schneller ... oder gibt es dort nichts mehr, und das ist der Grund für den Mangel?” „Dort gibt es Nahrung,” antwortete ihm der Heiler, mit spürbarer Verwirrung. Er wandte sich an mich. „Wir haben sie sogar schon analysiert, um sie bei Bedarf synthetisieren zu können. Die Lebensmittel an Bord des Zhawi-Schiffes enthalten nichts, was auch nur annähernd mit Euren Zwischenholzbeeren, so wie Du sie zeigst, vergleichbar wäre.”
Das ergab überhaupt keinen Sinn.

Irgend jemandem mußte ein schrecklicher Fehler unterlaufen sein ... vielleicht waren die Vorräte für das Zhawi-Schiff vertauscht worden ... aber gleichgültig, was geschehen war, jetzt wurden zunächst reichlich Zwischenholzbeeren hier oben gebraucht, und es galt einen Weg zu finden, diese so schnell wie möglich zu beschaffen.
Der Blick des Heilers ruhte auf der Hüterin der Gesänge derer im Dunklen, und der Eindruck des Bündels, das sie mitgenommen hatte, als wir von unserer Welt hierher aufbrachen, war im Kontakt. Sie fing das Bild auf. „Eine kleine Menge Beeren habe ich,” meinte sie, „für uns Ausgewachsene sind sie Medizin gegen einige Erkrankungen, und sie helfen, gebrochene und wieder zusammen gesungene Knochen schneller zu festigen ... aber die wenigen Beeren reichen nicht einmal für einen einzelnen Zhawi ...” „Gib sie mir,” bat der Heiler. „Ich kann vielleicht helfen, ohne daß wir zu Eurer Welt hinunter fliegen müssen ...” Für einen Augenblick sah ich ihn auf der medizinischen Station des Kreuzers, angespannt einen Bildschirm mit zwei Gruppen wechselnder farbiger Linien beobachtend, als ob er auf etwas Bestimmtes wartete. Die Erdvolk-Gesangshüterin löste sich aus dem Kontakt, holte ihr Bündel und entnahm ihm ein großes grasumwickeltes Ph'taalblatt, an dessen einem Ende ein Zwischenholzästchen heraus schaute. Sie legte es dem Heiler in die Hand, der sich daraufhin ebenfalls aus der Berührung begab und unser Quartier verließ.
Er blieb eine geraume Zeit fort, während derer die beiden jungen Jaridians um Kontakt baten. Wir schlossen den Kreis mit ihnen. Spürbar wurden so etwas wie Ablehnung und deutliche Verunsicherung. „Warum setzt Ihr Euch so für Eure und unsere Feinde ein? Die Zhawi haben versucht, Euren Planeten zu vernichten ...” fragte der eine von ihnen. „Und warum handelt er” - gemeint war der Heiler - „ebenso?” „Deswegen,” antwortete ich und ließ beiden zufließen, was ein Cyber-Virus-Implantat aus seinem Träger machte.
Der gefragt hatte, brach den Kontakt ab und hielt sich den Kopf, Abscheu und Entsetzen ausstrahlend. Der andere saß völlig erstarrt da. Ich berührte den einen Jaridian sanft an der Schulter und sang ihm Wärme und Loslassen, bis er die Hände sinken ließ und mich ansah. „Wie können Wesen anderen so etwas antun?” Jeglicher Zorn auf die Zhawi war aus seinem Geist verschwunden, er sah in dem abgezehrten Geschöpf zwischen uns jetzt das Opfer, so wie der Heiler. Wir nahmen beide Jaridians wieder in den Kontakt. „Helft uns, sie zu heilen ...” „Wir müssen das hier zusammen lösen ...” Das waren die Hüterin der Gesänge derer im Dunklen und der Feuervolk-Angehörige. Die beiden begannen, leise die Eigenfrequenzen ihres jeweiligen Volkes zu singen. Ich wob die des Windvolkes und den heißen, dichten Klang der Jaridians dazu, soweit ich fähig war, ihn zu produzieren, und die beiden Krieger stimmten irgendwann ein ...
Schließlich öffnete sich die Tür zu unserer Unterkunft, und der Heiler begab sich mit in unsere Berührung. Er wirkte müde, aber zufrieden. Wir wandten uns ihm zu, den Gesang ausklingen lassend. „Es ist, wie ich vermutet hatte,” ließ er uns zufließen. „Es geht nicht um die Beeren selbst, sondern um etwas, das sie enthalten, eine bestimmte molekulare Verbindung. Diese Verbindung ist eine Art Botenstoff, ein Signal, auf das hin bei den Zhawi Zellen beginnen, sich zu wandeln. Ist dieser Stoff in genügender Menge vorhanden, wachsen ihnen Federn, und ihre Flugmuskulatur entwickelt sich. Fehlt er, gehen die Federn aus und es bilden sich keine neuen. Ohne Federn, vor allem ohne die an den Schwingen, werden sie flugunfähig und die entsprechenden Muskeln verkümmern. Die Zhawi sind offenbar eine langlebige Rasse, deren gesamtes System sich zyklisch erneuert; das heißt, sie brauchen den Botenstoff bis ins hohe Alter.
Wir haben ihren Stoffwechsel noch lange nicht komplett verstanden, aber wir können ihnen helfen. Ich habe die benötigte Substanz aus Euren Beeren isoliert, und wir können sie synthetisieren, so wie wir die Nahrung für Euch synthetisiert haben; die entsprechenden Prozesse habe ich bereits eingeleitet. Wir werden eine Art Getränk damit herstellen, das eine festgelegte Menge der Substanz pro definierter Menge Lösung enthält, so daß wir sie kontrolliert damit versorgen können ...” Begleitet war seine Erklärung mit einer Flut von Gedankeneindrücken, von denen der einzig verständliche der eines kahlen Zhawi war, der durstig eine trübe Flüssigkeit aus einem großen Becher trank, woraufhin ein zarter schwarzer Flaum auf seiner Haut erschien.
„Wann wird dieses Getränk fertig sein?” fragte die Erd-Gesangshüterin. Ehe der Heiler antworten konnte, meldete sich sein Kommunikationsgerät - er solle sich auf die Brücke begeben, um Bericht zu erstatten über das bisher Erreichte, und er solle mich dorthin mitnehmen. Er bestätigte die Meldung und löste sich aus der Berührung, ich begab mich ebenfalls aus dem Kontakt, überlegend, welche Art Arbeit es ausgerechnet auf der Brücke für mich zu tun gäbe - dort wurde unsere Anwesenheit häufig eher als störend erlebt ...
Auf der Brücke befand sich neben denen, die dort diverse Geräte zu bedienen hatten, nur der Sprecher. Er ließ sich kurz die Zusammenhänge um die Zwischenholzbeeren erklären und fragte dann nach der Injektionslösung, die die Zhawi-Besatzung von ihren CVIs befreien sollte, wobei er mir einen langen Blick zuwarf. Hinter ihm auf einem Bildschirm flimmerten die Abbildungen von etwas, das aussah wie zwei extrem vergrößerte Nanokristalle; unter jedem Kristall gab es eine lange Reihe der kleinen Zeichen, von denen ich inzwischen wußte, daß sie jaridianische Zahlen darstellten. Nachdem der Heiler bestätigt hatte, die Injektionslösung sei fertig und müsse nur noch in entsprechende Dosierbehältnisse abgefüllt werden, schickte der Sprecher ihn fort, bedeutete mir mit einer Geste, vor den Bildschirm zu treten und legte mir eine Hand auf die Schulter. In der Zahlenreihe unter dem Kristallabbild links auf dem Bildschirm hatte eine Ziffer orangefarben zu blinken begonnen. „Ich will, daß Du Dir dies genau anschaust,” sagte er sehr ruhig, aber über die Berührung nahm ich deutliche Anspannung wahr, einmal mehr durchsetzt von unterschwelligem Mißtrauen.Ich konnte keine Bilder dazu auffangen, als ob er seinen Geist bewußt verschloß, also wandte ich mich davon ab und konzentrierte meine Aufmerksamkeit auf den Bildschirm. Durch das, was wir innerhalb der sieben Hell- und Dunkelphasen des Übens und Getestetwerdens hier gelernt hatten, war ich in der Lage, wenigstens einen Teil der Zahlen - und der wenigen Worte oberhalb der Kristall-Darstellungen - zu entziffern. Der vergrößert abgebildete Nanokristall auf der rechten Bildschirmhälfte stellte einen Partikel aus unserem Schild dar, so, wie er von den Jaridians während der Planung des selben entworfen worden war - die Zahlen darunter bezeichneten die Frequenzen, die wir zu singen hatten, um ihn genau so herzustellen. Das abgebildete Teilchen zur Linken war eines, das während der Überprüfung des Schildes auf Angriffsschäden diesem von einer Sonde entnommen worden war. Die darunter orange blinkende Zahl oben in der Reihe der Frequenzen wich von ihrer Entsprechung unter dem entworfenen Partikel um ein Geringes ab.
„Warum habt Ihr das getan?” fragte der Sprecher im gleichen Tonfall wie zuvor.
Ich öffnete ihm meine Gedanken so weit wie möglich, wähend ich mich an die Herstellungsphase des Schildes erinnerte ... Die Jaridians hatten uns die exakten Frequenztabellen gegeben, die die Form der Nanopartikel, so, wie sie gebraucht wurden, vorgaben. Wir hatten die Klangbänder eingeübt ... Der einzige Fehler darin lag im ultrahohen Bereich, eine lästige, kratzende Sechzehntelschwebung, die die Symmetrie eines jeden Partikels beeinträchtigt hätte. Wir vom Windvolk, die den ultrahohen Part zu singen hatten, hatten den Fehler einfach korrigiert ... ich hatte inzwischen verstanden, daß Symmetrie in der jaridianischen Technologie grundlegend wichtig war - was beunruhigte den Sprecher so sehr, daß er offenbar wieder einmal verborgene feindliche Absichten bei uns vermutete?
Er verfolgte, was ich ihm zufließen ließ, mit großer Skepsis. „Warte, ich singe es Dir vor ... dann wird es deutlich ...” Ich holte Atem, aber er machte eine Geste, als wolle er mir den Schnabel zuhalten. „Bitte nicht ...” „Entschuldigung ...” Der Sprecher wandte sich dem Schaltpult zu, zu dem der Bildschirm gehörte, und drückte einige Tasten. Die Abbildungen der Nanokristalle begannen sich zu drehen, bis ein erneuter Tastendruck sie anhielt. Aus dem Blickwinkel, aus dem sie jetzt sichtbar waren, sah man deutlich, daß dem von den Jaridians entworfenen Partikel an einer Kante ein winziges Bruchstück fehlte, wie abgesplittert. „Wie habt Ihr davon wissen können? Wir haben bisher geglaubt, Ihr wäret außerstande, Dinge zu verbergen ...” Ich legte ihm beide Flügelhände auf die Schultern. „Bitte, schau in meine Gedanken ... alles, was wir über Eure Technologie wissen, wissen wir von Euch, und ich behaupte nicht, daß ich bisher auch nur die Hälfte davon begriffen hätte ... das mit der Asymmetrie der von Euch entworfenen Kristalle haben wir nicht gewußt, sondern gehört ... bitte, erkläre Du mir, wie wir das hier - ” - ich produzierte das fehlerhafte Frequenzband ganz leise, so daß er mehr die zugehörige Vibration spürte als tatsächlich Töne hörte, und verstärkte die Sechzehntelschwebung - „hätten überhören sollen ...” Er zuckte heftig zusammen. Dieser Klang war beinahe so unangenehm wie der der fehlerhaften Zuleitung damals in der Wand. „Wenn ich einem Stein ein falsches Lied der Form singe, dann nimmt er falsche Form an ...”
Der Sprecher war noch nicht überzeugt. Er veränderte die Darstellung auf dem Schirm erneut. Diesmal zeigte sie nur Kristalle, wie wir sie gesungen hatten, in einer sehr merkwürdigen Abfolge von Einzelbildern. Auf dem ersten davon waren zwei Partikel zu sehen, die weit auseinander lagen, mit einer Menge winziger, fremdartig wirkender anderer Teilchen dazwischen. Auf dem nächsten waren die Nanokristalle als solche nicht mehr zu erkennen, sie waren zu buckligen, klumpigen, unförmigen Gebilden geworden, und die Teilchen dazwischen waren verschwunden. Das darauf folgende Bild zeigte wieder zwei normale Nanokristalle, doppelt so groß wie zuvor. Und das letzte Einzelbild zeigte plötzlich - vier dieser Partikel, in einem Abstand zueinander, der jeweils genau ein Viertel der Strecke betrug, die auf dem ersten Bild zwischen den beiden ursprünglichen Kristallen gelegen hatte ... „Und davon habt Ihr auch nichts gewußt - das konntet Ihr ebenfalls einfach irgendwo heraushören ...” meinte der Sprecher, und ich empfand seinen beiläufigen Tonfall als unangenehm, weil die Anspannung darunter weiter anstieg. Ich blickte ihm in die Augen, während ich versuchte, die Nanokristall-Bilderfolge zumindest irgendwie zu begreifen, was mir nicht gelang. „Was muß ich denn tun, damit Du mir glaubst, daß ich davon noch nie etwas gewußt oder gehört habe? Ich weiß doch nicht einmal, was das soll ...” Ich hatte unbewußt den Kontakt intensiviert, und ich hatte jetzt das Gefühl, seinerseits von ihm „sondiert” zu werden, als ob er über Tiefenwahrnehmung verfüge. Er prüfte jede einzelne Silbe, jeden einzelnen Eindruck, den ich ihm übermittelt hatte und noch übermittelte während dieser Berührung. Ich öffnete mein ganzes Wissen über das Singen, vor allem über das Formsingen, das ich nicht einmal besonders gut beherrschte - das war eine besondere Fähigkeit derer im Dunklen, von der ich nur einen Bruchteil geerbt hatte ... „Wenn ich einem Stein die falsche Form singe, nimmt er falsche Form an ...”
Einen Kontakt wie diesen hatte ich noch nie erlebt - ich mußte mir immer wieder klar machen, daß der Sprecher nicht anders handeln konnte als er es tat - Krieg bedeutete ausnahmslos die Anwesenheit von Lüge und Verrat, und Lüge und Verrat waren meist hervorragend getarnt ... Es schmerzte trotzdem, aber ich hielt still ... und schließlich schaute er mich an, meinen Schmerz in seinen Augen gespiegelt. „Es tut mir leid,” sagte er. „Ich hätte es besser wissen müssen ... vergib mir, daß ich Dir das antun mußte ... Wir haben Eure Art, die Dinge wahrzunehmen, noch immer nicht ganz verstanden. Ich glaube Dir, daß Ihr Euch über die Folgen dessen, was Ihr ‚einen Fehler korrigieren’ genannt habt, nicht im Klaren gewesen seid.”
Ich spürte seine Aufrichtigkeit und ließ ihm zufließen, daß ich verstand. Und daß mich die Bilder, die er mir gezeigt hatte, verwirrten. „Was ist denn eigentlich geschehen?” fragte ich behutsam über die Berührung. „Hat der Schild ernsthaft Schaden genommen? Was beunruhigt Dich so sehr?”

Er atmete tief aus, wandte sich wieder dem Schirm zu und deutete auf die vier verschiedenen Bilder. „Dvaraks Postulat der molekularen Intelligenz in anorganischen Systemen,” sagte er. „Befinden sich höher strukturierte molekulare Verbindungen in einem chaotischen oder minderorganisierten System, so sind diese unter bestimmten Umständen imstande, über die Entwicklung autonomer Subroutinen das gesamte System ...” Ich verstand nur, daß das irgend etwas mit den Kristallen auf dem Schirm zu tun haben mußte. „Auf diesem Postulat beruht im Wesentlichen unsere Technologie,” meinte der Sprecher. „Ich glaube Dir, daß Du kein Wort davon verstehst, ich brauche Dich ja nur anzuschauen. Nichtsdestotrotz hat das, was Ihr getan habt, dieses Postulat nicht nur einmal mehr unter Beweis gestellt, sondern Ihr habt es auf einer höheren Ebene in Funktion gesetzt, als es uns je gelungen ist ... wir verstehen noch nicht, wie es geschieht ... und das alles, weil es sich für Euch „falsch angehört” hat ...” „Was?” fragte ich. „Was haben wir in Funktion gesetzt? Wir haben nur symmetrische Kristalle gesungen ... ” Er intensivierte den Kontakt, und plötzlich war seine gespannte Stimmung der Begeisterung gewichen. „Wir haben es zuerst nicht geglaubt, aber an allen Stellen, wo der Schild Schaden genommen hatte, ist das Selbe geschehen. Wenn zum Beispiel eine unserer Sonden beschädigt wird, zerfällt sie in ihre einzelnen Module - notfalls bis in den submikroskopischen Bereich - und ist in der Lage, sich inklusive der molekularen Ebene selbst zu reparieren, auch unter Integration von Fremdmaterial. Die Kristalle im Schild sind einen Schritt weiter gegangen - sie reparieren sich nicht nur, sondern replizieren sich - sie sind in der Lage, sich selbsttätig zu vermehren!”
Zusammen mit den Gedankeneindrücken, die er mir zuströmen ließ, begriff ich plötzlich, was die vier Abbildungen darstellten. „Es ist, als ob die Nanokristalle in der Lage wären, zu erkennen, wann der Abstand zwischen ihnen und ihren Nachbarn zu groß geworden ist, etwa, wenn ein Angriff eine Lücke in den Schild gerissen hat. Je nach Wucht der auftreffenden Energieladung werden, bevor genügend Kristalle in Resonanz gegangen sind, etliche davon zerstört. Es scheint, als ob nach dem Angriff die verbliebenen Kristalle die Defekte überbrückt haben, indem sie sich darüber verteilten - und dann „feststellten”, sie seien zu wenige, als daß der Schild richtig funktionieren könne ... Sie begannen, freie Partikel, die sowieso ständig in Eurem Magnetfeld treiben, an sich zu binden und in ihre Struktur zu integrieren. Und als sie die doppelte Masse ihrer selbst erreicht hatten, teilte sich jeder einzelne in zwei identische, voll funktionstüchtige neue Kristalle, die sich in nichts voneinander unterschieden. Der Schild um Euren Planeten ist vollständig intakt, als wäre nie etwas geschehen, und das war bereits nach einer einzigen Eurer Dunkelphasen so. Es scheint, als hätte er bereits während des laufenden Angriffs an allen beschädigten Stellen sofort mit der Selbstreparatur begonnen. Dabei waren die Schäden so geringfügig, daß wir lange suchen mußten, um sie überhaupt zu finden. Absolut symmetrische Nanokristalle sind in der Lage, sich selbst zu replizieren - das eröffnet uns vielleicht ganz neue technische Möglichkeiten ...”
Ich fühlte seine Begeisterung und war selbst erleichtert, wie leistungsfähig das war, was unsere Welt schützte, konnte mir aber kaum vorstellen, wie sich die Technologie der Jaridians noch verbessern ließe - das, was ich davon bisher erlebt hatte, funktionierte für mich eher wie ein Wunder als wie etwas Alltägliches oder sogar Fehlerhaftes, und Dinge wie eine Dissonanz bei den ultrahohen Frequenzen oder eine defekte Zuleitung taten dem keinen Abbruch ...
Ich dachte plötzlich an die Nanokristalle für die Zhawi. Könnte es diesen Wesen schaden, wenn die Kristalle sich auch in ihnen vermehrten? Eigentlich nicht ... denn die einzelnen Teilchen taten das offenbar nur, wenn ihresgleichen vernichtet wurde, und veränderten dann nicht ihre absolute Menge, sondern stellten nur ihre ursprüngliche Anzahl wieder her ...
Der Sprecher folgte den Eindrücken in meinem Geist mit großer Aufmerksamkeit. Was wäre, wenn man einem Wesen, dessen CVI durch die entsprechenden Nanopartikel zerstört worden war, ein neues Implantat einsetzen würde? Die im Nervengewebe eingehakten Teilchen würden doch in kürzester Zeit davon aktiviert - und würden es erneut vernichten ... Was wäre, wenn ein nicht in einem Wesen befindliches Implantat mit den Kristallen in Berührung käme? Die Partikel fanden zwar in jedem Organismus, der über Nervengewebe verfügte, den Weg dorthin. Aktiv, das hieß, die Eigenfrequenz eines CVIs singend, wurden sie durch einen Bestandteil der halborganischen Implantatsmatrix selbst ... also müßte auch ein nicht implantiertes CVI durch sie zerstört werden ... In mir tauchte der Eindruck eines merkwürdigen Behältnisses auf, in dem sich, in einer Flüssigkeit schwimmend, ein Gebilde befand wie das, was wir dem Zhawi aus dem Gehirn gesungen hatten. Ich sah mich selbst mit einer Flügelhand voll Kristallstaub, mich vorsichtig umsehend und dann die Partikel in das Behältnis gebend. Ein heftiges blaues Aufleuchten - die Flüssigkeit begann zu brodeln und plötzlich platzte das Gefäß, mich mit Scherben und Feuchtigkeit überschüttend. Das CVI war verschwunden, die Kristalle waren funkelnder Staub auf dem Boden und in meinem Fell.
Der Sprecher antwortete darauf mit einem Bild eines ihrer kleineren Kampfschiffe, schnell und wendig wie ein Shuttle, aber mit schwererer Bewaffnung und wesentlich höherer Lastenkapazität. Es flog, holographisch und durch eine Vorrichtung, die „Signaturenverzerrer” genannt wurde, getarnt, innerhalb der Atmosphäre eines Planeten, der, wie die Sensoren anzeigten, von den Taelons besetzt und beherrscht war. Das Schiff gab kontinuierlich eine massive Ladung Anti-CVI-Nanokristalle in die Atmosphäre ab.
Der Sprecher der Jaridians und ich schauten einander an.
Hoffnung ...

In diesem Moment betrat der Heiler die Brücke, bemerkte, daß wir in tiefem Kontakt waren und berührte behutsam meinen linken Flügel. Wir wandten uns ihm beide zu. „Die Injektionslösung ist bereit,” sagte er. „Wir können mit der Behandlung der Zhawi beginnen - die ersten werden gerade in Euer Quartier gebracht.”

Der Sprecher ließ mich los. „Das hat in jedem Falle Vorrang,” stellte er fest. Ich beendete meinerseits den Kontakt und beeilte mich, dem Heiler folgend, unsere Unterkunft zu erreichen. Dort waren die Gesangshütenden von Erd- und Wasservolk sowie der auf dem Weg bereits dabei, unser Mitte-Lager mit einem undefinierbaren weichen Stoff, der in Mengen herbeigeschafft worden war, zu vergrößern. Die ersten drei unbehandelten Zhawi waren bereits neben ihren schlafenden Artgenossen gebettet. Ich machte mich sofort an die Arbeit. Kurze Zeit später traten zwei holographisch getarnte Jaridians ein, die einen weiteren bewußtlosen Zhawi auf einer Trage transportierten. Ich hob ihn zusammen mit dem Gesangshüter derer in den Tiefen hoch, legte ihn zu den Seinen und bedeckte ihn mit dem weichen Material, das sich anfühlte wie ganz frisches Ph'taal-Laub, aber nach nichts roch.
Dabei fiel mir auf, daß die Haut des Wasser-Gesangshüters immer noch nicht richtig verheilt war ... und wie erschöpft er wirkte, obwohl er seinen Bereich noch gar nicht lange verlassen hatte ... er packte zu wie alle anderen auch, hatte aber den Sauerstoffkonzentrator auf volle Leistung gestellt, was die ganze Zeit vorher noch nie notwendig gewesen war. Ich berührte seine linke Flosse und fragte ihn über den Kontakt danach, aber er wehrte ab: „Es ist nichts ... das hat Zeit bis später ...” Ich bemühte mich, ihn nicht merken zu lassen, daß die Berührung mich erschreckte. Er fühlte sich so anders an als sonst ... seine Lungen schienen nicht richtig zu arbeiten, aber nicht, als ob er krank wäre oder mit der Schwere nicht zurecht käme, sondern als ob etwas - etwas Fremdes sie daran hindern würde, normal zu funktionieren ... „Das hat keine Zeit bis später,” bestimmte ich. „Wie willst Du für all die Wesen hier singen können, wenn Du nicht einmal richtig atmen kannst?” Er setzte dazu an, meine Flügelhand sanft abzustreifen, aber ich hielt ihn fest und blickte ihm in die Augen. Um seine inneren Sehöffnungen hatte sich ein merkwürdiger gelb-grüner Ring gebildet. „Nein, das hat wirklich keine Zeit mehr ...” Ich gab dem Heiler, der gerade im Begriff war, den ersten vier Zhawi die implantatzerstörenden Kristalle zu injizieren, ein Zeichen, und er mußte mir angesehen haben, wie dringend mein Anliegen war. Er begab sich in Kontakt mit uns beiden, und als er das physische Unbehagen und meine Besorgnis spürte, zog er sein Überwachungsgerät.

Er scannte den Wasser-Gesangshüter, und das Gerät gab einen durchdringenden Alarmton von sich, den er sofort abschaltete. Er war genau so erschrocken wie ich, aber noch aus einem weiteren Grund. „Warum hat der Vitalscanner Deine Werte nicht korrekt weitergegeben? Die Daten, die er mir übermittelt, erscheinen alle normal ... Du hast was getan? Deinem Scanner gesungen ... Du hast ihn manipuliert?” Jetzt war neben seiner Sorge Zorn spürbar. „Dein Leben kann auf einem Raumschiff von kleinsten Details abhängen ... und für uns hängt so viel daran, daß Ihr den Flug zu unserer Heimatwelt gut durchsteht ... warum hast Du das getan?”
Der Gesangshüter der Wasser deutete mit der rechten Flosse auf die inzwischen fast vollständige Zhawi-Besatzung in unserer Unterkunft. „Ich werde jetzt hier gebraucht, so wie Ihr alle auch, ich habe meinen Part zu singen und muß für sie da sein, also kann ich mich nicht einfach drücken, nur weil ich mich etwas schwächlich fühle ...” „Es funktioniert andersherum,” ließ ich ihm zufließen, „Du wirst hier gebraucht, deshalb mußt Du so leistungsfähig wie möglich sein ... also, was ist nicht in Ordnung?” Er nahm einen mühsamen Atemzug aus dem Konzentrator. „Das Wasser, in dem ich hier wohne ... es ist etwas darin, das auch die Pflanzen nicht verarbeiten können ... ich kenne es nicht, es schmeckt fremd ...” Der Heiler scannte ihn erneut. „Seit wann schmeckt es fremd?” „Seitdem er hier ist,” antwortete der Wasser-Gesangshüter und deutete auf den Zhawi ohne Implantat. Der Heiler schaute mich an. „Hast Du seitdem eine Veränderung bemerkt?” „Die Luft hier riecht seither etwas anders ...wir haben es bemerkt - und sofort wieder vergessen, es macht ja nichts ...”
Das Gesicht des Jaridian verriet Bestürzung, als er dem Gesangshüter der Tiefen in die Augen sah und die ringförmigen Verfärbungen entdeckte. „Daran hätten wir denken müssen ... daß es mit Wasser reagieren könnte, vor allem mit salzhaltigem ...” Wir verstanden beide nicht, also erklärte er: „Die Zhawi brauchen eine besondere gasförmige Verbindung in ihrer Atemluft, von der in der Euren nur Spuren vorkommen. Euer Stoffwechsel ist davon vollkommen unberührt, also haben wir, als Ihr den ersten der Ihren bei Euch aufgenommen habt, den Anteil dieser Verbindung in der Luftversorgung Eures Quartiers erhöht - der Zhawi wäre ohne diese Maßnahme krank geworden, und Euch konnte es nicht schaden ... wir haben nicht damit gerechnet, daß dieses Gas mit Wasser oder den gelösten Salzen darin toxische Verbindungen eingehen kann ...”
Er überlegte einen Augenblick, wandte sich dann an den Wasser-Gesangshüter und unterzog ihn erneut einem gründlichen Scan. „Gut ... das Toxin ist schon isoliert ... ich synthetisiere das Gegenmittel, so schnell es geht. Während Ihr hier arbeitet, werden Wasser und Pflanzen in Deinem Teil der Unterkunft ausgetauscht, und die Atemgasversorgung für Dich wird vom Rest Eures Bereiches einfach abgetrennt, so daß der Zhawi-Zusatz nicht mehr hinein geraten kann.” Er nahm die rechte Flosse des Gesangshüters und meinen linken Flügel in einen festen Griff. „Wenn sich einer von Euch noch einmal so etwas leistet ... Ihr habt die geringste Auffälligkeit sofort zu melden, und das gilt vor allem, wenn es um Euch selbst geht ...„ Seine Berührung übermittelte mir widerstreitende Gefühle, die er offenbar selbst nicht klar durchschaute. Ehe wir antworten konnten, beendete er den Kontakt, schaute den Wasser-Gesangshüter noch einmal von oben bis unten an, wandte sich ab und verließ uns.
Einige Zeit später war er wieder da. „Um das Gegenmittel kümmern sich meine Leute auf der medizinischen Station,” sagte er und nahm ein Injektionsbehältnis mit der milchigen, halb transparenten Flüssigkeit auf, welches die implantatzerstörenden Kristalle enthielt. „Wir optimieren das Verfahren, wenn nicht ich allein die Lösung verabreiche. Ich zeige Euch, wie Ihr sie zu injizieren habt. Es macht einen Sinn, nicht mehr als drei Zhawi auf einmal zu explantieren, weil Ihr für sie singen müßt, um das bei der Zerstörung des CVIs hitzegeschädigte Hirngewebe zu heilen. Du,” - er deutete auf den Angehörigen des Feuervolkes - „hältst Dich am besten bereit für die, die wach werden ...” „Das werde ich,” antwortete der auf dem Weg, „so, wie ich darauf achte, daß keiner der Ihren vorzeitig erwacht.”
Aus den Augenwinkeln hatte ich zwischendurch wahrgenommen, wie er einem der noch Implantierten, der angefangen hatte, sich unruhig zu bewegen, ganz sanft über die Augen strich, eine Hand auf dessen Brustkasten gelegt, und leise ein paar Worte gesungen hatte ... der so Behandelte hatte sich augenblicklich vollkommen entspannt und lag immer noch da, ohne sich zu rühren, mit einem Gesichtsausdruck wie ein schlafendes Nichtflügges. Was lehrte die, die uns trug, das Volk auf dem Weg?

 

Ende von Kapitel 12

 

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