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  „Aveenas Lied” von AlienVibe   (Emailadresse siehe Autorenseite)
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Thema:  So ist es im Krieg
Zeitpunkt:  weit vor Beginn der ersten Staffel
Charaktere:  der Planet der vier Völker, die Gesangshütenden des Wasser-, Wind- und Erdvolkes, der auf dem Weg, der Sprecher und der Heiler der Jaridians, die Besatzung des Zhawi-Schiffes (die Besatzung des Jaridian-Kreuzers, Angehörige der vier Völker)
 

 

AVEENAS LIED

Kapitel 11

 

Einige Zeit später waren wir am hiesigen heiligen Ort versammelt, und alles drängte sich in der kleinen Höhle und im Gang, der dorthin führte. Die Antwort darauf, ob und wie verhindert werden konnte, daß etwas, das von unserer Welt kam, in Waffen verwandelt würde, war allen wichtig, die unsere Erfahrungen auf dem Kreuzer im Kontakt geteilt hatten ... Der Gesang der Konzentration durchströmte das Gestein und rief unsere Welt, und einmal mehr fühlte ich mich verschwindend klein vor ihrem tiefrot pulsierenden Leuchten ... Wir trugen unsere Frage vor, noch behutsamer und respektvoller als sonst, denn dieses Mal ging es um sie selbst, um ihre ureigene Substanz, die Leben erhielt, anstatt es zu vernichten ...
Der Boden unter uns hatte zu beben begonnen, eine sehr tiefe Frequenz klang unter unserem Gesang auf und weitete sich aus. „Singt mir davon ...” verlangte die, die uns trug. „Singt von den Plänen derer, die geholfen haben, uns zu schützen ...” Und ich sang von den Gedanken der Jaridians, den Schild, der uns Schutz vor Zerstörung war, in ein Werkzeug der Zerstörung zu verwandeln. „Lassen wir das geschehen, sind wir beteiligt am Nehmen von Leben ... und daran, daß die Jaridians einst nicht mehr sind, weil sie die Taelons vernichtet haben werden ... es darf nicht sein ...”
Die Erinnerung an die tote Welt der Fünfgliedrigen machte mich hilflos. Jede Idee, wie man die Jaridians von solchen Vorhaben abbringen könnte, war zuvor im Kontaktkreis gedreht und gewendet und schließlich als nicht durchführbar verworfen worden. Mit dem jaridianischen Hauptkommando hatten wir bisher noch keine Berührung gehabt. Dessen Führende hatten zwar signalisiert, ihre neuen Verbündeten selbst kennenlernen zu wollen - was der Kontakt mit ihnen allerdings bewirken würde, war nicht vorhersehbar ...

Die tiefe Frequenz schwang weiter, aber das Beben ließ nach. „Singt ... singt von den Werkzeugen der Zerstörung ... singt von den Waffen auf dem Schiff ...”
Während unseres Aufenthaltes dort hatten wir die verschiedenen Waffensysteme des Kreuzers nicht nur zu sehen bekommen, sondern hatten auch dort Instruktionen erhalten, was zu tun sei, wenn das Schiff angegriffen würde und wir uns gerade in der Nähe eines dieser Systeme aufhielten. Dabei war es im Wesentlichen darum gegangen, die entsprechende Sektion so schnell wie möglich zu verlassen, ohne diejenigen zu behindern, die mit den Waffen umzugehen wußten. Jeder von uns hatte währenddessen immer wieder die Wände berührt, hinter denen sich Laserkanonen, Photonenemitter, Torpedos und andere entsetzliche Dinge verbargen, um sich in Verbindung mit deren Frequenzen die darauf bezogenen Notfallregeln leichter einprägen zu können. Auf Geheiß unserer Welt begannen wir jetzt, die Frequenzen, die uns im Gedächtnis geblieben waren, zu singen ...
Nach einiger Zeit wurde spürbar, daß es, so verschieden die Frequenzbänder waren, eine Klangsequenz gab, die wieder und wieder auftauchte, gleich, welche Waffe bezeichnet wurde, von der kleinsten, die ein einzelner Kämpfer bei sich trug, bis hin zu der, die Planeten zerstörte, und diese Sequenz kennzeichnete eine Substanz, die nur in der Materialverarbeitung für die Waffenherstellung verwendet wurde. In keinem anderen Zusammenhang auf dem Kreuzer war sie je aufgetaucht - nicht in den Materialien, aus denen er bestand, nicht im Antriebssystem, nicht in den unzähligen Geräten und Werkzeugen, die die Jaridians einsetzten ... Dieses Klangband befand sich nur in der Bewaffnung, und dort überall. Es zu singen, war schmerzhaft und faszinierend zugleich - reine Zerstörung, präzise geplant und absolut effektiv ...
Es wäre für die Jaridians ein Leichtes, klingenden Fels auch für die kristallinen Bestandteile ihrer Waffen zu verwenden, abgesehen von ihren Plänen bezüglich des Schildes. Was hatten wir - oder die, die uns trug - dagegen zu setzen?
Irgendwann wandelte sich der tiefe Akkord, der die Stimme unserer Welt war, auf subtile Weise, und dann wurde es mühsam, das Frequenzband jaridianischer Bewaffnung weiter zu halten. Meine Stimme wurde brüchig und heiser, die Stimmbänder begannen zu schmerzen, sogar die Resonanzsehnen ... schließlich brach alles mit einem Krächzen ab, während das Lied, das der Planet sang, weiter im Gestein hör- und fühlbar blieb. Ich versuchte, den Gesang der Waffen wieder aufzunehmen, bekam aber nicht einmal mehr den ersten Ton heraus. Die Gesangshütenden von Wasser und Erde bemühten sich gleichfalls vergebens; alle übrigen hockten nur da, verwirrt und voller Unbehagen. Ich spürte in den Fels unter mir, konzentrierte mich erneut auf das Klangspektrum der Bewaffnung des Kreuzers - und verstand in dem Moment, als ich Atem holte und die Resonanzsehnen wieder anspannte, was die Stimme unserer Welt wob.
Die Gegenfrequenz.
Frequenz und Gegenfrequenz löschen einander aus.

Der Gesang der Waffen Jaridias, vereint mit dem Lied unseres Planeten im klingenden Fels, der die Gegenfrequenz wob mit jedem winzigsten Bruchstück seiner selbst ...
Alles würden die Jaridians herstellen können aus dem Leib unserer Welt - alles, nur keine Waffen. Klingender Fels, auf die Gegenfrequenz geprägt, würde das Material, das darin verarbeitet war, ermüden lassen wie unsere Stimmbänder - bis es den Zusammenhalt verlöre und einfach zerfiele.
Alle im Kreis begannen, sich auf das neue Lied unseres Planeten einzustimmen. Mehrere aus dem Volk im Dunklen gaben Bilder der Ihrigen in den Kontakt, die diesen Gesang in Boden und Wände ihrer unterirdischen Behausungen tanzten. Ich übertrug mit dem obersten Stimmbandpaar die Gegenfrequenz in den Bereich des Nanokristall-Formsingens.
„Nein,” gab uns die, die uns trägt, zu verstehen. „Diese Aufgabe wäre zu groß für Euch ...” Ein tiefes, grollendes Beben lief durch den heiligen Ort, verbunden mit einem Gefühl, als strecke sich die Höhle selbst, als hole das Gestein um uns Atem, dehne sein Innerstes und ließe es neu einrasten.

„Vertraut ...
Nehmt von mir
und vertraut
gebt denen
die Euch vertrauen
wissend
nichts von mir
wird der Zerstörung dienen ...”

Einzelne Risse hatten sich im Fels gebildet, aus einem davon, in der Decke, rieselte Sand. Etwas davon fing ich mit der linken Flügelhand auf - und darin schwang die Stimme unserer Welt, bereichert um ein subtiles neues Klangspektrum ...
Viel später klang die Berührung mit dem Innersten unseres Planeten aus. Bei der nächsten Begegnung würden wir den Jaridians von der Entscheidung, die dieser getroffen hatte, singen müssen ...
In den folgenden Hell- und Dunkelphasen war der Grund unter Wäldern und Meer in ständiger sanfter Bewegung, und die, die das Dunkle barg, sangen damit in ihren Gängen und Höhlen. Mit dem Aufsetzen eines jaridianischen Frachtshuttles am Strand in der Nähe der Feuerstätten derer auf dem Weg kam alle Bewegung zur Ruhe. Und während der Sprecher der Jaridians, der aus irgendeinem Grund das Heimbringen derer auf dem Weg allein übernommen hatte, mit den beiden Feuervolk-Angehörigen ausstieg, wurde es dunkel über unserer Welt.

Der Schild war aktiviert.
Es hatte nur einen einzigen Test gebraucht, um festzustellen, daß er funktionierte. Und somit gab es nur eine Erklärung für die plötzliche Finsternis: wir wurden angegriffen.
Der Sprecher hatte sein Kommunikationsgerät aktiviert und verständigte sich mit den Seinen auf dem Kreuzer. Wir umringten ihn und gingen in Kontakt, um mitverfolgen zu können, was geschah ... Langstreckensensoren hatten plötzlich sechs Kampfschiffe angezeigt, die in unmittelbarer Nähe unseres Systems aus der Interdimension gesprungen waren. Das jaridianische Schiff hatte sich bereits holographisch getarnt, die Schilde hochgefahren und war auf dem Weg, sich hinter dem größten unserer Monde zu verbergen. Die Gegner waren keine Taelons, nichtsdestotrotz hatte die Besatzung sie an der Energiesignatur wiedererkannt - die Taelons hatten, wie vermutet, Angehörige eines der vielen Völker geschickt, die sie für sich kämpfen ließen ... Die Jaridians hatten auch dieser Spezies des öfteren gegenüber gestanden. „Die meisten sind implantiert - sie kämpfen rücksichtslos und geben nichts auf das eigene Leben ...” Der Sprecher gab sich gar nicht erst Mühe, die Sorge um die Seinen zu verbergen. Was uns betraf, spürte ich über die Berührung sein Vertrauen in den Schild ... und wünschte mir, wir könnten seine Zuversicht teilen ... Wir hatten den erfolgreichen Test miterlebt. Aber wir erinnerten uns auch an die Zerstörung des kleinen Waldes ... sechs Kampfschiffe, jedes mit einer Bewaffnung, die fähig war, einen ganzen Planeten auszulöschen ...
Eine Zeit lang geschah nichts.
Der Kreuzer hing getarnt hinter dem angesteuerten Mond, unbemerkt von den Angreifenden. „Sie fliegen ins System hinein,” meldete der Navigator. „Sie formieren sich um Euch ...wir hören ihre Kommunikation ab, die Warnung der Wächter haben sie ignoriert ...”
Wieder verging einige Zeit, ohne neue Meldung und ohne das etwas geschah. Alles war ganz still geworden - als hielten nicht nur wir, sondern unsere Welt selbst den Atem an.
Und plötzlich war der Himmel in Farben getaucht. Leuchtendes Gold, das sich ausdehnte und an den Rändern zu Orange und Rot wurde ... Blaue Kreise, die grellweiß zu explodieren schienen und in Wellen ausliefen ... flammende grüne Schleier ...
Der Schild hielt stand.
Unser Ganzes war geschützt.
„Sie merken, daß sie nichts erreichen,” - das war erneut der Navigator - „aber sie haben den Befehl, den Planeten entweder einzunehmen oder zu zerstören, und letzteres werden sie jetzt versuchen. Sie werden alles gegen Euch einsetzen, was sie an Bord haben ...”
Die Farben am Himmel flammten mit doppelter Intensität wieder auf. Etliche im Kreis waren damit beschäftigt, gerade flügge Gewordene aus dem letzten Umlaufzyklus davon abzuhalten, in diese absurde Schönheit hinein aufzusteigen ... es war so faszinierend anzuschauen, daß man darüber vergessen konnte, daß es das Ende unserer Welt zum Ziel hatte - daß wir vernichtet werden sollten, um den Jaridians einen unbedeutenden strategischen Vorteil zu nehmen ...
Das hier als Realität zu akzeptieren, hatte nicht aufgehört zu schmerzen, nur weil wir begonnen hatten, es zu verstehen.
Immer mehr der Unseren schlossen sich dem Kreis an. Es war unter dem anhaltenden Beschuß hell genug, daß wir unsere Arbeiten hätten fortsetzen können, aber niemandem war danach zumute ... Nur die auf dem Weg hatten zwei der Ihren an den Feuerstätten belassen, um diese in Gang zu halten. Wie lang der Angriff auf unseren Planeten dauerte, wie lang unvorstellbare Farbenpracht über uns flammte, wußten wir nicht - es fühlte sich an wie eine sehr lange Zeit. Und als es schließlich ein Ende hatte, blieb es dunkel.
Warum wurde der Schild nicht deaktiviert?
„Die Sensoren zeigen an, daß nur eines der Schiffe noch Munition hat,” berichtete der Navigator vom Kreuzer aus. „Die fünf, die alles verschossen haben, ziehen sich gerade zurück. Das andere hat Befehl, in Eure Atmosphäre einzutauchen - wir vermuten, es hat biologische Kampfstoffe an Bord ...”
Mir wurde kalt, und mein Innerstes zog sich zusammen. Sie hatten die Warnungen doch gehört ... der Schild würde sie einfach zerfetzen und nichts von ihnen übrig lassen ... Der Sprecher schaute mir in die Augen. „Ihr könnt es nicht verhindern,” sagte er. „Sie haben sich entschieden, die Wächter zu ignorieren. Es ist ihre Verantwortung, nicht Eure ...” „Das Schiff nimmt Kurs auf Euch ...” meldete der Navigator. „Es berührt den Schild ... sämtliche Sensoren bei ihnen geben höchsten Alarm, aber keiner reagiert darauf ...” Er schien die Kommunikation des gegnerischen Schiffes und dessen Abbild auf seinem Bildschirm gleichzeitig zu verfolgen. „Sie haben Schaden genommen - und der Kommandant befiehlt Abbruch der Mission, sie steigen wieder auf ... und sind dem Schild entkommen ... Sinnlos ein ganzes Schiff zu vergeuden, war wohl nicht Bestandteil ihres Befehls ...”
Ich war so erleichtert, daß meine Beine nachgaben, nur der Halt im Kontakt verhinderte, daß ich fiel. Vielleicht war kein einziges Leben genommen worden bei diesem Angriff ... Der Navigator gab durch, daß das beschädigte Schiff in einen sehr hohen Orbit um unsere Welt gegangen sei; der Defekt, den es erlitten habe, sei schwerwiegend.
Ich erwartete, daß er berichten würde, daß eines der anderen Kampfschiffe das beschädigte in Schlepp nehmen würde, wie es jemand von der Kreuzerbesatzung während unseres Aufenthaltes dort erzählt hatte - statt dessen meldete er nach einer Weile, die übrigen fünf Schiffe seien in die Interdimension gesprungen. „Sie haben es zurückgelassen,” meinte er. „Eine Reparatur würde zu lange dauern, als daß sie darauf warten könnten, sie wurden bereits zu einem neuen Kampfeinsatz abberufen. Sie wissen, daß dieser Planet über keinerlei Waffen verfügt, also droht den Ihren ja keine Gefahr ... und von uns wissen sie nichts ...” Über den Kontakt nahm ich wahr, daß sich in den Gedanken des Sprechers bereits ein Plan geformt hatte. „Wir holen sie uns,” sagte er dem Navigator. „Vielleicht ist von ihrem Interdimensionsantrieb genug übrig, daß wir etwas damit anfangen können, und vielleicht machen wir dieses Mal Gefangene ... verfahrt nach Plan, nehmt das Schiff ein und seid schnell genug mit dem Schlafgas, bevor sich die ganze Besatzung umgebracht hat - es sollte doch möglich sein ...”
„Ich habe verstanden.” antwortete der Navigator. „Der Schild bleibt aktiviert, bis die Aktion vorbei ist,” sagte der Sprecher. „Ich gebe es weiter.” kam die Antwort vom Kreuzer.
Der gesamte Kreis hatte die Kommunikation und die zugehörigen Gedankenbilder mit verfolgt. Die Jaridians würden sich getarnt dem defekten Gegnerschiff nähern und es mit einer Art gebündelter Energie festhalten. Dann würde die Hälfte der Besatzung hinein dringen, mit einem besonderen Schutz versehen, und etwas in dessen Atmosphäre geben, das jedes andere Wesen außer ihnen selbst in einen tiefen Schlaf versetzen würde - täten sie das nicht, wären die, die hier die Besatzung stellten, in kürzester Zeit tot. Ihre Implantate würden aktiv dafür sorgen, um zu verhindern, daß sie den Jaridians in die Hände fielen.
Und danach würde das gegnerische Kampfschiff und die Wesen darin den Jaridians gehören.
Mein Inneres war gefrorenes Wasser. Meine Stimmbänder hatten sich so verkrampft, daß ich keinen Ton heraus bekam. Ich konnte den Sprecher nur über den Kontakt bitten ... bitten, diesen Plan fallen zu lassen um dieser fremden Geschöpfe willen, die die Entscheidung, zu tun, was sie getan hatten, ja nicht selbst getroffen hatten ... Wem wäre geschadet, wenn sie sie einfach ziehen ließen?
Der Sprecher steckte das Kommunikationsgerät in eine seiner Taschen, nahm meine Flügelhand von seiner Schulter, schob mich ein Stück von sich fort und trat selbst einen Schritt zurück. „Aveena, das hier hast Du nicht wirklich verstanden,” sagte er bestimmt, „und es geht weder Dich noch irgend jemanden hier irgend etwas an.”
Er wandte sich ab und verließ den Kreis in Richtung Shuttle, stieg hinein und verschloß die Tür hinter sich.
Wir blieben fassungslos zurück.

Einige Zeit später lagen Strand und Wald im rötlichen Licht einer zu Ende gehenden Hellphase. Der Schild war deaktiviert. Das Shuttle hob ab, stieg rasch auf und war außer Sicht.
Wir hielten noch Kontakt, dankbar, daß der Schild standgehalten hatte ... der Schild, den es ohne die Jaridians nicht gegeben hätte ...
Es war so schwer zu verstehen, weil es sich so widersprüchlich anfühlte. Uns, die sie als ungeschützt und hilflos wahrnahmen, hatten sie zu Verbündeten gemacht und zu Schutz verholfen. Und gleichzeitig empfanden sie es als selbstverständlich, Wesen, die in unseren Augen hilfloser waren als wir, weil sie nicht einmal mehr in der Lage waren, aus eigenem Willen heraus zu handeln, Schaden zuzufügen - ihnen ihr Schiff wegzunehmen und sie einzusperren ... Der Eindruck in den Gedanken des Sprechers zu dem Begriff „Gefangene” zeigte viele zweibeinige Geschöpfe mit deformiert wirkenden, zu lang geratenen Armen in einem leeren Frachtraum, dicht an dicht am Boden liegend und ohne Bewußtsein ... Diese Wesen kämpften auf Seiten der Taelons und hatten den Jaridians sehr viel angetan. Uns hatten sie zu vernichten versucht ...
Wir konnten sie nicht hassen.
Wer immer sie waren, nicht sie hatten entschieden, uns anzugreifen, sondern etwas, das in sie hineingegeben worden war und Worte in ihnen sprach ...
Ich unterdrückte die aufsteigenden Erinnerungen dazu und konzentrierte mich auf Überlegungen, was jetzt zu tun sei - für sie, für die Jaridians und für uns ... die Jaridians und die fremden Geschöpfe waren unerreichbar hoch über unserer Welt - was immer jetzt da oben geschah, webten wir nicht mit.
Was brauchten wir jetzt, nach all dem? Was galt es füreinander zu tun? Erschöpfung war im Kontakt, der Angriff mußte wirklich lang gedauert haben. Ohne Wechsel des Lichtes ging das Gefühl für die Zeit verloren ... Das war nur eine der vielen Fragen, über die noch Rat gehalten werden mußte: mußten wir Vorkehrungen treffen für erneute, vielleicht noch heftigere Angriffe, und wenn ja, welche? Aber dies war nicht der Augenblick dafür ... Die meisten von uns sehnten sich nach ihren Behausungen und nach Schlaf ... also lösten wir schließlich den Kreis auf, und unser Stamm flog hinüber zu unserem Gehölz.
In meinem Schlafnest schaute ich in das dichte Geflecht über mir, spürte die Meinen um mich herum und den Ph'taal und dachte an die Wesen, die jetzt vielleicht tot - oder Gefangene der Jaridians - waren, bis mir irgendwann die Augen zu fielen.

Nicht die Sonne weckte uns zu Beginn dieser Hellphase, sondern die im Ph'taal vibrierende Trägerwelle eines Shuttles, das über dem Baum schwebte. Ich stieg aus dem Schlafnest durch das Geäst zum oberen Eingang unserer Behausung. Der Sprecher der Jaridians ließ sich gerade mit einem Seil zu uns herab, landete geschickt auf einem Ast in der Nähe, hakte sich los und gab dem Shuttle ein Zeichen, woraufhin das Seil eingeholt wurde. Er blickte sich um, sah mich und kam auf mich zu. Er wirkte mitgenommen und besorgt.
Ich hielt ihm eine Flügelhand entgegen, und er nahm sie. „Bitte ... wir brauchen Eure Hilfe ...” In seinem Geist war der Eindruck eines der Geschöpfe, die sie jetzt auf ihrem Kreuzer hatten. „Die Aktion ist gelungen, ihr Schiff wird gerade untersucht und wir haben sie alle lebend gefangengenommen. Aber wir müssen sie ständig in Schlaf halten ... Wir haben versucht, einen der Ihren zu wecken, um ihn zu befragen, und er wäre beinahe gestorben. Als er merkte, wo er ist, hat er eine Art Krampfanfall bekommen. Wir haben ihn wieder betäubt, und es hat aufgehört, aber wir wissen nicht, was wir jetzt tun sollen. Wir haben versucht, ihm mit unseren Medikamenten zu helfen, aber er hat nicht darauf reagiert ... Im Tiefschlaf sind sie uns von keinerlei Nutzen ...”
Die Vorstellung, zu helfen, daß ein Wesen einem anderen „von Nutzen” sein konnte, war mir zuwider, aber das Gedankenbild des fremden Geschöpfes im Krampfanfall, mit schmerzverzerrten Gesichtszügen und furchtbar verrenkten Gliedmaßen, löste nur den Wunsch aus, abzustellen, was immer so etwas verursachte, und damit waren meine Reflexe aktiviert. „Was müssen wir tun?” „Ich weiß es nicht,” meinte der Sprecher, „und deshalb bitten wir Euch, die Ihr schon bei uns wart, mit mir zu kommen und Euch die Gefangenen anzusehen. Wir haben alles versucht, nichts hat geholfen - wir müssen sie bewußtlos halten, oder sie sterben. Ihr nehmt anders wahr als wir - vielleicht findet Ihr eine Lösung, auf die wir nicht kommen können ...” In meinen Gedanken formte sich das Bild des schwer beschädigten Kampfschiffes, unbehelligt im Orbit um unsere Welt. Der Sprecher sah es und atmete tief aus. „So ist es im Krieg ...”
Wir schauten einander an. „Ich gebe Eure Bitte um Hilfe weiter,” bedeutete ich ihm schließlich und löste mich vorsichtig aus dem Kontakt. Dann rief ich über den Baum den Erdstamm unter uns, bevor ich mich auf den Weg zum Meer machte, um den Gesangshüter der Wasser zu verständigen.
Kurze Zeit später waren er, die Gesangshüterin des Volkes im Dunklen, der Feuervolk-Angehörige, der uns den Gesang unserer Welt an einer Schnur aus Gras überreicht hatte und ich im Shuttle auf dem Weg zum Schiff der Jaridians. Der auf dem Weg war mir entgegen gekommen, als ich aus dem Wasser auftauchte, hatte meine Flügelhände genommen und nur gesagt: „Ich muß mit ...”

Unterwegs fragte ich ihn, woher er davon gewußt habe, und er antwortete: „Ich habe es in den Feuern gesehen ...” In dem Gedankeneindruck, den ich dazu auffing, sah ich die fast weißen Flammen der Feuerstätten derer auf dem Weg, in denen sich deutliche, leuchtende, durchscheinende Bilder formten - die gleichen, die mir der Sprecher der Jaridians übermittelt hatte. „Ihr Weg führt durch die Feuer des Inneren ...” Was lehrte die, die uns trägt, das Volk auf dem Weg?
Auf dem Kreuzer angekommen, der das gegnerische Kampfschiff im Schlepp hatte, führte uns der Sprecher sofort in die medizinische Station. Ein einzelnes der gefangenen Wesen lag dort unbekleidet auf einer der Liegen und wurde gerade vom Heiler gescannt.
Ich hatte plötzlich das sichere Gefühl, so ein Geschöpf schon einmal gesehen zu haben ... ich trat an die Liege heran und berührte es vorsichtig. Es fühlte sich sogar bekannt an ... bekannt und entsetzlich falsch zugleich. „Diese Rasse nennt sich selbst die Zhawi,” sagte der Heiler. Wir wissen so gut wie nichts über sie, wir kennen sie nur als Gegner im Kampf. Die medizinischen Daten, die wir jetzt über sie sammeln, sind die einzigen, die wir haben. Sie sind ausnahmslos implantiert, und wir finden keine Möglichkeit, uns mit ihnen zu verständigen. Das ist der Grund, warum wir Euch um Hilfe bitten - wir können sie nicht ziehen lassen, ihr Schiff und die Informationen, über die sie verfügen, sind zu wertvoll für uns ...”
Wir hatten uns instinktiv so um das Wesen auf der Liege gruppiert, wie wir es tun, wenn wir für einen der Unseren Heilung singen müssen, in dessen Körper es unkontrolliert zu wachsen begonnen hatte. Die Hüterin der Gesänge des Erdvolkes stand zur Linken des Zhawi, der Gesangshüter der Wasser zu seiner Rechten, ich an seinem Kopfende. Der Angehörige des Feuervolkes schaute zuerst uns, dann das bewußtlose Geschöpf prüfend an und begab sich an das Fußende der Liege. „Ich schaffe und halte den Raum, daß Heilung geschehen kann,” sagte er und nahm die klauenähnlichen Füße des Wesens in seine Hände. Ich hatte plötzlich das Gefühl, als lege sich eine Art wärmender, schützender Hülle um uns vier und den Zhawi in der Mitte. Der auf dem Weg bedeutete dem Sprecher der Jaridians, sich neben die Gesanghüterin derer im Dunklen zu stellen, und dem Heiler, sich an die Seite des Wasser-Gesangshüters zu begeben. „Eure Energie wird gebraucht ...”
Ich war genau so überrascht wie die beiden Jaridians - aber so fühlte es sich richtig an ... Ich legte dem Zhawi beide Flügelhände auf den kahlen Kopf. Falsch ... diese feuchte, zu kalte Haut, so durfte es nicht sein ... „Laß uns wissen, was für Dich zu tun ist ...” sang ich ihm - die uralte Einleitung zu jeder Heilungsarbeit dieser Art. „Das Schwache stärken ...” antwortete die Erd-Gesangshüterin und legte ihm je eine Hand auf Brust und Bauch. „Das Starre ins Fließen bringen ...” sang der Hüter der Gesänge des Wasservolkes und tat es ihr mit den Spitzen seiner Flossen gleich, nach dem er den Sauerstoff-Konzentrator so an sich befestigt hatte, daß er leicht atmen konnte. „Sein Selbst in ihm verankern,” sagte der auf dem Weg ... Ich war bereits in der Tiefenwahrnehmung, spürte unter meinen Flügelhänden längst nicht mehr nur die Haut, die sich über den Schädel spannte, sondern tief in das Innere des Wesens hinein ...
„Fort nehmen, was ihn nicht er selbst sein läßt ...” sang es aus mir ... und das war nicht das Einzige, aber das Dringendste, das für den Zhawi getan werden mußte.

Das Implantat - Cyber-Virus-Implantat oder CVI war der genaue Begriff dafür, wie ich aus den Kontakten mit den Taelons noch wußte - war eine seltsame halb organische, halb energetische Struktur, die in das Gewebe im Kopf des Wesens, das es bewußt denken und handeln ließ sowie alle Vorgänge in seinem Körper steuerte, hinein geflochten war. „Gehirn” gab der Heiler als Wort für dieses Gewebe in den Kontakt, und den Anteil davon, der sich durch den Hals des Geschöpfes abwärts zog und tief in den Körper hinein reichte, nannte er „Rückenmark” und „Nervengewebe” - mit dem oberen Teil des Rückenmarks war das Implantat ebenfalls in Verbindung. Das CVI war vielfältig verästelt, zarte Stränge, die an bestimmten Stellen Verdickungen aufwiesen und bläulich pulsierten ... die Struktur erinnerte mich sehr an die, von der ich in der Vision über die Anfänge der Taelon bewohnt gewesen war ... sehr vorsichtig setzte ich sämtliche weit offenen Tiefensinne ein und untersuchte sie.
Sie war der, die mich bewohnt hatte, sehr ähnlich. Aber im Gegensatz dazu war sie kein winziger, kompletter, lebendiger Ableger der Komplexschwingung - sie war ein Bruchstück, ein sorgsam aus einer vollständigen Einheit herausgetrenntes Bruchstück, das nicht das Lied der Komplexschwingung sang, sondern nur einen merkwürdig veränderten, zusammengedrückt wirkenden, sehr kleinen Ausschnitt davon, der sich kontinuierlich wiederholte:

„Alles, was Du denkst, für uns
alles, was Du tust, für uns
alles, was Du bist, für uns

Du denkst klarer - für uns
Du handelst bestimmter - für uns
Du wirst mehr - für uns

Anderes als wir
ist ohne Wert
Du bist, was Du bist
nur für uns.”

Die erste der Verdickungen saß dort, von wo aus die beiden elementaren Körperfunktionen, Atmung und Flüssigkeitskreislauf, gesteuert wurden. Je eine andere fand sich zu beiden Seiten des Gehirns dort, wo die Impulse entstanden, sich zu bewegen. Zwei weitere waren dort wahrzunehmen, wo die Erinnerungen des Zhawi gespeichert waren, und noch je eine auf der rechten und der linken Seite in den Regionen, die mit dem Empfinden von Gefühlen zu tun hatten. Ich spürte tief in das Gewebe um diese merkwürdigen Knoten herum hinein, nahm aber, obwohl ich Eigenstrukturen des Zhawi berührte, nur das endlose Lied des Komplexschwingungs-Bruchstücks wahr.
Dieses seltsam deformiert wirkende Wesen lebte nur noch für dieses Lied. Es atmete nur dafür. Es bewegte sich nur, um denen, die es ihm eingegeben hatten, zu dienen, erinnerte sich nur an das, was in diesem Zusammenhang von Nutzen war und fühlte nichts mehr außer Hinwendung dazu und Ablehnung gegenüber allem Anderen ... und wenn dieses Geschöpf erwachte und feststellte, daß es sich in einer Situation befand, die von „allem Anderen” bestimmt wurde und aus der es keinen Ausweg sah, dann hatte sein Leben den Wert verloren ... Das Lied, das ihm das CVI sang, würde so laut in seinem Kopf, daß das Wesen in Panik geraten und sein Gehirn sinnlose Bewegungsimpulse in den Körper geben würde, die das Implantat rasch zu knochenzerbrechenden, muskelzerfetzenden Krämpfen verstärkte. Sterben würde es schließlich an einem zerrissenen oder völlig gelähmten zentralen Atemmuskel oder an einem gebrochenen Genick.


Ich brauchte alle Energie, die ich aufbringen konnte, um nicht selbst in Panik zu geraten oder in massiven Zorn so wie die Jaridians, die ich über den Kontakt spürte. Der Angehörige des Feuervolkes kam mir zu Hilfe; es war, als ob er die heftigen Gefühle im Kreis kanalisierte und in den Boden unter uns ableitete, so daß alle an dieser Arbeit Beteiligten klaren Bewußtseins blieben ... Die einzige Chance, die der Zhawi zum Überleben hatte, war die Entfernung des Implantats. Ob genug von ihm übrig war, um ohne es zu bleiben, war unklar - mit dem CVI würde er in jedem Falle sterben.
Wir würden mit absoluter Präzision vorgehen müssen - das Implantat war so dicht mit den eigenen Strukturen des Wesens verwoben, daß große Gefahr bestand, diese zu verletzen. Ich hätte am liebsten mit Frequenz und Gegenfrequenz gearbeitet, aber der Heiler drängte zur Eile - die Wirkung des betäubenden Mittels, das er ihm verabreicht hatte, würde bald nachlassen ... Also blieb uns nur, dem Komplexschwingungs-Bruchstück seine Eigenfrequenz zu singen, um es damit zu zerstören ...
Alle waren im Kreis spürbar, vollkommen konzentriert. Der Angehörige des Volkes auf dem Weg machte eine seltsame, präzise Bewegung mit beiden Händen, als ob er etwas seitlich von sich wegschiebe, und die schützende Hülle, die ich zuvor um uns wahrgenommen hatte, hatte sich erweitert und so verstärkt, daß nicht einmal mehr die ansonsten allgegenwärtige Trägerwelle des Kreuzers mehr spürbar war. Und wir begannen zu singen, uns sehr vorsichtig an das Frequenzband des CVIs herantastend. Zehn Einzelfrequenzen formten dessen Klangspektrum. Die drei tiefsten übernahm die Gesangshüterin des Erdvolkes, die kurzfristig die Resonanzsehnen mit einsetzte, worauf hin die Liege zu vibrieren begann. „Zu viel Energie,” warnte der auf dem Weg und leitete erneut den Überschuß in den Boden, bevor Schaden angerichtet war. Die Erd-Gesangshüterin beschränkte sich daraufhin auf ihre horizontalen Stimmbandpaare. Die zusätzliche Energie der Resonanzsehnen hätte den Vorgang hier beschleunigt, aber das Risiko war zu groß ... Die mittleren drei Einzelklänge übernahm der Hüter der Gesänge des Volkes in den Tiefen, die vier obersten ich. Nach kurzer Zeit hatten wir die Eigenfrequenzen des Implantates exakt getroffen und begannen die Intensität dessen, was wir hervorbrachten, langsam zu steigern ... Ich hatte die Flügelhände auf dem Kopf des Wesens so plaziert, daß je eine Kralle über je einem der Gefühls-, Erinnerungs- und Bewegungszentren in seinem Gehirn zu liegen kam. Die rechte Hand der Gesangshüterin derer im Dunklen hielt den Nacken des Zhawi und übte einen leichten Druck auf die Stelle aus, unterhalb derer sich das Steuerzentrum für Atmung und Flüssigkeitszirkulation befand.
Wir fühlten, wie die Knoten und Stränge des Implantates in Schwingung gerieten.
Wir verstärkten unseren Gesang.

Und plötzlich war etwas Zusätzliches da, etwas, das uns unterstützte und die Struktur des CVIs zusätzlich irritierte - der Vierer-Rhythmus, in dem während des letzten Rathaltens das Lied der Taelons gesungen worden war, aber um vieles schneller ... Er ging von dem Angehörigen des Feuervolkes aus, pulsierte durch die Knochen des Zhawi und zwang die Stränge, die das Implantat bildeten, sich aufzudehnen ...
Wir intensivierten unseren Gesang.
Ich mußte mich zwingen, die Resonanzsehnen ruhig zu halten. Die Bahnen und Verdickungen des CVIs strahlten jetzt ein gleißendes blaues Licht aus, und Hitze wurde spürbar ... und dann gab es ein grelles weißes Aufleuchten, und das Implantat war verschwunden.
Wir ließen den Gesang ausklingen. Nichts war übrig von dem, was in dem fremden Wesen das Lied für die Taelons gesungen hatte. Die angrenzenden Hirnstrukturen erschienen wie angesengt von der Hitze, die bei der Zerstörung des CVIs freigesetzt worden war, und der Gesangshüter der Wasser nahm meinen Platz am Kopfende des Zhawi ein, legte die Spitzen seiner Flossen auf dessen Kopf und sang ihm Heilung dafür ...
Als das Wesen schließlich zum ersten Mal erwachte, lag es zwischen meinen Flügeln auf dem improvisierten Mitte-Lager in unserer Unterkunft, in Kontakt mit den beiden anderen Gesangshütenden und mit dem auf dem Weg zu seinen Füßen. Der Sprecher der Jaridians hatte sich, sobald wir die Arbeit abgeschlossen und den Kreis geöffnet hatten, auf die Brücke begeben. Ihr Heiler war bei uns, aber außerhalb der Sichtweite des Geschöpfs.
Und als der Zhawi die Augen öffnete - für einen einzigen Blick voller Angst - und sofort wieder schloß, wußte ich, woher ich seine Rasse kannte und was so entsetzlich falsch an ihm war.
Die Bilder, die uns unsere Welt gezeigt hatte, als sie uns mitteilte, wir hätten eine Wahl zu treffen. Knochige, schwarzfedrige Geschöpfe auf einem Mitte-Lager, verletzt und verängstigt ... Er hätte Federn haben müssen statt bloßer Haut. Er hätte kraftvolle Schwingen haben müssen statt zu lang geratener dürrer Arme ...
Wir sangen dem zitternden Wesen Wärme, Annahme und Geborgenheit, bis es sich entspannte und wieder in den Schlaf glitt - aber dieses Mal nicht in die tiefe graue Bewußtlosigkeit, die das Schlafgas der Jaridians hervorrief, sondern in etwas Heilsames, das helfen würde, zu regenerieren, was es einmal gewesen war und wieder werden würde. Das CVI hatte seine Eigenstrukturen nicht zerstört, sondern so massiv überlagert, daß diese ihre Aktivitäten eingestellt hatten und zum passiven Werkzeug geworden waren - und jetzt war das Implantat fort.
Der Heiler scannte den Zhawi und war mit dem Ergebnis zufrieden. In Berührung mit dem Wesen hielten wir Rat, wie jetzt den anderen seiner Rasse zu helfen sei, ohne es hier allein lassen zu müssen ... Wie lange hatten wir gebraucht, um es von dem CVI zu befreien? Wie lange waren wir in der Lage, uns so intensiv zu konzentrieren? Der Heiler betätigte sein Kommunikationsgerät, setzte sich mit der Brücke in Verbindung und gab dann in den Kontakt: „Auf Eurer Welt geht dort, wo Ihr lebt, gerade die Sonne unter ...”
Dreißig Mitglieder zählte die Besatzung des Zhawi-Kampfschiffes. Für einen der Ihren hatten wir bisher gerade das Nötigste tun können ... Was war mit ihnen allen geschehen, daß sie Federn und Flügel verloren hatten und so abgezehrt und deformiert wirkten? Die Entfernung der Implantate war in jedem Falle vordringlich, aber ...
Der Gesangshüter der Wasser regte sich, und über die Berührung spürte ich Unbehagen von ihm ausgehen, das er zu verbergen versuchte. Ich fühlte zu ihm hin - seine Haut war nicht nur völlig ausgetrocknet, sondern zeigte bereits mehrere breite Risse, aus denen er seine hellgrüne Körperflüssigkeit verlor ...
So, wie es aussah, konnten wir im Moment für niemanden irgend etwas tun.

 

Ende von Kapitel 11

 

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